Stellungnahme

Nahrungsergänzungsmittel

Die Beurteilung von Nahrungsergänzungsmitteln, bilanzierten und ergänzenden bilanzierten Diäten sowie die Abgrenzung zu Arzneimitteln bereitet in einigen Fällen nach wie vor Probleme. Eine Stellungnahme des Arbeitskreises Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) kann wertvolle Beurteilungsmaßstäbe geben, die helfen können, Unklarheiten zu beseitigen. Allerdings: Eigenständiges Denken ist weiterhin gefragt, und wenn der Einzelne allein nicht weiterkommt, sollte er sich nicht scheuen, die lebensmittelchemischen und pharmazeutischen Sachverständigen der örtlichen Lebensmitteluntersuchungsämter und Arzneimittelprüfstellen zu fragen.

Der Arbeitskreis Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des BgVV hat auf seiner 72. Sitzung am 30. 9./1. 10. 1998 und 73. Sitzung am 24./25. 3. 1999 in Karlsruhe beschlossen, folgende Stellungnahmen zu veröffentlichen:

Nahrungsergänzungsmittel

Definition und Abgrenzung zu anderen Lebensmitteln und Arzneimitteln 1. Nahrungsergänzungsmittel (NEM) sind - sofern sie nicht diätetischen Zwecken dienen - Lebensmittel des allgemeinen Verzehrs. Herkömmliche Lebensmittel, auch in angereicherter Form, sind keine NEM.

2. NEM werden üblicherweise in lebensmitteluntypischer Form angeboten, z.B. als Kapseln, Tabletten, Granulat, Pulver, Trinkampullen und Tropfen.

3. NEM sollen der Ergänzung der üblichen Ernährung mit bestimmten Nährstoffen in konzentrierter Form dienen, nicht aber der Energieversorgung.

4. Sie sollen der Sicherung der Versorgung mit ernährungsphysiologisch notwendigen Stoffen dienen, wenn diese z.B. durch einseitige Ernährung nicht in ausreichender Menge zugeführt werden.

5. Art und Menge dieser Nährstoffe müssen in der empfohlenen Verzehrsmenge erwiesenermaßen gesundheitlich unbedenklich sein. Zur Beurteilung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit von Spurenelementen wird auf die als Anlage beigefügte Veröffentlichung des BgVV verwiesen (Tab. 1). Da eine wesentliche Erhöhung der empfohlenen täglichen Vitaminzufuhr keinen zusätzlichen ernährungsphysiologischen Nutzen bringt, sollte ein zweckentsprechender Vitaminzusatz in der empfohlenen Tagesverzehrsmenge die dreifache Menge der empfohlenen täglichen Vitaminzufuhr nicht überschreiten. Für den Fall, dass der Zu- satz der Vitamine A und D auch zu Nahrungsergänzungsmitteln zugelassen wird, sollte die einfache Tagesempfehlung nicht überschritten werden. Zugrunde gelegt sind hierbei die "Zufuhrempfehlungen bzw. Schätzwerte für eine angemessene Zufuhr" der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für die Altersgruppe mit dem höchsten Bedarf (ausgenommen Säuglinge, Schwangere und Stillende).

6. Bei NEM wird erwartet, dass die Kennzeichnung Angaben zu Zweck und Art des Erzeugnisses enthält, z.B. durch die Bezeichnung "Nahrungsergänzung" und Aufführung der enthaltenen Nährstoffe, die der Ergänzung dienen sollen. Weiterhin ist eine konkrete Verzehrsempfehlung erforderlich. Analog den Bestimmungen der Nährwertkennzeichnungsverordnung sollte die prozentuale tägliche Bedarfsdeckung mit dem jeweiligen Nährstoff unter Hinweis auf die Bezugsquelle (z.B. DGE oder NKV) genannt werden.

Bei NEM kann auf einzelne Nährstoffe hingewiesen werden, wenn mit der Tagesdosis ein ernährungsphysiologisch nennenswerter Beitrag geleistet wird. Die gezielte Beeinflussung von Körperfunktionen ist nicht Zweck von NEM, eine entsprechende Werbung ist daher nicht gerechtfertigt. Hinweise auf Unverzichtbarkeit von NEM sind ebenfalls nicht gerechtfertigt, weil bei Ernährung mit einer sachgemäß zusammengestellten Mischkost keine Supplementierung erforderlich ist. 7. Diätetische NEM müssen zusätzlich den Anforderungen der Diätverordnung entsprechen.

