Abgabe durch Apotheken nur „bei Bedarf“

Kabinett beschließt Eckpunkte zur Cannabis-Legalisierung

Berlin - 26.10.2022, 15:15 Uhr

Bis zu drei blühende Cannabispflanzen soll ein Erwachsener künftig zu Hause haben dürfen. (b / Foto: IMAGO / Panthermedia)

Bis zu drei blühende Cannabispflanzen soll ein Erwachsener künftig zu Hause haben dürfen. (b / Foto: IMAGO / Panthermedia)


Erwachsene sollen in Deutschland künftig bis zu 30 Gramm Cannabis zu Genusszwecken kaufen und besitzen sowie legal konsumieren dürfen. Ob dieses Cannabis auch in Apotheken abgegeben wird, ist noch nicht absehbar. Das geht aus einem heute vom Bundeskabinett beschlossenen Eckpunktepapier hervor, das nun der EU-Kommission zur Vorabprüfung vorgelegt wird. Nur wenn diese keine grundlegenden Einwände hat, soll daraus auch ein Gesetzentwurf entstehen.

Das heute vom Kabinett beschlossene und nochmals überarbeitete zwölfseitige „Eckpunktepapier der Bundesregierung zur Einführung einer kontrollierten Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken“ will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) „nicht als großen Durchbruch in der Drogenpolitik“ feiern. Dennoch glaubt er, mit diesem Ansatz für mehr Kinder- und Jugendschutz sowie Gesundheitsschutz sorgen zu können. „Die Drogenpolitik muss erneuert werden. Wir wollen den Cannabis-Konsum unter Gesundheitsaspekten reformieren“, erklärte der Minister heute nach der Kabinettssitzung vor Journalisten.

Geht es nach der Bundesregierung, werden Cannabis und Tetrahydrocannabinol (THC) künftig rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft. Genusscannabis, Medizinalcannabis und Nutzhanf sollen vollständig aus dem Anwendungsbereich des Betäubungsmittelgesetzes ausgenommen werden – stattdessen sollen die jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen in einem gesonderten Gesetz festgelegt werden.

Zu den beschlossenen Eckpunkten zählt, dass die Produktion, die Lieferung und der Vertrieb von Genusscannabis innerhalb eines lizenzierten und staatlich kontrollierten Rahmens zugelassen werden soll – alles soll sich dabei in Deutschland abspielen, also auch der Anbau. Zudem soll der Erwerb und der Besitz bis zu einer Höchstmenge von 20 bis 30 Gramm Genusscannabis zum Eigenkonsum im privaten und öffentlichen Raum straffrei ermöglicht werden. Dies soll aber nur für Ab-18-Jährige gelten. 

Wegen des erhöhten Risikos für cannabisbedingte Gehirnschädigungen bei Heranwachsenden soll zudem geprüft werden, ob für die Abgabe von Genusscannabis an Erwachsene bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs eine Obergrenze für den THC-Gehalt festgelegt werden kann. Ebenfalls vorgesehen ist, dass Privatpersonen bis zu drei weibliche Cannabis-Pflanzen hegen dürfen – vom Zugriff von Kindern und Jugendlichen geschützt. Synthetisch hergestellte Cannabinoide sollen nicht zugelassen werden.

Apotheken-Hilfe nur im Bedarfsfall

Für Apotheken interessant ist vor allem der geplante Vertriebsweg. Im neuen Papier heißt es – ähnlich wie in der Vorgängerversion –, dass der Vertrieb von Genusscannabis „mit Alterskontrolle in lizenzierten Fachgeschäften und ggf. Apotheken erfolgen“ darf. Es sind verschiedene Auflagen vorgesehen: Abgabestellen müssen Auflagen in Bezug auf Sachkunde, Beratung und räumliche Lage (z. B. nicht in der Nähe von Schulen) erfüllen. 

Mit Fachgeschäften und Apotheken könnte der Schwarzmarkt wegen des breiteren Angebots, insbesondere auch im ländlichen Raum, effektiver zurückgedrängt werden, so die Vorstellung. Lauterbach erläuterte hierzu allerdings, dass er nicht unbedingt damit rechnet, dass tatsächlich Apotheken zu Abgabestellen werden. „Wenn es ausreichend Angebote durch zertifizierte Geschäfte gibt, dann wird die Unterstützung durch die Apotheken nicht notwendig sein.“ Es sei derzeit noch nicht absehbar – aber es könne gut sein, dass man ohne die Hilfe der Apotheken auskommen werde. Prüfen werde man ihre Einbeziehung erst, wenn weiterer Bedarf bestehe.

