Großbritannien

Wie gehen Apothekenketten mit Honorarkürzungen um?

Berlin - 28.05.2018, 13:00 Uhr

Wie gehen die großen Apothekenketten in Großbritannien mit den milliardenschweren Kürzungen beim Apothekenhonorar um? DAZ.online hat bei drei der vier größten Kettenkonzerne nachgefragt. (Foto: Imago)

Wie gehen die großen Apothekenketten in Großbritannien mit den milliardenschweren Kürzungen beim Apothekenhonorar um? DAZ.online hat bei drei der vier größten Kettenkonzerne nachgefragt. (Foto: Imago)


In Großbritannien müssen die Apotheken mit drastischen Honorarkürzungen umgehen – der Gesundheitsdienst NHS muss sparen. Das Gesundheitsministerium geht selbst davon aus, dass 3000 der etwa 14.000 Apotheken im Land durch die Kürzungen schließen müssen. Die Kette Lloydspharmacy des Pharmahandelskonzerns McKesson Europe (ehemals Celesio) kündigte diese auch an. Wie reagieren andere Kettenbetreiber? Immerhin kontrollieren die Konzerne knapp die Hälfte des Marktes …

Die finanziellen Einschnitte, mit denen Apotheker in Großbritannien derzeit leben müssen, sind hart. 22 Milliarden Britische Pfund, das sind etwa 28 Milliarden Euro, will die Regierung bis 2021 im staatlichen Gesundheitswesen Großbritanniens insgesamt einsparen. Alleine beim Apothekenhonorar sollen etwa drei Milliarden Euro pro Jahr weniger ausgegeben werden. Die Kürzungen verliefen in mehreren Abschnitten: Zwischen Dezember 2016 und März 2017 gab es mit rund 12 Prozent den ersten heftigen Einschnitt, weitere 7,4 Prozent sollen im laufenden Geschäftsjahr abgezogen werden.

Um die Kürzungen vorzunehmen, wurden unter anderem mehrere Honorarbestandteile zu einer neuen Gebühr zusammengefasst. Die Apotheker erhielten bislang beispielsweise „practice payments“. Je nach der Menge dispensierter Packungen pro Jahr sind das Zahlungen, die für die Bereithaltung und die Pflege der Apothekenräume ausgezahlt wurden. Diese Zahlungen sollen jetzt unter anderem mit den Packungsabgabe-Honoraren und einem weiteren Zusatzhonorar für das Einlösen von E-Rezepten zusammengeführt werden. Allerdings hat die Regierung hier einen kleinen Schutz für Landapotheken vorgenommen: Apotheken mit einem Abstand von mindestens 1,6 Kilometer zum nächsten Wettbewerber, die unter einer bestimmten Umsatzgrenze liegen, erhalten vom NHS Extra-Zahlungen, um die Honorarkürzungen abfedern zu können.

Der Apothekenmarkt in England, Wales, Schottland und Nordirland ist stark konzentriert: Zwölf größere beziehungsweise große Unternehmen besitzen zusammen mehr als 7000 Apotheken. Alleine die fünf größten Kettenunternehmen Boots, Lloydspharmacy, Well, Rowlands und Tesco kontrollieren etwa 5700 Standorte. Auch den dahinterstehenden Großkonzernen wie Walgreens Boots Alliance, Phoenix oder McKesson Europe (Celesio) gehen die Kürzungen nicht spurlos vorüber. DAZ.online hat daher bei drei der fünf größten Kettenkonzerne nachgefragt: Was bedeuten die Honorarkürzungen für die Versorgung? Gibt es massenweise Schließungen? Stellenstreichungen?

Lloyds: 165 Apotheken abgestoßen

Als einer der ersten Unternehmen reagierte der Stuttgarter Pharmahändler Celesio, heute McKesson Europe, mit seiner Apothekenkette Lloydspharmacy auf die Kürzungen. Lloyds kontrolliert knapp 1600 Apotheken in Großbritannien. Im Oktober des vergangenen Jahres hieß es dann, dass 190 Standorte abgestoßen werden sollen. Man werde versuchen die Apotheken zu verkaufen, nötigenfalls müsse aber geschlossen werden. Immer wieder tauchten in den britischen Fachmedien in den vergangenen Monaten Meldungen zu kleineren Übernahmen aber auch zu Schließungen von Lloydsapotheken auf.

Ein McKesson-Konzernsprecher erklärte gegenüber DAZ.online, dass man zum jetzigen Zeitpunkt bereits 165 Standorte abgegeben habe – wie viele davon verkauft und wie viele geschlossen wurden, wollte der Konzern nicht verraten. Auf die Frage, ob man auch mehr als die 190 angekündigten Apotheken schließen/verkaufen wolle, hieß es nur, dass man das „Business Portfolio“ andauernd überprüfe. Auch dazu, inwiefern die Kürzungen die Umsätze oder Gewinne des Konzerns belastet haben, wollte sich der Sprecher nicht äußern. Allerdings: Im Abschlussbericht des Geschäftsjahres 2017 erklärt McKesson, dass die Honorarkürzungen zu „bedeutend schlechter als erwarteten Ergebnissen“ geführt haben. Für die bei Lloyds angestellten Apotheker gibt es immerhin keine negativen Auswirkungen: „Von niemandem wurden die Löhne gekürzt“, sagte der Sprecher. Wie viele Arbeitsplätze durch die Schließungen und Verkäufe wegfielen, wollte der Konzern aber wiederum nicht kommentieren.