Bilanzierte und ergänzende bilanzierte Diäten

Charakteristik und Abgrenzung zu anderen diätetischen Lebensmitteln Die Eingruppierung derartiger Erzeugnisse hat bereits in der Vergangenheit und wiederholt im Rahmen der Beurteilung von Anträgen nach §§ 37 und 47a LMBG sowie von Anzeigen von diätetischen Lebensmitteln nach § 4a Diätverordnung in Abgrenzung zu Sportlernahrungen als diätetischen Lebensmitteln, Arzneimitteln und/oder Nahrungsergänzungsmitteln immer wieder zu Unsicherheiten geführt, sodass nicht nur aus der Sicht des BgVV ein einheitliches Vorgehen bei der Beurteilung notwendig ist.

Bei der Einordnung eines Erzeugnisses als ergänzende bilanzierte Diät sollte auch die Definition des Codex Alimentarius für Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke [1, 2] und die Einstufung des Wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke vom November 1996 [3] sowie der Vorschlag der Europäischen Vereinigung der Hersteller diätetischer Lebensmittel (IDACE [4]) mit berücksichtigt werden. Nach allgemeiner Verkehrsauffassung werden Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten) in chemisch-definierte Diäten und nährstoffdefinierte Formuladiäten eingeteilt [5].

Bilanzierte Diäten müssen definitionsgemäß durch eine definierte, standardisierte und kontrollierte Zusammensetzung einem besonderen Ernährungszweck dienen, indem sie dazu beitragen, im Rahmen eines Diätplanes unter ständiger ärztlicher Kontrolle eine physiologische Stoffwechselsituation aufrecht zu erhalten oder eine pathophysiologische Situation zu korrigieren. Sie ersetzen oder ergänzen konventionelle Lebensmittel in Fällen, in denen mit diesen eine adäquate Ernährung schwierig oder unmöglich ist. Sie werden üblicherweise in Pulverform oder als gebrauchsfertige Flüssignahrungen angeboten und als Trink- oder Sondennahrung enteral aufgenommen.

In der Diätverordnung wird zwischen

  • bedarfsdeckenden bilanzierten Diäten zur ausschließlichen Ernährung und
  • ergänzenden bilanzierten Diäten bei bestimmten Krankheitszuständen, z.B. zur Behandlung von angeborenen Störungen des Aminosäurenstoffwechsels,

unterschieden [5 - 7].

Nach der Definition des Codex Alimentarius, wie sie auch vom Wissenschaftlichen Lebensmittelausschuss (SCF) übernommen wurde, stellen Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke eine Gruppe diätetischer "Lebensmittel dar, die für die diätetische Behandlung von Patienten besonders verarbeitet oder formuliert sind und nur unter medizinischer Aufsicht verwendet werden dürfen. Sie sind für die ausschließliche oder teilweise Ernährung von Patienten mit eingeschränkter oder gestörter Fähigkeit gedacht, gewöhnliche Lebensmittel oder bestimmte darin enthaltene Nährstoffe zu essen, zu verdauen, zu absorbieren oder zu verstoffwechseln oder die andere medizinisch bedingte Nährstoffbedürfnisse haben, deren diätetische Behandlung nicht durch eine Änderung der normalen Ernährung alleine, durch andere diätetische Lebensmittel oder eine Kombination von beiden erfolgen kann [1, 3]."

Nach dem SCF werden

  • "ernährungsmäßig vollständige" (nutritionally complete) und
  • "ernährungsmäßig unvollständige" (nutritionally incomplete) Erzeugnisse

unterschieden.

Erstere sollen das gesamte Spektrum des Nährstoffbedarfs abdecken, um, falls notwendig, auch zur Langzeitanwendung geeignet zu sein, unabhängig davon, ob sie die einzige Nahrungsquelle des Patienten darstellen. Sie können auch gebraucht werden, um einen Teil des täglichen Nährstoffbedarfs abzudecken oder eine unzureichende Nahrung zu ergänzen.

Dagegen zielen letztere darauf ab, die besonderen Ernährungsbedürfnisse verschiedener Gruppen von Patienten zu decken, nämlich Erzeugnisse, die die Folgen eines Enzymmangels kompensieren (wie Phenylketonurie oder Ahornsirupkrankheit), oder Erzeugnisse, die einen Nährstoffmangel ausgleichen oder den Patienten in die Lage versetzen sollen, sich bestimmten Situationen (z.B. Niereninsuffizienz) anzupassen. Sie sind nicht dazu bestimmt, den Bedarf an allen Nährstoffen zu decken (nutritionally incomplete).

