Kleine Anfrage

Grüne: Werbung für Kinderarzneimittel ist unnötig

Berlin - 04.04.2018, 09:00 Uhr

(Foto: Detailblick / stock.adobe.com)

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Die Grünen sehen es kritisch, wenn Arzneimittelhersteller für Kinderarzneimittel werben. In einer Kleinen Anfrage konfrontierten sie das Bundesgesundheitsministerium kürzlich mit konkreten Werbekampagnen, die aus ihrer Sicht zu weit gehen. In seiner Antwort verweist das Ministerium allerdings darauf, dass die Überwachung der Werbung Sache der zuständigen Landesbehörden ist. Das stellt die Grünen nicht zufrieden.

Werbung für Kinderarzneimittel unterliegt hierzulande denselben Vorgaben, die auch für entsprechende Produkte für Erwachsene gelten. Lediglich die Werbung, die sich direkt an Kinder unter 14 Jahren richtet, ist untersagt und bußgeldbewehrt (§ 11 Satz 1 Nr. 12 HWG). Die Bundestagsfraktion der Grünen sieht dies offensichtlich kritisch. „Einzelne Hersteller von frei verkäuflichen Arzneimitteln und Medizinprodukten sprechen in ihren Werbekampagnen gezielt Eltern an und werben für die Verabreichung ihrer Produkte an Kinder auch bei banaleren Beschwerden oder Erkrankungen“, heißt es in einer Kleinen Anfrage der Fraktion zum Thema. Genannt wird beispielsweise die Internet-Werbung von Reckitt Benckiser für Nurofen® sowie von Klinge Pharma für Vomex®. Zugleich weisen die Grünen darauf hin, dass es gegen in diesen Arzneimitteln enthaltenen Wirkstoffe wegen ihres Nebenwirkungsprofils erhebliche Bedenken gebe oder ihr Nutzen umstritten sei – insbesondere haben sie dabei das Schmerzmittel Ibuprofen sowie die Antihistaminika Dimenhydrinat, Diphenhydramin und Doxylamin im Sinn.

Nun wollte die Fraktion unter anderem wissen, welche Informationen der Regierung zu öffentlichen Werbekampagnen für frei verkäufliche Arzneimittel – auch in Elternblogs und Social-Media-Kanälen – vorliegen und ob sie hierdurch Gefahren sieht. Allerdings ist zweifelhaft, ob die Grünen damit wirklich „frei verkäufliche“ Präparate meinen. Denn konkret genannt werden stets apothekenpflichtige Produkte, die allerdings rezeptfrei erhältlich sind.

Arzneimittelwerbung ist vollständig harmonisiert

Nun liegt die Antwort der Bundesregierung vor. Die Vorbemerkung weist zunächst darauf hin, dass in puncto Arzneimittelwerbung das Heilmittelwerbegesetz und die Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb anwendbar sind. Zudem sei mit dem Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (Richtlinie 2001/83/EG) die Arzneimittelwerbung in Europa vollständig harmonisiert. Die Mitgliedstaaten dürften damit keine Bestimmungen aufrechterhalten oder einführen, die von denen des Gemeinschaftskodex abweichen – außer dieser erlaubt abweichende nationale Vorschriften ausdrücklich.

Überwachung ist Ländersache

Zudem erklärt das BMG, dass die Überwachung, ob die heilmittelwerberechtlichen Vorgaben eingehalten werden, nach der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung Ländersache ist. Ordnungswidrigkeitsverfahren nach dem Heilmittelwerbegesetz könnten die nach dem Landesrecht vorgesehenen Verwaltungsbehörden der Länder einleiten.

Ferner weist das Ministerium darauf hin, dass derzeit eine Rechtsverordnung vorbereitet wird, die Arzneimittel mit dem Wirkstoff Doxylamin, sofern sie zur Behandlung von Schlafstörungen bei Kindern bis zum Alter von 18 Jahren zugelassen sind, der Verschreibungspflicht unterstellt. Eine entsprechende Empfehlung hatte bereits im vergangenen Sommer der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ausgesprochen. Zudem will das BMG eine Analgetika-Warnhinweisverordnung erlassen, die einen besonderen Warnhinweis für Schmerzmittel auf der äußeren Umhüllung von Arzneimitteln vorsieht: „Bei Schmerzen oder Fieber ohne ärztlichen Rat nicht länger anwenden als in der Packungsbeilage vorgegeben!“. 

