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Gentechnisch veränderte Lebensmittel: Kennzeichnung ab 1. November vorgeschrieb

Ab 1. November 1997 ist die Kennzeichnung gentechnisch produzierter Lebensmittel vorgeschrieben. Die praktische Ausgestaltung ist aber noch umstritten.

Die rechtlich vorgeschriebenen aufwendigen Untersuchungen gentechnisch produzierter Lebensmittel machen sie zu den bestuntersuchten Lebensmitteln, die je angeboten wurden. Rechtsgrundlage für das Inverkehrbringen der ersten Lebensmittel aus gentechnisch veränderten Organismen war in Deutschland bisher das Zulassungsverfahren nach Gentechnikrecht, nach dem auch künftig die bereits gestellten Anträge noch bearbeitet werden. Für neuere Anträge gilt dagegen seit dem 15. Mai 1997 die Novel-food-Verordnung der EU, die unmittelbar in nationales Recht transformiert wurde. Diese Verordnung, die auch auf andere neuartige Lebensmittel anzuwenden ist, fordert wie das bisherige Recht den Nachweis der Unschädlichkeit der Produkte. Hierfür werden phänotypische Eigenschaften und die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe geprüft, wobei auch die Toxizität und die Allergenität zu beachten sind. Außerdem dürfen die Produkte die Verbraucher nicht irreführen, und der Verzehr anstelle der vergleichbaren konventionellen Lebensmittel darf nicht zu Ernährungsmängeln führen. Das Zulassungsverfahren betrifft jedoch nicht die Verarbeitungsprodukte aus gentechnisch veränderten Organismen, die selbst keine DNA mehr enthalten und mit den konventionellen Produkten identisch sind. Für das Inverkehrbringen reicht hier eine Anzeige durch den Hersteller aus. Die aus Verbrauchersicht interessanteste rechtliche Vorschrift über die gentechnisch veränderten Lebensmittel dürfte die Ergänzungsverordnung zur EU-Kennzeichnungsrichtlinie sein, die ab 1. November 1997 eine Kennzeichnung für Produkte mit einer veränderten Eigenschaft oder einem veränderten Merkmal vorschreibt. Doch fehlen noch immer Ausführungsbestimmungen für diese Kennzeichnung. Weder der Wortlaut der Kennzeichnung noch die Auswahl der kennzeichnungspflichtigen Produkte sind bisher geklärt. Für die Auswahl der Formulierung wird möglicherweise eine Erfahrung aus Großbritannien Bedeutung erlangen. Denn die freiwillige Kennzeichnung des Tomatenmarks aus veränderten Tomatenpflanzen enthält eine Erklärung, die die ökologischen und ökonomischen Vorteile der gentechnischen Veränderung beschreibt. Möglicherweise ist dies für den großen Absatzerfolg des Produkts mitverantwortlich. Noch erheblich schwieriger als die Formulierung des Textes droht die Auswahl der kennzeichnungspflichtigen Produkte zu werden. Der Verordnungstext schreibt eine Kennzeichnung nur für solche Produkte vor, bei denen die Veränderung nachweisbar ist. Dies wird meist im Sinne eines analytischen Nachweises verstanden, doch könnte auch ein Nachweis aus der Dokumentation der Produktion gemeint sein. Gentechnik-Kritiker fordern eine Kennzeichnung unabhängig von einer stofflichen Veränderung, wobei sie die Informationspflicht des Herstellers gegenüber dem Verbraucher betonen. Konsequenterweise müßte dann eine Unzahl etablierter Produkte gekennzeichnet werden, die mit Enzymen aus der Weltmarktproduktion hergestellt wurden. Andere Stimmen, wie beispielsweise die Deutsche Lebensmittelchemische Gesellschaft, fordern hingegen, die Kennzeichnung auf die Produkte mit analytisch erfaßbaren Veränderungen zu begrenzen. Denn ohne die Chance einer objektiven Überprüfung bestünden allzu große Betrugsmöglichkeiten. Zudem dürfte angesichts des verflochtenen Welthandels und der relativ leichten Verfügbarkeit der neuen Technik auch in Entwicklungsländern ein sicherer Ausschluß gentechnisch produzierter Hilfsstoffe für kaum einen Produzenten noch möglich sein. Diese Überlegungen sprechen auch gegen ein oft gefordertes Zeichen für gentechnikfreie Produkte, da dieses Versprechen kaum zu halten und gar nicht zu überprüfen wäre. Sogar in den unverarbeiteten gentechnisch veränderten Organismen selbst können mit praktikablen Verfahren nur deklarierte genetische Veränderungen bestätigt werden. Die Suche nach einer unbekannten Veränderung würde die Analyse des gesamten Erbmaterials erfordern. Doch beim Auffinden eines atypischen Gens ließe sich zumeist nicht nachweisen, ob dies durch konventionelle Züchtung oder gentechnische Veränderung in das Genom gelangt ist. Allerdings wirft auch die Beschränkung der Kennzeichnung auf Produkte mit nachweisbaren Veränderungen Probleme auf. Es bleibt zu klären, bis zu welcher Verarbeitungsstufe Produkte zu kennzeichnen sind. Durch immer genauere Analyseverfahren lassen sich in zunehmend weiter verarbeiteten Produkten noch Spuren von DNA finden, die dann auf Veränderungen zu prüfen sind. Immerhin sind bereits heute Spuren von DNA in Kartoffelchips und Kartoffelpüree nachweisbar, aber nicht in Tomatensuppe oder Tomatenmark. Für diese Nachweise wird im Rahmen des üblichen Verfahrens, der Polymerase-Ketten-Reaktion, die isolierte DNA vervielfältigt. Bei der Untersuchung kleinster DNA-Spuren besteht jedoch das Risiko, eine mikrobielle Kontamination anstelle der DNA der zugrundeliegenden Pflanze zu analysieren. Nicht nur wegen dieser Schwierigkeiten wird die neue Kennzeichnung zu einem verstärkten Informationsbedarf der Verbraucher führen, dem sich auch die Apotheke als kompetente Anlaufstelle für Gesundheitsaufklärung nicht entziehen kann.

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