Aufgrund dieser Eigenschaften sind für bilanzierte Diäten besondere Kennzeichnungsvorschriften erforderlich, da eine missbräuchliche Anwendung mit gesundheitlichen Risiken verbunden sein kann. Im Codex-Standard müssen alle Erzeugnisse den Hinweis "unter medizinischer Kontrolle verwenden" tragen (Abschnitt 4.4.1) sowie u.a. einen Hinweis, ob das Erzeugnis als alleinige Nahrungsquelle oder nicht bestimmt ist (Abschnitt 4.4.5).

Auf dem Etikett sollte auch ein Hinweis erscheinen (Abschnitt 4.5.1): "Für die diätetische Behandlung von (...), wobei die Lücke mit den besonderen Krankheiten, Störungen oder medizinischen Zuständen, für die das Produkt gedacht und für die es nachweislich effektiv ist, auszufüllen ist."

Sowohl der Codex Alimentarius als auch der SCF setzen für bilanzierte Diäten voraus, dass vom Hersteller in der Zweckbestimmung die besondere Eignung für eine Krankheit, Störung oder einen medizinischen Zustand angegeben werden muss. Dies gilt mit gewissen Einschränkungen auch für die vergleichbaren Bestimmungen in der Diätverordnung, wobei einschränkend nur die Aussagen in Verbindung mit § 3 Absatz 2 der DiätV zulässig sind. Der Begriff "ständige ärztliche Kontrolle" nach § 3 Abs. 2 Nr. 3a und b ist dabei enger als der Begriff "medizinische Kontrolle" im Sinne des § 21 Abs. 2 Nr. 2 DiätV auszulegen.

Weitere Abgrenzung

Sportlernahrungen können keine bilanzierten Diäten sein, auch wenn sie in homogener Form und aus Nährstoffen formuliert als Pulver oder Granulat oder trinkfertig angeboten werden. Auch kommt z.B. bei Aminosäurenpräparaten für Sportler keine Einstufung als ergänzende bilanzierte Diät in Betracht, da sie nicht der Nahrungsergänzung bei bestimmten Krankheitszuständen dienen. Vielmehr müssen Sportlernahrungen, wenn sie diätetische Lebensmittel sind, den besonderen Ernährungserfordernissen bestimmter Gruppen von Personen entsprechen, "die sich in besonderen physiologischen Umständen befinden und deshalb einen besonderen Nutzen aus der kontrollierten Aufnahme bestimmter in der Nahrung enthaltener Stoffe ziehen können".

Nach Auffassung des IDACE sind grundsätzlich alle diätetischen Lebensmittel, für die eine Einzelrichtlinie besteht oder noch erstellt werden soll, gegeneinander per definitionem auszuschließen [4]. Probleme in der Praxis entstehen meistens durch die noch fehlende Zulassung der zu ernährungsphysiologischen und diätetischen Zwecken notwendigen Zusatzstoffe. Hier besteht dringender Regelungs- und Harmonisierungsbedarf.

Literatur [1] Codex Alimentarius. Codex Standard for the Labelling of Claims for Foods for Special Medical Purposes (Codex StAN 180 - 1991). Joint FAO/WHO Food Standards Programme. Food and Agriculture Organziation of the United Nations World Health Organization, Volume 4, Rome 1994. [2] Vitamins and Minerals in Foods for Special Medical Purposes. Codex Alimentarius, Doc. CX/NFSDU 96/11. [3] Scientific Committee for Food: Draft Opinion on Foods for Special Medical Purposes (CS/NUT/FSMP/2 rev. 2), Brussels, November 1996. [4] IDACE: Proposal for a Specific Directive on Foods for Special Medical Purposes (FSMPs) as Required by Annex 1 of the Parnuts Framework Directive (89/398/EEC), April 1995. [5] Amtliche Begründung der Verordnung zur Änderung der Nährwertkennzeichnungsverordnung und der Diätverordnung. Bundesrats-Drucksache 41/88. Verlag H. Heger, Bonn 1988. [6] Drews, H.: Neue Vorschriften in der Diätverordnung. Ernährungs-Umschau 36, 3-6 (1989). [7] Großklaus, R., Noble, P.: Regelungen für bilanzierte Diäten in der Diätverordnung. Akt. Ernähr. 15, 9-16 (1990). Nachdruck aus: Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 42 (7), 601-603 (1999).

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