Canemes®

Nabilon

01.01.2017


Synthetisches Δ9-Tetrahydrocannabinol-Derivat
Erwachsene Krebspatienten, die infolge einer Chemotherapie unter Übelkeit und Erbrechen leiden, können nun mit Nabilon (Canemes®) behandelt werden. Das vollsynthetische Δ9-Tetrahydrocannabinol(Δ9-THC)-Derivat darf nur dann eingesetzt werden, wenn andere antiemetische Therapieoptionen wie 5-HT3-Rezeptor- (z. B. Ondansetron) oder Neurokinin-1-Rezeptor-Antagonisten (z. B. Aprepitant) nicht ausreichend wirksam sind. Nabilon zeigt allerdings bereits in therapeutischen Dosen ein gewisses Suchtpotenzial und fällt daher unter das Betäubungsmittelgesetz.

Nabilon 

ATC-Code

A: Alimentäres System und Stoffwechsel


A04: Antiemetika und Mittel gegen Übelkeit


A04A: Antiemetika und Mittel gegen Übelkeit


A04AD: Andere Antiemetika


A04AD11: Nabilon


Wirkungsmechanismus

Der Mechanismus der antiemetischen Wirkung von Nabilon ist noch nicht vollständig geklärt. Man geht davon aus, dass die Substanz, ähnlich wie der psychotrope Cannabis-Inhaltsstoff Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC), agonistisch an den Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2 sowie antagonistisch an 5-HT3-Rezeptoren wirkt. Letztere sind maßgeblich an der Auslösung des Brechreizes beteiligt. CB1-Rezeptoren befinden sich vorwiegend in zentralen und peripheren Nervenzellen, wo sie die Ausschüttung von Neurotransmittern wie Serotonin, Dopamin, GABA, Glutamat und endogenen Cannabinoiden modulieren. Auch über diesen weiteren Mechanismus wäre eine Hemmung von Übelkeit und Erbrechen durch den CB1-Agonisten Nabilon denkbar. CB2-Rezeptoren kommen hauptsächlich in B-Zellen und in natürlichen Killerzellen vor und sind an der Zytokin-Ausschüttung beteiligt.


Die antiemetische Wirkung des THC-Derivats Nabilon soll offenbar stärker ausgeprägt sein als die von THC selbst. Aus klinischen Studien ist ferner bekannt, dass Cannabinoide wie Nabilon zur Besserung weiterer Symptome wie Depressionen, Angst, Schlafstörungen sowie von (neuropathischen) Schmerzen beitragen. Diese Krankheitsbilder gehen häufig mit Tumorerkrankungen einher.

Pharmakokinetik

Resorption: Nach peroraler Applikation wird Nabilon rasch und offenbar nahezu vollständig aus dem Gastrointestinaltrakt resorbiert. Maximale Plasmaspiegel treten nach etwa zwei Stunden auf. Die Bioverfügbarkeit liegt zwischen 96 und 100%.


Proteinbindung, Verteilung: Die Substanz verteilt sich gut in die Gewebe. Das Verteilungsvolumen beträgt 12,5 l/kg. Die Plasmaproteinbindung wurde bislang nicht bestimmt.


Metabolismus: Nabilon unterliegt einer ausgeprägten Biotransformation durch CYP450-Isoenzyme. Hauptsächlich kommt es zu einer direkten Oxidation sowie zu einer stereospezifischen Reduktion. Die über eine Keton-Reduktion an Position 9 und Oxidation der Dimethylheptyl-Seitenkette entstehenden isomeren Carbinole sind pharmakologisch aktiv. Weiterhin werden verschiedene Hydroxyl- und Carboxylanaloga gebildet.


Exkretion: Etwa 60 bis 65% der Dosis erscheinen nach biliärer Elimination in den Fäzes, 20 bis 24% werden im Urin wiedergefunden, 15% in der Atemluft. Die Eliminationshalbwertszeit der Muttersubstanz beträgt zwei Stunden, die der aktiven Carbinole fünf bis zehn, die der anderen Metaboliten 35 Stunden.

