Overwiening eröffnet DAT 2022

„Hier muss nachhaltig investiert werden“

München - 14.09.2022, 15:45 Uhr

ABDA-Präsidentin Overwiening bei der Eröffnung des Deutschen Apothekertags. Trotz aller Schwierigkeiten ist die Zuversicht ihr Leitmotiv. (Foto: Schelbert / DAZ)

ABDA-Präsidentin Overwiening bei der Eröffnung des Deutschen Apothekertags. Trotz aller Schwierigkeiten ist die Zuversicht ihr Leitmotiv. (Foto: Schelbert / DAZ)


ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hat in ihrer Eröffnungsrede zum Deutschen Apothekertag 2022 klargestellt: Der Berufsstand ist verstört und verärgert über die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vorgelegten Sparpläne. Von der Politik erwartet Overwiening vielmehr eine Aufwertung und nachhaltige Unterstützung der Apotheken und des gesamten Versorgungssystems.

In diesem Jahr trägt der Deutsche Apothekertag erstmalig ein Motto. „Klimawandel, Pharmazie und Gesundheit“ schrieben sich die Delegierten bereits im vergangenen Jahr auf die Fahnen. Und tatsächlich: Ab dem heutigen Mittwoch setzen sich die rund 350 Vertreterinnen und Vertreter aus Kammern und Verbänden in München drei Tage lang auch mit Klima- und Nachhaltigkeitsthemen auseinander. Im Antragsheft sind die ersten 50 Seiten mit einer Vielzahl von „nachhaltigen Anträgen“ gefüllt. So formulierte es ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening augenzwinkernd zu Beginn ihrer Eröffnungsrede.

Biotope, Ökosysteme und Lebensräume – bei der rund einstündigen Rede der ABDA-Präsidentin ging es äußerst thematisch zu. „Die Auswirkungen des Klimawandels, die uns zunehmend begegnen, zuletzt in einem übermäßig heißen, von Dürre und Waldbränden geprägten Sommer, gefährden unser aller Gesundheit“, so Overwiening. Die wohnortnahe Arzneimittelversorgung durch Apothekerinnen und Apotheker sei ein ganz besonderes Ökosystem innerhalb des Gesundheitssystems. „Um das zu erhalten, hilft ebenso wenig, wie bei der Pflege, das alleinige Klatschen und verbales Loben!“

Dabei hält die ABDA-Präsidentin das „apothekerliche Ökosystem“ für vergleichsweise klein. Es beanspruche gerade einmal 1,9 Prozent der Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenkassen. Von den 284 Milliarden Euro würden lediglich 5,4 Milliarden als Wertschöpfungsanteil auf die 18.000 Apotheken entfallen. Mit Blick in das „Biotop wohnortnahe Arzneimittelversorgung“ konstatiert Overwiening: Finanziert werden müssten Tag für Tag und auch Nacht für Nacht 18.000 Apothekenteams, die 83 Millionen Bürgerinnen und Bürger wohnortnah mit Arzneimitteln sicher und verlässlich versorgen – fast vier Millionen Patientenkontakte pro Tag. „Dieser Raum, dieses Ökosystem für die verlässliche Arzneimittelversorgung, bedarf verlässlicher ordnungspolitischer Rahmenbedingungen.“ Durch das von der Großen Koalition initiierte Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz sei es immerhin ansatzweise gelungen, die Übergriffigkeit ausländischer und kapitalgesteuerter Arzneimittelversender durch ein Boni-Verbot zu begrenzen.

Aktuell befinde man sich dagegen in einer Finanzkrise, die zu einem Gutteil aus den wirtschaftlichen und fiskalischen Verwerfungen von zweieinhalb Jahren Corona-Pandemie resultiere. Es sei daher keineswegs ehrenrührig, sondern ein Gebot finanzpolitischer Vernunft, in dieser Phase ein Gesetz zur Sicherung der GKV-Finanzen auf den Weg zu bringen. „Uns Apothekerinnen und Apotheker aber zu diesem Gesetz nicht anzuhören, und unsere in der Pandemiebekämpfung verlässlich erbrachten Leistungen jetzt in ihrem einmaligen Ertrag solidarisieren zu wollen, werden wir nicht tolerieren.“ Und weiter: „Es hat uns massiv verstört und verärgert, dass uns ein solcher Gesetzesentwurf gleichsam vor die Füße geknallt wird.“ Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sei seit neun Monaten im Amt, und erst am vergangenen Freitag habe die ABDA-Spitze „nach unermüdlichem Bemühen“ Overwienings die erste Gelegenheit zu einem umfangreichen Gesprächsaustausch gehabt. 
Früchte hat dieses Aufeinandertreffen offenbar getragen. Die ABDA-Präsidentin will den Minister beim Wort nehmen: „Zukünftig werden wir frühzeitig in Pläne des BMGs einbezogen. Wir bringen aus dem Gespräch die Zusage mit, dass Politik zukünftig mit uns Apothekerinnen und Apothekern über Veränderungen beraten wird und nicht über uns hinweg entscheidet.“

Doch der Entwurf für ein GKV-Finanzstabilisierungsgesetz geht nun ins parlamentarische Verfahren. Nach den Plänen drohen den Apotheken Honorarkürzungen in Höhe von rund 240 Millionen Euro über einen Zeitraum von zwei Jahren. Im Hinblick auf die betriebswirtschaftlichen Sondereffekte der Apotheken während der Pandemie sagt Overwiening: „Ich lasse nicht die Mär gelten, wir hätten in den Pandemiejahren 2020 und 2021 gute Gewinne in den Apotheken erzielt, dann könnten wir in den nächsten zwei Jahren auch Einbußen hinnehmen. Ein solcher Denkansatz ist ebenso unerhört wie oberflächlich und ganz sicher nicht nachhaltig.“ In ihrer Rede verglich sie die Situation mit der Vergütung von Mitarbeiterüberstunden und einer nachfolgenden Gehaltskürzung „als Dankeschön für den großartigen Einsatz“.

Eine Bestrafung für erbrachte Leistungen demoralisiere und destabilisiere. Sie zerstöre auch die Bereitschaft, zukünftig weiterhin und möglicherweise mehr als Problemlöserinnen und Problemlöser für die Politik tätig zu werden. Die ABDA-Präsidentin plädiert vielmehr für eine echte GKV-Reform. „Auch in das Gesundheitssystem muss der Staat nachhaltig investieren. Hier arbeiten Menschen für die Versorgung Kranker.“


Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@daz.online


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