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Ganzheitliche Krebstherapie

Auf einer Veranstaltung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft, Untergruppe Württemberg, am 25. Juni 1998 im Katharinenhospital, Stuttgart, hielt Prof.Dr. Gerd Nagel von der Klinik für Tumorbiologie der Universität Freiburg einen Vortrag über -Krebstherapie - ganzheitlich betrachtet.


Prinzipiell muß man sich darüber klar sein, daß bei der Therapie zwei unterschiedliche Denkweisen aufeinander treffen: die der Therapeuten (Mediziner) und die der betroffenen Patienten.
Der Denkstil in der Medizin wird durch das -Pathogenetische Modell bestimmt: Die Ursache für den Krebs ist eine fatale Veränderung des Genoms, die zur Folge hat, daß die betroffene Zelle unter geeigneten Bedingungen anfängt unkontrolliert zu proliferieren. Therapeutisches Ziel ist die vollständige Unterdrückung des Krebses. Zur Verfügung stehen dazu die Standardmethoden der Chirurgie, der Bestrahlung und der Chemotherapie.
Der Denkstil des Patienten wird hingegen durch das -Salutogenetische Modell bestimmt. Er wünscht sich, neben der Unterdrükkung der Krankheit, weitere Maßnahmen der Gesundheitsförderung und der Abwehrsteigerung. Die Heilung soll durch eine umfassende Gesundung und Genesung (Salutogenese) erfolgen.

Wünsche der Patienten


Die ganzheitliche Krebstherapie versucht den Denkstil in der Medizin mit dem Denkstil der betroffenen Patienten zum besten Nutzen zu vereinigen. Um den Bedürfnissen, Wünschen und Hoffnungen der Patienten Rechnung tragen zu können, muß man diese, so gut es geht, verstehen.
Die Diagnose, die Therapie und deren Folgen stellen eine massive Belastung für den Krebspatienten dar. Zu oft fühlt er sich damit allein gelassen. Darüber hinaus wünscht er oft weitere Maßnahmen, um seine Erkrankung und die sich daraus ergebenden Folgen in den Griff zu bekommen. Die klassische Schulmedizin trägt, wie Untersuchungen ergeben haben, diesen Umständen zu wenig Rechnung. Danach werden als häufigste Gründe, die den Patienten veranlassen, sich nach therapeutischen Alternativen umzusehen, angegeben:

  • Vermeidung der Schulmedizin,
  • Unzufriedenheit mit der Schulmedizin,
  • Suche nach ganzheitlicher Behandlung,
  • Ergänzung der Schulmedizin,
  • der Wunsch, selbst etwas zur Gesundung beizutragen,
  • die Steigerung der Abwehr.


Dabei steht der Wunsch nach Steigerung der Abwehr weit vorne an erster Stelle. Unter diesem Begriff werden von den Patienten allerlei vermeintliche Möglichkeiten verstanden, den Krebs zu bekämpfen und zu überwinden: ein intakter Stoffwechsel, Stärkung des Immunsystems, Entgiftung, geistige Abwehr, Entspannung, Abwehr von Angst und sozialer Isolierung, -Glaube, -Wille und Einsatz psychischer Kräfte.
Die therapeutischen Alternativen zur Schulmedizin stützen sich auf besondere Denkvorstellungen, wie die Analogien in der Homöopathie, die -Geisteswissenschaft der Anthroposophie, die magische Medizin der -Schamanen, die -autistischen Denkstile von Außenseitern sowie sonstige subjektive Ätiologie- und Therapievorstellungen.

UMK - Alternativen innerhalb der Schulmedizin


Der Patient, der mit der Diagnose Krebs konfrontiert ist, befindet sich in einer Krisen- oder Paniksituation, in der das logisch-rationale Denken zuweilen ausgeschaltet sein kann. Um den Patienten vor Schäden möglichst zu bewahren, sollte eine ganzheitliche Krebstherapie das gesamte etablierte Therapiespektrum der Schulmedizin voll ausschöpfen. Dazu Prof.Dr. Nagel wörtlich: -Je mehr man sich mit den Alternativen zur Schulmedizin beschäftigt, um so mehr interessiert man sich für die Alternativen in der Schulmedizin. Die in Frage kommenden Alternativen werden unter dem Begriff Unkonventionelle Methoden in der Krebstherapie (UMK) zusammengefaßt. In erster Linie sind dies:

  • Physiotherapie (z.B. Hydrotherapie, Massage, Atemtraining),
  • Naturheilverfahren (soweit sie Bestandteil der Schulmedizin sind, z.B. Bäder und Inhalationen),
  • Phythotherapie (gem. BfArM),
  • Ernährungstherapie (gem. Deutsche Gesellschaft für Ernährung),
  • Ordnungstherapie (z.B. Entspannung und Lebensgestaltung),
  • Ausleitende Verfahren (z.B. Neural- und Lichttherapie),
  • Selbsthilfekonzepte.


Der letzte Punkt umfaßt Maßnahmen, die der Patient selbst ergreifen kann, um sich aktiv gegen sein Schicksal zu wenden. Der Patient muß kompetent in eigener Sache werden, denn Patienten mit positivem Coping zeigen erfahrungsgemäß im Schnitt günstigere Tumorverläufe.

Unkonventionelle Arzneimittel


Als Arzneimittel der UMK werden u.a. folgende Stoffe eingesetzt: Mistelpräparate mit standardisiertem Lektingehalt, Echinacea, antioxidativ wirkende Vitamine und Spurenelemente und eventuell standardisierte und gereinigte Thymuspeptide (die aber bei immunogenen Tumoren, wie z.B. Nierenkarzinom, sowie bei Malignem Melanom, Leukämien und Lymphomen kontraindiziert sind).
Die Methoden der Homöopathie und der Anthroposophie sollten, wenn sie vom Patienten gewünscht werden, nur durch dementsprechend geschulte Therapeuten eingesetzt werden.
Bevor jedoch UMK angewandt bzw. eingesetzt werden, muß der Patient eingehend darüber aufgeklärt werden, was die jeweiligen Therapien leisten können. Darüber hinaus muß der Patient über die erreichbaren Therapieziele informiert werden. Allein durch diese wichtige Maßnahme kann der Wunsch nach UMK erheblich eingeschränkt werden. Es ist aber unethisch, dem Patienten die UMK zu verweigern. Sie sind neben den notwendigen Supportiv-, Rehabilitations- und psychologischen Verfahren ein fester Bestandteil der ganzheitlichen Krebstherapie.

Mehr Lebensqualität


Die ganzheitliche Krebstherapie schöpft das gesamte Therapiespektrum der Schulmedizin aus und integriert den aufgeklärten Patienten aktiv in das Therapiekonzept. Sie umfaßt daher neben den Standardmethoden (Chirurgie, Bestrahlung, Chemotherapie) auch die Behandlung körperlicher und seelischer Folgezustände von Tumorkrankheit und -therapie und die Anwendung geeigneter UMK.
Aufgrund der bisher gewonnenen Erfahrungen verbessert die ganzheitliche Krebstherapie eindeutig die Lebensqualität der Patienten. Ob sie allerdings lebensverlängernd wirkt, ist nicht gesichert. Um dies zu zeigen, bedürfte es großer nationaler Studien. Ob diese aufgrund der dabei auftretenden methodischen Probleme - ganz abgesehen von den immensen Kosten - überhaupt möglich sind, ist sehr fraglich. Dr. Dietmar Roth, Rottenburg

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