Boots: mehr Dienstleistungen, Phoenix: Kostenabsenkung

Die meisten Apotheken in Großbritannien besitzt mit knapp 2400 Standorten Walgreens Boots Alliance. Im Gegensatz zu McKesson hat es im WBA-Konzern wohl keine Schließungen im Königreich gegeben – jedenfalls nicht solche, die ausschließlich mit den Honorarkürzungen begründet wurden. Auf die Frage, wie der Konzern auch finanziell auf die Regierungsbeschlüsse reagiert hat, antwortete eine Sprecherin recht vage: „Wir waren sehr enttäuscht über das Ausmaß der Kürzungen in England. Wir haben immer sichergestellt, dass der Abgabeprozess so effizient wie möglich verläuft und das auch mit Technologien unterstützt. Wir haben uns auch darauf konzentriert, unser Arbeitnehmer-Modell weiterzuentwickeln, indem wir die Fähigkeiten als Gesundheitsberater stärkten und in PTA investierten, um die Apotheker zu unterstützen.“

In der Tat hat der Konzern im Personalbereich viel umgestellt: 2016 kündigte Boots an, mehr als 300 Stellen im Managementbereich streichen zu wollen, insbesondere Filialmanager-Stellen wurden seitdem gestrichen. Ebenfalls 2016 erklärte das Unternehmen, mehr als 7500 Mitarbeiter klinisch und pharmazeutisch so zu schulen, dass sie mehr Beratungsleistungen anbieten können. Dazu passend teilte die Konzernsprecherin nun auch mit, dass man es begrüße, dass in der Politik darüber gesprochen werde, das Vergütungssystem immer weiter in Richtung Beratungsleistungen zu verschieben. Dass Boots die in Großbritannien abrechenbaren Pauschalen für (Chroniker-)Beratungen gerne abrechnet, ist bekannt. Der Konzern stand des Öfteren in der Kritik, die Einzelpauschalen zu häufig beim NHS abzurechnen und die Leistungen teils auch unnötig angeboten und durchgeführt zu haben.

Zu etwaigen Verlusten des Unternehmens durch die Kürzungen und auch zu eventuell noch geplanten Stellenstreichungen oder Apothekenschließungen wollte die Konzernsprecherin allerdings nichts Konkretes sagen.

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Phoenix: Kleine Apotheken sind stärker betroffen

Die Apothekenkette Rowlands des Mannheimer Pharmahändlers Phoenix ist mit etwa 520 Apotheken der viertgrößte Anbieter im Vereinigten Königreich. Auf die Fragen von DAZ.online zu den Auswirkungen im Konzern wies ein Sprecher darauf hin, dass aus seiner Sicht kleinere Ketten und Unabhängige viel stärker betroffen seien von den Einschnitten: „Die staatliche Finanzierung von kommunalen Apotheken in England stellt Apotheker und insbesondere kleinere, unabhängige Apotheken vor große finanzielle Herausforderungen.“

Was etwaige Schließungen und Verkäufe betrifft, erklärte der Phoenix-Sprecher: „Rowlands Pharmacy hat auf die Kürzungen im staatlichen Gesundheitswesen NHS mit einer Absenkung der Kosten, der Erschließung neuer Umsatzquellen und mancherorts mit der Zusammenlegung von Apotheken reagiert. Dies betraf rund zehn Apotheken in Gebieten, die von mindestens zwei Rowlands Apotheken bedient werden. Neben anderen Initiativen wurde die Effizienz auch durch IT-gestützte Lösungen gesteigert, wie dem neuen ‚Hub- & Spoke-Rezeptservice‘ für Patienten. Beim ‚Hub- & Spoke-Rezeptservice‘ werden die Rezepte mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln statt individuell in jeder einzelnen Apotheke in zentralen Regional-Hubs vorbereitet und in Tüten an die lokalen Apotheken weiter verteilt. Dort können die Patienten ihre Bestellungen dann abholen.“

Der Sprecher wies auch darauf hin, dass es im vergangenen Jahr viele Beitritte zur konzerneigenen Kooperation Numark gegeben habe, nämlich rund 400 (insgesamt gibt es etwa 3600 Numark-Apotheken). „Wir führen dies darauf zurück, dass Numark den unabhängigen Apotheken die Unterstützung und Beratung bieten kann, die sie angesichts knapper staatlicher Förderung für den effizienten Betrieb ihres Geschäfts benötigen.“ Was die (finanziellen) Auswirkungen auf die Beschäftigten betrifft, erklärte der Unternehmenssprecher: „Die Zahl der PHOENIX UK Mitarbeiter betrug zum Geschäftsjahresende rund 6000. Es gab keine Lohn- und Gehaltskürzungen.“ Zu den Auswirkungen auf das Konzerngeschäft wollte sich Phoenix nicht äußern.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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