Dosierung, Art und Dauer der Anwendung

Die Behandlung mit Nabilon beginnt in der Regel am Abend vor der ersten Applikation des Chemotherapeutikums. Zur Vermeidung von zentralnervösen Nebenwirkungen empfiehlt es sich, zunächst mit einer niedrigen Einzeldosis von 1 mg anzufangen. Die zweite Einnahme sollte ein bis drei Stunden vor der ersten Anwendung des Chemotherapeutikums stattfinden. Die Erhaltungsdosis liegt normalerweise bei zweimal täglich 1 bis 2 mg. Falls ein Einsatz der maximalen Tagesdosis von 6 mg erforderlich ist, sollte diese auf drei Applikationszeitpunkte verteilt werden. Die Behandlung kann über den vollständigen Chemotherapie-Zyklus fortgeführt werden, falls erforderlich bis einschließlich 48 Stunden nach Beendigung der Chemotherapie. Daten zu einer dauerhaften Einnahme von Nabilon sind derzeit nicht verfügbar.

Kontraindikationen

Nabilon ist bei Überempfindlichkeit gegen Cannabinoide kontraindiziert. Auch Patienten mit psychischen Erkrankungen wie bipolaren Störungen und Depressionen sollten die Medikation zur Sicherheit nicht anwenden.

Unerwünschte Wirkungen

Während der Anwendung von Nabilon kommt es häufig zu Somnolenz, Vertigo, Euphorie, Ataxie, Sehstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen, Dysphorie, Kopfschmerzen, Hypotonie, Mundtrockenheit und Nausea. Selten treten Konfusion, Desorientiertheit, Halluzinationen, Psychosen, Depressionen, Koordinationsschwierigkeiten, Tremor, Appetitverlust, Angst, Depersonalisation, Tachykardie und Abdominalschmerzen auf. Die Toleranzentwicklung hinsichtlich zentralnervöser Wirkungen wie Relaxation, Schläfrigkeit und Euphorie ist rasch und reversibel.

Wechselwirkungen

Die zentraldämpfende Wirkung von Benzodiazepinen wie Diazepam und Opioiden bzw. Opiaten wie Codein wird durch kombiniert verabreichtes Nabilon verstärkt. Auch bei gleichzeitigem Alkoholgenuss ist Vorsicht geboten. Ähnlich wie bei anderen Cannabinoiden muss weiterhin mit Interaktionen durch Sympathomimetika wie Amphetaminen und Cocain, Anticholinergika wie Atropin, Scopolamin und Antihistaminika oder mit tricyclischen Antidepressiva wie Amitriptylin und Desipramin gerechnet werden. Aufgrund der Komplexität des Wirkmechanismus sind die Effekte derzeit nicht immer genau vorhersehbar. Die Wirkung von Disulfiram wird durch Nabilon verstärkt. Auch bei kombiniert eingesetztem Lithium, Buspiron, Fluoxetin, Theophyllin und Naltrexon muss mit Interaktionen gerechnet werden. Nabilon ist in vitro ein schwacher Inhibitor von CYP2E1 und CYP3A4 und ein moderater Inhibitor von CYP2C8 und CYP2C9. Allerdings geht man derzeit nicht von klinisch relevanten Gefahren durch entsprechende Wechselwirkungen aus.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Nabilon kann Schläfrigkeit, Schwindel, Eu- und Dysphorie, Konzentrationsschwierigkeiten, ungewöhnliches Verhalten, Sehstörungen und Ataxie verursachen. Diese Effekte halten teilweise noch bis zu 72 Stunden nach Beendigung der Therapie an. Bei der aktiven Teilnahme am Straßenverkehr und beim Bedienen von Maschinen muss daher mit Beeinträchtigungen gerechnet werden. Vor allem bei erstmaliger Anwendung eines Cannabinoids ist eine Hospitalisierung zu erwägen. Aufgrund seiner potenziell suchterzeugenden Wirkung sollte die Anwendung von Nabilon auf die notwendige Dauer während der Chemotherapie beschränkt bleiben. Bei Patienten mit Suchtmittel- oder Medikamentenmissbrauch in der Anamnese ist generell Vorsicht geboten. Das physische Abhängigkeitspotenzial von Nabilon ist unbekannt. Beim Absetzen der Medikation nach fünftägiger Einnahme wurden bislang keine Entzugserscheinungen beobachtet. Während der Anwendung von Nabilon muss weiterhin mit Hypotonie und bei Applikation in Rückenlage oder im Stehen mit Tachykardie gerechnet werden. Daher ist bei älteren Patienten, Hypertonikern und Patienten mit Herzerkrankungen erhöhte Vorsicht geboten. Die Anwendung bei Patienten mit schwerer Leberinsuffizienz wird nicht empfohlen. Zur Behandlung von Patienten mit Niereninsuffizienz liegen keine Erfahrungen vor. Sicherheit und Wirksamkeit bei der Therapie von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren sind bislang nicht erwiesen. Eine Anwendung wird daher derzeit bei diesen Patienten nicht empfohlen.

