Arzneimittel und Therapie

Adipositas und Diabetes mellitus: Sind doch die Hormone schuld?

Neuere Erkenntnisse zeigen, daß das Körpergewicht durch zwei Hormonsystem gesteuert wird, die Leptine und das GLP-1. Bei der Adipositas geraten diese Systeme offensichtlich aus dem Gleichgewicht.

Typ-II-Diabetes und Adipositas hängen wohl enger zusammen, als lange angenommen wurde. Denn Stoffwechsel und Körpergewicht werden über ein komplexes Regulationssystem gesteuert, das die Wissenschaftler erst in den Anfängen verstehen. Klar dabei ist, daß beim Typ-II-Diabetes wie auch beim Übergewicht in den normalen Regelkreisen offenbar Stellgrößen verändert wurden, die zu einer vermehrten Energiezufuhr und einem reduzierten Energieverbrauch führen und damit direkt zu Übergewicht mit all seinen Risiken.
Grundlage der Veränderungen scheint zum einen eine gewisse genetische Prädisposition zu sein, die bei der Komplexität der Vorgänge durch vielfältige Mutationen bedingt sein kann. Erste Ansätze, das Regelwerk zu verstehen, bieten Hormonsysteme, die direkt Einfluß auf das Körpergewicht und den Stoffwechsel nehmen, wie beispielsweise die Leptine sowie das Glucagon like Peptid-1 (GLP-1).
Bei den Leptinen handelt es sich um Hormone, die im Fettgewebe von Mäusen entdeckt wurden und bei diesen die zentralnervöse Regulation von Hunger und Eßverhalten und damit auch das Körpergewicht steuern. Defekte bei der Signalübertragung führen bei den Tieren zu erheblichem Übergewicht, da das Hunger- und Eßverhalten nicht in Abhängigkeit zum Körpergewicht und zur Körperfettmasse gebremst wird. Dem scheint eine periphere Leptinresistenz zugrunde zu liegen und es konnte belegt werden, daß die Gabe von Leptin die Nahrungsaufnahme bremst. Gleichzeitig sinken die Insulin- und Glucosespiegel im Blut, ein Diabetes bildet sich zurück.

Dick durch zu wenig Leptin?
Darüber hinaus wurde bei Tieren nachgewiesen, daß Mutationen, die den Leptinrezeptor betreffen, direkt zu Übergewicht und Diabetes führen könnten. Bei den Tieren zeigte sich zugleich eine gestörte Nahrungsaufnahme, das Sättigungsgefühl schient gehemmt, und eine etwas erniedrigte Körpertemperatur war auffällig, was auf einen erniedrigten Grundumsatz hinweist. Durch Leptingaben wurden diese Auffälligkeiten normalisiert, und zwar inklusive der aktivitätsunabhängigen Thermogenese.
Auch beim Menschen korrelieren neueren Daten zufolge die Leptinspiegel mit dem Body-Mass-Index, was eine Art Ungleichgewicht des Hormonsystems signalisiert. Dieses bleibt auch bei Gewichtsreduktion bestehen, was möglicherweise die hohe Rückfallquote nach dem Abnehmen zu erklären vermag.

Verbindung zwischen Leptin und Insulin
Ein wichtiger Stimulator des Leptins ist Insulin, so daß Verbindungen zum metabolischen Syndrom und einem manifesten Typ-II-Diabetes praktisch auf der Hand liegen. Hier spielt allerdings das GLP-1 ebenfalls eine maßgebliche Rolle. Hierbei handelt es sich um ein gastrointestinales Hormon, dessen Sekretion nach der Nahrungsaufnahme ansteigt. Dies geschieht zum einen in der frühen Phase als erhöhte GLP-1-Sekretion im Blut. Nachfolgend wird durch Glucose in einer späteren Phase eine direkte Stimulation der GLP-1-Bildung in den in der Mukosa gelegenen L-Zellen in den unteren Dünndarmabschnitten und im Kolon vermittelt.

GLP-1 hemmt den Appetit
Diese zweite GLP-1-Sekretion kann durch Alpha-Glucosidasehemmer wie Acarbose, welche eine verzögerte Glucoseresorption im Darm bewirkt, verstärkt werden. Dieser Effekt kann therapeutisch relevant sein, da die physiologische Wirkung des Hormons in einer blutzuckerabhängigen Steigerung der Insulinsekretion besteht. GLP-1 verzögert außerdem die Magenentleerung und ist somit ebenfalls an der Regulation der Nahrungsaufnahme beteiligt.
Dies wird durch tierexperimentelle Befunde bestätigt, wonach Tiere, die GLP-1-Injektionen erhalten, deutlich weniger Nahrung aufnehmen als zuvor. Erste Untersuchungen bei gesunden Menschen zeigen, daß man sich unter einer GLP-1-Infusion satter fühlt und daß offenbar Hungergefühle unterdrückt werden. Bei Diabetikern bewirken solche Infusionen sogar einen deutlichen Abfall des Blutzuckers und zwar bis hin zur Normalisierung. Eine weitere Reduktion findet dann aber nicht mehr statt, sowohl bei Gesunden wie auch Diabetikern wurden Hypoglykämien unter solchen Infusionen nie beobachtet.

GLP-1 als Antidiabetikum?
Damit scheint sich GLP-1 auf den ersten Blick in idealer Weise als Antidiabetikum zu eignen. Allerdings liegt die Halbwertszeit der Substanz bei zwei Minuten, und das Hormon wird zudem im Organismus rasch degradiert, so daß die Entwicklung eines entsprechenden Medikamentes den Forschern derzeit erhebliches Kopfzerbrechen macht. Lösungsstrategien sind auf verschiedenen Wegen denkbar, etwa mit der Entwicklung von Analoga, die resistent gegen Proteasen sind, über Non-Peptid-Agonisten, eine Pumpentherapie oder eine Mikroverkapselung mit gesteuerter, langsamer Freisetzung des Hormons.




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