IQWiG 

Fluoridlack schützt Milchzähne vor Karies

Stuttgart - 08.05.2018, 10:00 Uhr

Vor allem Milchzähne müssen vor Karies geschützt werden. (Foto: lagom / stock.adobe.com) 

Vor allem Milchzähne müssen vor Karies geschützt werden. (Foto: lagom / stock.adobe.com) 


Immer weniger Erwachsene und Jugendliche leiden an Karies. Gleichzeitig sind die Milchzähne jedes siebten Dreijährigen von Karies betroffen. Das IQWiG betont: „Fluoridlack im Milchgebiss kann Karies verhindern.“ Der Gemeinsame Bundesausschuss hatte das IQWiG mit einem sogenannten Rapid Report beauftragt, der im April veröffentlicht wurde.

Bezüglich Zahnerhalt, Zahnschmerzen oder dentalen Abszessen bleibt der Nutzen einer Fluoridierung unklar, jedoch tritt mit Fluoridlack im Milchgebiss weniger Karies auf, als ohne spezifische Fluoridierung. Zu diesem Ergebnis kam das IQWiG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) in seinem am 26. April 2018 publizierten Bericht. Im Durchschnitt sind rund 14 Prozent der Dreijährigen in Deutschland von Karies betroffen. Speziell bei kleinen Kindern biete der Einsatz von Fluoridlack Vorteile, weil er schnell aushärtet, heißt es in der Pressemitteilung des IQWiG vom 26. April. Fluoridlack trage wirksam zur Remineralisierung der Zahnoberfläche bei und verhindere die Entstehung und das Fortschreiten von Karies.

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Laut IQWiG-Bericht reduzieren Fluoride die Säurelöslichkeit des Schmelzes und stellen, durch Niederschlag auf der Zahnoberfläche, ein Fluoridreservoir zur Verfügung, das beim Säureangriff Fluoridionen freisetzt. Dem International Caries Classification and Management System (ICCMS) zufolge gilt für Kinder mit moderatem bis hohem Kariesrisikoprofil die Empfehlung, die Prädilektionsstellen mit einem fluoridhaltigen Lack zu behandeln. Speziell für kleine Kinder soll die Verwendung eines Lacks dabei den Vorteil bieten, dass ein adäquates Ausspucken des Wirkstoffes nicht gewährleistet sein muss, weil der Lack nach Speichelzutritt am Zahn aushärtet.

Es wird dabei, abhängig vom individuellen Kariesrisiko, eine Anwendungsfrequenz von zwei- bis viermal jährlich empfohlen.

Rapid Report des IQWiG

Bei zwölfjährigen Jugendlichen ist die Kariesprävalenz gesunken, Untersuchungen bei unter Dreijährigen zeigen jedoch fast keine Kariesreduktion, sodass das Problem der frühkindlichen Karies verstärkt in den Fokus gerückt sei: Kinder sind besonders anfällig, weil bei den ersten Zähnen der Zahnschmelz empfindlicher ist. Auch nach den Milchzähnen sind die bleibenden Zähne anfangs empfindlich. Ihr Zahnschmelz ist beim Durchbruch noch nicht ganz ausgehärtet und dadurch kariesanfällig. Sind dann die Milchzähne bereits von Karies betroffen, werden oft die neuen bleibenden Zähne auch von Karies befallen.

Der Rapid Report des IQWiG beschäftigte sich mit allen Kindern – mit oder ohne Karies – bis zu einem Alter von einschließlich sechs Jahren. Die Fragestellung lautete: „Bietet das Aufbringen von Fluoridlack im Milchgebiss Vorteile im Vergleich zur üblichen Versorgung ohne spezifische Fluoridierungsmaßnahmen?“

Zur Beantwortung wurden die Ergebnisse von 15 randomisierten kontrollierten Studien ausgewertet. Insgesamt 5002 Kinder wurden darin mit Fluoridlack behandelt. 4705 Kinder befanden sich im Kontrollarm. Dabei wurden in vielen Studien neben dem Fluoridlack weitere kariespräventive Maßnahmen angeboten: Schulungen zur Mundhygiene und dem richtigen Zähneputzen oder das Bereitstellen von Zahnbürsten und fluoridierter Zahnpasta. Beobachtet wurden die Kinder über zwei bis vereinzelt drei Jahre. Das Studienergebnis sei zwar sehr heterogen, ein deutlicher Vorteil von Fluoridlack ließe sich dennoch feststellen:

Bei etwa jedem zehnten Kind könnte Fluoridlack Karies gänzlich verhindern. Bei weiteren Kindern könnte zumindest das Fortschreiten von Karies vermindert werden. Für den Nutzen des Fluoridlacks war es somit laut IQWiG egal, ob die Kleinkinder noch gesunde Zähne oder bereits Karies hatten. Neben Karies als Endpunkt in jeder Studie, wurden in fast allen Studien auch die Nebenwirkungen untersucht.

„Das IQWiG brauchte gut drei Jahre, um den Nutzen zu bestätigen“

Laut zm online brauchte das IQWiG gut drei Jahre, um den Nutzen des Fluoridlacks zu bestätigen. Schon im März 2015 soll die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) beim G-BA einen „Antrag auf Bewertung zusätzlicher Früherkennungsuntersuchungen für Kinder auf Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten“ gestellt haben. Daraufhin wurde das IQWiG mit der Bewertung der „isoliert applizierte[n] Fluoridlacke […]“ beauftragt. Dabei sollte aber nicht das ganze Gebiss flächendeckend behandelt werden, sondern nur initiale Kariesläsionen des Milchzahns.

Niemand habe in Expertenkreisen erwartet, dass die Wirkung von Fluoridlacken infrage gestellt werden würde. Weil die Fragestellung aber so eng gefasst worden war, schloss das IQWiG in seinem Vorbericht vom Oktober 2016 nahezu die gesamte vorliegende Evidenz zur Wirksamkeit der Fluoridlacke aus der Nutzenbewertung aus. Dem Vorbericht sollen laut zm online sehr intensive Konflikte und Dikussionen zwischen den Akteuren aus Wissenschaft, Zahnmedizin und Gesundheitspolitik gefolgt sein.

Im August 2017 sah sich der G-BA dann veranlasst, die Situation aufzulösen und gab einen neuen Bericht mit geänderter Fragestellung beim IQWiG in Auftrag. Die jetzt im April bewertete Fragestellung war breiter gefasst und zielte nicht nur auf die therapeutischen Effekte, sondern auch auf die präventive Wirkung des Fluoridlacks ab. Weil der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) das IQWiG beauftragt hatte, den Bericht in einem beschleunigten Verfahren als „Rapid Report“ zu erarbeiten, wurden Zwischenprodukte nicht veröffentlicht und nicht zur Anhörung gestellt.


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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