Schwangerschaft und Stillzeit

Wegen nur sehr begrenzter Erfahrungen sollte Nabilon während der Schwangerschaft nur bei vitaler Indikation eingesetzt werden. Tierexperimentelle Studien mit therapeutisch relevanten Dosierungen ergaben allerdings keine Hinweise auf direkte oder indirekte schädliche Wirkungen in Bezug auf eine Reproduktionstoxizität. Es ist nicht bekannt, ob Nabilon in die Muttermilch übergeht. Bei erforderlicher Anwendung während der Stillzeit sollte daher zur Sicherheit abgestillt werden. Die Substanz hat zudem einen hemmenden Effekt auf die Prolaktin-Ausschüttung. |

Handelspräparat Canemes® 

Hersteller

AOP Orphan Pharmaceuticals AG, Wien, Österreich

Einführungsdatum

01. Januar 2017

Zusammensetzung

1,0 mg Nabilon;

Sonstige Bestandteile

Povidon, vorverkleisterte Stärke, gelbes Eisenoxid (E 172), Titandioxid (E 171), Gelatine

Packungsgrößen, Preise, PZN

28 Kapseln à 1 mg, 478,73 Euro, PZN 12516789

Indikation

Chemotherapie-bedingte Emesis und Nausea bei jenen Krebs-Patienten, die auf andere antiemetische Behandlungen nicht adäquat ansprechen

Dosierung

Normalerweise beträgt die Dosierung von Nabilon zweimal täglich 1 bis 2 mg. Um Nebenwirkungen zu minimieren, wird empfohlen, bei Beginn der Therapie die niedrige Dosierung (1 mg) zu verabreichen und diese bei Bedarf zu steigern.

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegen Cannabinoide

Unerwünschte Wirkungen

Nabilon ist auch bei therapeutischen Dosierungen ein potenzielles Suchtmittel mit möglichen subjektiven Nebenwirkungen wie z. B. Euphorie. Die Anwendung sollte sich daher auf die notwendige Dauer (einige Tage) während der Chemotherapie beschränken. Das physische Abhängigkeitspotenzial von Nabilon ist unbekannt. In klinischen Studien, die bis zu fünf Tage dauerten, wurden keine Entzugserscheinungen nach Absetzen der Substanz beobachtet.

Wechselwirkungen

Nabilon zeigt bei gleichzeitiger Gabe mit Diazepam, Na-Secobarbital, Alkohol oder Codein eine additive, ZNS-hemmende Wirkung. Bei kombinierter Verabreichung von Cannabinoiden wurden Wechselwirkungen mit Sympathomimetika, Anticholinergika, tricyclischen Antidepressiva, zentraldämpfend wirkenden Substanzen, Disulfiram, Fluoxetin, Theophyllin und Naltrexon festgestellt.

Warnhinweise, Vorsichtsmaßnahme

Patienten unter Nabilon-Behandlung sollten engmaschig überwacht werden, vorzugsweise im Rahmen eines stationären Aufenthalts. Da die Substanz primär biliär ausgeschieden wird, ist die Anwendung bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsbeeinträchtigung nicht zu empfehlen. Nabilon sollte bei Patienten mit Suchtmittel- oder Medikamentenmissbrauch einschließlich Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit in der Anamnese nur mit Vorsicht angewendet werden.

Literatur

[1] Fachinformation zu Canemes®, Stand September 2016


[2] Ware MA, Daeninck P und Maida V. A review of nabilone in the treatment of chemotherapy-induced nausea and vomiting. Ther Clin Risk Manag 2008;4(1):99-107


[3] Pergolizzi JV Jr, Taylor R, LeQuang JA, Zampogna G, Raffa RB. Concise review of the management of iatrogenic emesis using cannabinoids: emphasis on nabilone for chemotherapy-induced nausea and vomiting. Cancer Chemother Pharmacol 24. Februar 2017

Copyright

©2017-2022 Deutscher Apotheker Verlag, Neue Arzneimittel, Beilage der Deutschen Apotheker Zeitung

Datenstand

04/2017

Apothekerin Dr. Monika Neubeck