Oberlandesgericht Köln

Mayd-Sonntagslieferungen erneut untersagt

Berlin - 26.01.2024, 15:15 Uhr

(Foto imago images / Bihlmayerfotografie)

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Auch das Oberlandesgericht Köln hält es für unlauter, wenn in Nordrhein-Westfalen sonn- und feiertags Arzneimittel über einen Schnelllieferdienst ausgeliefert werden, obwohl die dahinterstehende Apotheke keinen Notdienst hat. Kern der Entscheidung ist, wie die seit 2012 geltende Regelung zur Dienstbereitschaft in der Apothekenbetriebsordnung auszulegen ist, insbesondere in welchem Verhältnis sie zu landesrechtlichen Normen zur Ladenöffnung steht. Das letzte Wort wird der Bundesgerichtshof haben.

Im Herbst 2022 hatte die Wettbewerbszentrale zwei Klagen eingereicht, in deren Mittelpunkt auf den ersten Blick die Zusammenarbeit einer Apotheke mit dem Schnelllieferdienst Mayd steht. Die Apotheke ist in Nordrhein-Westfalen ansässig und die Klage landete vor dem Landgericht Köln; Mayd hat seinen Firmensitz in Berlin, sodass die Klage gegen das Start-up am dortigen Landgericht erhoben wurde. 

Die Wettbewerbszentrale fand: Beide Beteiligten verhalten sich wettbewerbswidrig, wenn Mayd Sonn- oder Feiertags Arzneimittel oder apothekenübliche Waren einer Apotheke ausliefert, die zu dieser Zeit nicht zum Notdienst eingeteilt ist. Es werde gegen landesrechtliche Vorschriften verstoßen, die auch Marktverhaltensregeln seien – und dies begründe einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch.

Bereits im April 2023 entschied das Landgericht Köln zugunsten der Wettbewerbszentrale. Es sah einen Verstoß gegen das Feiertagsgesetz des Landes NRW vorliegen. Dieses verbietet öffentlich bemerkbare Arbeiten, die geeignet sind, die Ruhe des Tages zu stören – außer sie sind besonders erlaubt (§ 3 FeiertagsG NW). Das sind sie aber im vorliegenden Fall nicht, wenn die Apothekerkammer eine Schließungsverfügung getroffen hat. Die landesrechtliche Regelung, die der Kammer Nordrhein solche Schließungsverfügungen ermöglicht, findet sich im Ladenöffnungszeitengesetz NRW (§ 7 Abs. 2 Satz 1 LÖG NRW).

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Die entscheidende Frage in diesem Rechtsstreit war und ist: Ist diese landesrechtliche Vorschrift möglicherweise nichtig, weil der bundesweit geltende § 23 Apothekenbetriebsordnung vorgeht? Darin steht seit 2012:


„Apotheken sind zur ständigen Dienstbereitschaft verpflichtet. Die zuständige Behörde befreit einen Teil der Apotheken ganz oder teilweise zu folgenden Zeiten von der Pflicht zur Dienstbereitschaft (…)“

§ 23 Abs. 1 ApBetrO (Auszug)


Im Vergleich zu der vor 2012 geltenden Fassung sieht die Norm keine ausdrückliche Befugnis zum Erlass von Schließungsanordnungen mehr vor. Was heißt das nun? Regelt diese Bundesvorschrift die Dienstbereitschaft jetzt möglicherweise abschließend und schließt damit aus, dass eine Behörde „Schließungen“ anordnet? Kurzum: Darf eine Apotheke eigentlich immer geöffnet haben? So sah es der Beklagte. 

Doch das Landgericht Köln ging mit der Wettbewerbszentrale: § 23 ApBetrO sei lediglich so zu verstehen, dass eine Öffnung trotz der Befreiung von der Dienstbereitschaft möglich sei, wenn dem keine anderweitigen Rechtsvorschriften entgegenstünden. Und zu solchen Rechtsvorschriften zähle auch eine Schließungsanordnung der Kammer, die aufgrund von § 7 Abs. 2 Satz 1 LÖG NRW ergangen ist. 

Mit entsprechender Argumentation urteilte später das Landgericht Berlin. Beide Gerichte hielten die von der Wettbewerbszentrale monierten Tätigkeiten also für wettbewerbswidrig. Indem der Apotheker sich über die Schließungsanordnung hinwegsetze und gemeinsam mit dem Lieferservice Arzneimittel vertreibe, verschaffe er sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Apotheken, die ebenfalls nicht zum Notdienst eingeteilt sind.

Zweite Instanz bestätigt Kölner Landgericht

Der Apotheker ging gegen das Kölner Urteil in Berufung. Doch das Oberlandesgericht Köln bestätigt in seinem in diesem Januar ergangenen Urteil die Vorinstanz vollumfänglich. Es stellt abermals klar: Aus § 23 ApBetrO ergebe sich nicht, dass der Bundesverordnungsgeber eine abschließende Regelung auch für die Befugnis der Apotheken treffen wollte, an Sonn- und Feiertagen unabhängig von den Ladenöffnungszeiten der Länder zu öffnen. Vielmehr sei die Regelung in § 7 Abs. 2 LÖG NW eine geeignete Rechtsgrundlage für Schließungsanordnungen der zuständigen Apothekerkammer zur Regelung der Notdienstbereitschaft von Apotheken. Und somit verstoße die Lieferung von Medikamenten durch Fahrradboten an Sonn- und Feiertagen gegen die genannten Normen des Feiertags- und Ladenöffnungsgesetzes NRW beziehungsweise die Schließungsanordnung der Kammer.

Das Urteil befasst sich eingehend mit der vorherigen Regelung in der Apothekenbetriebsordnung, die noch auf das Ladenschlussgesetz des Bundes Bezug nahm – doch dann kam die Föderalismusreform und legte das Ladenschlussrecht in die Hände der Länder. Davon machten bis auf Bayern auch alle Länder Gebrauch.

Noch keine gefestigte Rechtsprechung

Das letzte Wort in diesem Fall, in dem es eigentlich gar nicht um Schnelllieferdienste an sich, sondern um eine grundsätzliche Auslegung von § 23 Apothekenbetriebsordnung geht, wird nun wohl der Bundesgerichtshof haben. Das Oberlandesgericht ließ die Revision zu: „Denn auch wenn die Frage nach der Reichweite des § 23 ApoBetrO aus Sicht des Senats eindeutig zu beantworten ist, liegt insoweit keine gefestigte höchst- oder obergerichtliche Rechtsprechung vor“, heißt es im Urteil. Schließlich könne sich die für den Berufsstand der Apothekerinnen und Apotheker bedeutende Frage „in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen“. 

Man darf also gespannt sein, wie diese Rechtsprechung am Ende aussieht.

Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 12. Januar 2024, Az.: 6 U 65/23


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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