Brandbrief an Spahn, Merkel und Co.

Verbund Starke Apotheken fordert Hilfen für AvP-Apotheker

Berlin - 30.10.2020, 15:30 Uhr

Vergessene Helden: Die von der AvP-Insolvenz betroffenen Apotheker zeigen Gesicht. (s / Bild: Verbund Starke Apotheken)

Vergessene Helden: Die von der AvP-Insolvenz betroffenen Apotheker zeigen Gesicht. (s / Bild: Verbund Starke Apotheken)


Viele von der AvP-Insolvenz betroffene Apotheker fühlen sich vom Staat im Stich gelassen. Die neu gegründete Organisation „Verbund Starke Apotheken“ will den Kollegen zur Seite stehen und schickt jetzt einen Brandbrief nach Berlin.

Beatrice Guttenberger hat genug. Sie will die Untätigkeit von Politik und ABDA in Sachen AvP-Pleite nicht länger hinnehmen. Die Apothekerin rief kürzlich ihre Kollegen auf, gemeinsam mit ihr eine eigene Interessenvertretung zu gründen, um endlich wieder handlungsfähig zu sein. Jetzt tritt die neu gegründete Organisation, der Verbund Starke Apotheken, erstmals politisch in Erscheinung.

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In einem Brandbrief ruft der Verbund Berlin dazu auf, den Betrieben, die unter der AvP-Pleite ächzen, die benötigten Hilfen zukommen zu lassen. Zwar hätte der noch junge Zusammenschluss gern abgewartet, bis er sich professionell organisiert habe. Die Dringlichkeit des Themas habe es jedoch erforderlich gemacht, sofort zu handeln, teilt der Verbund mit.

Adressiert ist das Schreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (alle CDU), Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sowie die Ministerpräsidenten aus Bayern und Nordrhein-Westfalen, Markus Söder (CSU) und Armin Laschet (CDU). „Wir wenden uns heute in einem offenen Brief und in außerordentlicher Dinglichkeit an Sie“, heißt es darin. „Wir sind enttäuscht, empört, fassungslos über Ihre Untätigkeit. Im Rahmen der Coronakrise noch zu ‚systemrelevanten Helden‘ ernannt, sind inzwischen 3.500 Apotheker-Kolleginnen und -Kollegen vollkommen unverschuldet durch die Insolvenz des Abrechnungsdienstes AvP in existenzielle Not geraten – und werden schändlich im Stich gelassen!“

Keine rein privatwirtschaftlichen Unternehmen

Anders als andere privatwirtschaftliche Unternehmen unterliegen Apotheken demnach Zwängen, die sie in ihrem wirtschaftlichen Handlungsspielraum deutlich einschränken. „Niemand von uns rechnet freiwillig über Abrechnungszentren ab! Das ist und bleibt eine von uns bezahlte Serviceleistung für die Krankenkassen.“ Sehr gerne übernehmen die Apotheker dagegen die ihnen auferlegten Gemeinwohlpflichten, stellt der Verbund Starke Apotheken klar. „Egal ob Rezepturherstellung, das Richten der Medikamente, Botendienste, das Handling der sich häufenden Lieferengpässe, Substitutionstherapie und vieles andere mehr. Wir erfüllen unsere Pflichten gerne und engagiert zum Wohle aller!“

Verrat am Solidarprinzip

Doch in der aktuellen Krise gelte es, die notleidenden Betriebe zu unterstützen. „Jetzt fordern wir die Solidarität derer, die uns die Auflagen gemacht haben, die zu diesem Super-Gau geführt haben. Unter uns sind junge KollegInnen, die ihre Apotheke erst vor kurzem gekauft haben und unter der Last der Kredite zusammenbrechen. Unter uns sind KollegInnen kurz vor der Rente, die unmöglich Verpflichtungen bewältigen können, die sie die nächsten zehn Jahre abtragen müssen. Wir wollen nichts geschenkt! Wir wollen nur, was uns tatsächlich zusteht! Die Ware ist abgegeben, die Versicherten, Kunden und Patienten sind versorgt. Das mindeste, was wir aktuell erwarten, ist die Ausschüttung der zugesicherten Quote aus der AvP-Insolvenzmasse in Form eines Fonds.“

Moralisch richtig wäre es zudem aus Sicht des Verbunds, einen Rettungsschirm für die betroffenen Apotheken zu spannen. „Es wäre ein Zeichen, dass wir tatsächlich in einer Solidargemeinschaft leben und nicht nur einseitig das Erfüllen von Pflichten gefordert wird. Es obliegt Ihrer Sorgfaltspflicht, den jungen Kollegen die Sicherheit zu geben, dass es noch sinnvoll ist, sich als Apotheker selbstständig zu machen.“

Denn die Apotheken nehmen demnach täglich erhebliche wirtschaftliche Risiken auf sich – Retaxationen, im Voraus zu bestellende Grippeimpfstoffe und andere Fallstricke machen ihnen das Leben schwer. „Wir sind keine privatwirtschaftlichen Unternehmen. Wir sind nicht mal vollwertige und selbstentscheidende Kaufleute. Handeln Sie jetzt – oder Sie machen sich an einem Verrat am Solidarprinzip schuldig!“



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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