Wenige Erkenntnisse, viele Verweise

Bei vielen der folgenden Fragen der Grünen verweist das BMG in seiner Antwort schlicht auf diese Vorbemerkung. Gefragt, welche Werbekampagnen es kenne, erklärt das Ministerium zusätzlich, hierzu lägen ihm keine Informationen vor. Bei konkret angesprochenen Werbekampagnen von Herstellern, belässt es das BMG bei dem Hinweis, dass die Überwachung solcher Werbung Ländersache sei.  

Bei der Frage, welche Erkenntnisse die Regierung zu erhöhten Risiken für Schlaganfälle und Herzinfarkte durch die Einnahme von Ibuprofen hat, verweist das BMG auf das BfArM: Nach dessen Informationen seien diese Nebenwirkungen in den Fach- und Gebrauchsinformationen aufgeführt. Die Häufigkeit werde mit „sehr selten“ (< 1 / 10.000) angegeben. Studien für ein erhöhtes Risiko speziell bei Kindern seien dem BfArM nicht bekannt.

Dimenhydrinat, Diphenhydraminat und Doxylamin unter Beobachtung

Etwas mehr schreibt das Ministerium zu seinen Erkenntnissen bei Dimenhydrinat, Diphenhydramin oder Doxylamin. Das BfArM habe wegen vorliegender Erkennnisse zu Nebenwirkungen – insbesondere im Zusammenhang mit Überdosierungen – ein Stufenplanverfahren zu oralen und rektalen dimenhydrinat- und diphenhydraminhaltigen Antiemetika zur Anwendung bei Kindern bis drei Jahren durchgeführt. Eine Abfrage des BfArM in der europäischen Eudravigilance Datenbank habe zudem ergeben, dass für Dimenhydrinat bislang 67, für Diphenhydramin zwölf und für Doyxlamin acht Verdachtsfälle unerwünschter Nebenwirkungen aus Deutschland bei Kindern bis drei Jahren gemeldet wurden (Stichtag 12. März 2018). Ein Kausalzusammenhang im Einzelfall sei allerdings nicht sicher belegt, so das BMG.

Auf die Frage, wie die Regierung bislang auf diese Nebenwirkungsmeldungen reagiert habe, heißt es, dass die pharmazeutischen Unternehmen mittlerweile besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung in ihre Packungsbeilagen aufgenommen hätten. Es werde nunmehr unter anderem eine strenge Indikationsstellung bei Kleinkindern bis zu drei Jahren gefordert.

Kappert-Gonther: Regierung soll sich für Werbeverbot einsetzen

Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Sprecherin für Gesundheitsförderung der Grünen-Bundestagsfraktion, ist mit der Antwort nicht zufrieden: „Es gibt keinen Grund, warum Werbung für Kinderarzneimittel notwendig ist. Im Gegenteil – einige der beworbenen Mittel haben schwere Nebenwirkungen und sollten Kindern daher nur nach Rücksprache mit einer Ärztin oder einem Arzt gegeben werden. Die Bundesregierung duckt sich bei diesem Thema weg und bedient wie so oft nur die Interessen der Industrie“. Kappert-Gonther forderte die Bundesregierung auf, bedenkliche Arzneimittel für Kinder verschreibungspflichtig zu machen und sich auf EU-Ebene für ein komplettes Verbot der Kinderarzneimittel-Werbung einzusetzen.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Werbung nur für Kinderarzneimittel verbieten?

von Pharmi am 05.04.2018 um 14:26 Uhr

Warum dürfen Versender mit Lockangeboten (z.B. Preisvorteile) für Medikamente werben? So könnten Patienten animiert werden, mehr als nötig zu kaufen... Schon heute ist ein großer Anteil der Notfälle in Notaufnahmen auf falsche Medikationen zurück zu führen... Für die Grünen ist DAS bisher kein Problem... Sie setzen sich sogar für diese Unternehmen ein!

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