Versandhandel ist noch zu prüfen

Etwas zurückhaltender gibt sich der Entwurf in puncto Versandhandel: „Ob und inwieweit ein Online- bzw. Versandhandel an Privatpersonen durch behördlich zugelassene Geschäfte erlaubt werden soll, bedarf spätestens im Rahmen der Evaluierung [Anm. der Redaktion: Diese soll nach vier Jahren stattfinden] weiterer Prüfung.“ Kommt es so weit, müsse das Ziel sein, dass im Versandhandel eine vergleichbare Sicherheit wie im stationären Handel gewährleistet wird sowie vergleichbare Kontrollmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden bestehen.

Umsätze aus Verkäufen von Genusscannabis sollen der Umsatzsteuer unterliegen. Daneben ist die Einführung einer besonderen Verbrauchssteuer („Cannabissteuer“) vorgesehen. Einheitliche Preise, wie man es von Arzneimitteln kennt, sind nicht geplant. Lauterbach erklärte aber, die Preise dürften nicht zu niedrig sein – schließlich will man kein Zulieferer für den Schwarzmarkt werden –, aber auch nicht zu hoch, sodass Nutzer sich andere Quellen suchen.

Werden die Pläne tatsächlich Gesetz, sollen laufende Ermittlungs- und Strafverfahren zu dann nicht mehr strafbaren Handlungen beendet werden.

Jetzt ist die EU-Kommission gefragt

Ob sich den Eckpunkten wirklich ein Gesetzgebungsverfahren anschließt, ist keinesfalls ausgemacht. Lauterbach und seinen Kolleginnen und Kollegen ist durchaus bewusst, dass es einen völker- und europarechtlichen Rahmen zu beachten gilt. Der Minister meint aber: Die bestehenden Verträge lassen sich durchaus so interpretieren, dass die Eckpunkte sich einfügen. Mit ihnen ließen sich deren Ziele – insbesondere der Jugend- und Gesundheitsausschuss – umso besser erreichen. 

Dennoch will Lauterbach es nicht auf Streit mit der EU oder gar ein weiteres Maut-Desaster ankommen lassen. Er will mit offenen Karten spielen und die Eckpunkte daher der EU-Kommission zur Vorabprüfung vorlegen. Nur wenn diese signalisiert, dass sie den deutschen Ansatz akzeptiert und kein Vertragsverletzungsverfahren droht, soll ein Gesetzentwurf erarbeitet werden. 

Selbst im günstigsten Fall kann das noch etwas Zeit beanspruchen. Schließlich stehen auch in der EU derzeit andere Politikthemen stärker im Fokus als eine Cannabislegalisierung. Dennoch könnte es Lauterbach zufolge möglich sein, im ersten Quartal 2023 einen Gesetzentwurf zu erarbeiten. Allerdings gehe er nicht davon aus, dass schon im nächsten Sommer legal gekifft werden kann. Dazu sei die Materie zu komplex. Aber er kann sich vorstellen, dass es 2024 dann so weit ist.

Das Eckpunkte-Papier finden Sie hier zum Herunterladen. 


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

Karl - schäbig und inkompetent wie immer

von ratatosk am 27.10.2022 um 10:34 Uhr

Strenge Auflagen , aber Eigenanbau ? Gehalte austariert nach THC und CBD ! nee is klar eh.
Anbau in D ! bei diesen Auflagen völlig lächerich.
Tausende Fachgeschäfte - mit welchem Personal das auf diesem Gebiet Ahnung hat und zuverlässig arbeitet ? etwa so toll wie die fachfremden Corona Teststationen ? Egal wie man dazu steht, aber es ist bezeichnend, daß er Apotheken nur als Notnagel ansieht, wenn es schief geht, ansonsten der übliche Tritt in den Allerwertesten. Vergleichbare Sicherheit beim Versand wie im stationären Handel - mein Gott ! haben die in den letzten 30 Jahren irgendetwas gelernt ?

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Cannabis?

von Vatchkova am 26.10.2022 um 21:40 Uhr

Herr Lauterbach-der legale Drogendieler!
Erstmal die Kassen stärken mit einem Kassenabschlag von 2 Euro. Apotheker bezahlen die Zeche. Jetzt Cannabis kontrolliert verteilen. Er muss nur das Geld kassieren. Er soll die Schäde selber verkaufen.
Die arme Kinder-abhängig machen. Jetzt lese ich über kranke Menschen, die Fleisch in Wick Medi Night marinieren.
Ab 2024 soll man sich nicht wundern auf Cannabiskekse oder paniertes Hänchen in Cannabissoße.
Aber keine Aufregung, vier Bundesländer werden am Mittwoch Nachmittags streiken und nichts.
Viel Spaß dabei.

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