Arzneimittelagentur

Die EMA zieht nach Amsterdam – Bonn chancenlos

Berlin - 20.11.2017, 18:39 Uhr

Kofferpacken angesagt: Die EU-Arzneimittelagentur EMA zieht nach dem Brexit nach Amsterdam, der deutsche Bewerber Bonn schied chancenlos aus. (Foto: AP Photo / dpa)

Kofferpacken angesagt: Die EU-Arzneimittelagentur EMA zieht nach dem Brexit nach Amsterdam, der deutsche Bewerber Bonn schied chancenlos aus. (Foto: AP Photo / dpa)


Die Europäische Arzneimittelagentur EMA wird in Zukunft ihren Sitz in der niederländischen Hauptstadt haben, entschieden die EU-Europaminister am Montag. Bonn geht somit leer aus. Die Behörde muss den Umzug nun zügig angehen: EMA-Chef Guido Rasi hatte bereits vor Gesundheitsgefahren für Europa gewarnt, wenn es in der kommenden Phase zu Problemen kommt.

Wie der Europäische Rat am Montagabend ankündigte, wird die Europäische Arzneimittelagentur EMA von London nach Amsterdam ziehen. In einem mehrstufigen Auswahlprozess hatte die deutsche Bewerbung für Bonn offenbar keine Chance: Schon in der ersten Auswahlrunde schied die ehemalige Bundeshauptstadt aus, die auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte beheimatet.

Insgesamt hatten sich 19 Städte um die Behörde beworben. Die EU stellte einige Bewertungskriterien für die Standortwahl auf – so gute Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter-Familien, eine gute Verkehrsanbindung, die Zahl der im Land bereits befindlichen EU-Behörden – und die Frage, ob ein Umzug schnell und reibungslos möglich ist.  Das anschließende Auswahlverfahren wurde ähnlich wie beim „Eurovision Song Contest“ veranstaltet: Die Mitgliedstaaten durften ihren ersten Favoriten jeweils drei Punkte geben, dem zweiten zwei und dem dritten Favoriten einen.

Drei Bewerbungen gingen in die zweite Runde: Neben Amsterdam noch Mailand und Kopenhagen. Nach dem Ausscheiden von Kopenhagen musste laut „Deutscher Presse-Agentur“ am Ende das Los entscheiden – die niederländische Hauptstadt kam zum Zuge. Neben der Vorteile für den Pharmastandort ist der EMA-Umzug auch wirtschaftlich sehr attraktiv: In London sorgten die EU-Behörden EMA und die Bankenaufsicht EBA zuletzt für 39.000 Hotelübernachtungen pro Jahr. Wohin die EBA zieht war am frühen Montagabend noch offen – hier hatte sich unter anderem Frankfurt beworben. 

Es soll Absprachen gegeben haben

Um sich Punkte aus den anderen Ländern zu sichern, soll es Absprachen zwischen den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten gegeben haben. So soll die Bundesregierung die EMA-Bewerbung für Athen unterstützt haben, da offenbar die Aussichten für die griechische Hauptstadt als besser angesehen wurden. Im Gegenzug soll Griechenland sich für die Bewerbung Frankfurts eingesetzt haben. 

Die schlechte Bewertung Bonns stellt dennoch eine herbe Niederlage für Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) dar: Der Minister hatte monatelang dafür gekämpft, die EMA nach Deutschland zu holen. Gemeinsam mit Ex-NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement (CDU) hatte Gröhe eine PR-Kampagne für die Bewerbung gestartet. Unter dem Motto „Closer to Europe“ war die Kampagne gegen die 18 anderen Bewerber ins Rennen gegangen. Im Juni hatte auch Gröhes Ministerium, das BMG, per Pressemitteilung für Bonn als künftigen EMA-Standort geworben. 

EMA-Chef hatte vor Gesundheitsgefahren durch Umzug gewarnt

EMA-Chef Guido Rasi hatte im April angemahnt, dass schon im Juni eine Entscheidung fallen solle, doch wollen die Staatschefs erst im November beschließen, wohin die Reise geht. „Was ich wirklich befürchte, ist, dass etwas genau innerhalb der Übergangsphase passiert“, hatte Rasi gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters gesagt. „Das ist eine wirkliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit.“

Harte Schritte sollten sicherstellen, dass die Behörde ihre für die öffentliche Gesundheit in Europa sehr wichtige Aufgabe weiterhin erfüllen kann: Mit einem „Betriebsaufrechterhaltungsplan“ sollten „Unsicherheiten und Auswirkungen auf die Arbeitsbelastung“ begegnet werden, die mit dem Rückzug des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union und dem Umzug verbunden sind“, hatte die EMA im August erklärt. „Unerwartete größere, schnellere oder dauerhafte Verluste von Mitarbeitern im Zuge des Behördenumzugs könnten zu einer Situation führen, in der die Arbeit der EMA nicht mehr aufrechterhalten werden kann“, schrieb die Arzneimittelagentur. 

Daher versucht die Behörde derzeit, abzusehende Verluste qualifizierten Personals abzufedern – und insbesondere jene Dienste zu bedienen, die zur Aufrechterhaltung des europäischen Zulassungssystems „lebensnotwendig“ sind. Zu diesem Zweck stufte die EMA auf ihrer Prioritätenliste mehrere Zukunftsprojekte zurück – so eines zur Vermeidung von Antibiotikaresistenzen. 

BAH begrüßt Entscheidung

Obwohl auch der in Bonn ansässige Bundesverband der Arzneimittelhersteller sich für die deutsche Bewerbung stark gemacht hatte, begrüßte er die Entscheidung in einer Stellungnahme. „Wir bedauern zwar, dass Bonn nicht der neue Standort der EMA werden wird. Gleichwohl ist Amsterdam eine gute Wahl“, erklärte Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft beim BAH. „Die wichtigsten Faktoren, die die Arbeitsfähigkeit der EMA auch nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU ermöglichen, sind dort gegeben.“

Die Stadt Amsterdam böte eine gute Infrastruktur und internationale Schulen. Zudem verfügen die Niederlande über ein funktionierendes Gesundheitssystem. „Viele Mitarbeiter der EMA hatten sich im Vorfeld für diesen Standort ausgesprochen. Ich hoffe, dass der Behörde nun die Mehrheit ihrer hochqualifizierten Arbeitskräfte erhalten bleibt“, betonte Kroth. Es gelte nun, den Umzug schnellstmöglich durchzuführen, damit sich die EMA wieder auf ihre Kernaufgaben – die Zulassung, Bewertung und Überwachung von Arzneimitteln in Europa – fokussieren kann. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

Amsterbonn

von Diana Moll am 21.11.2017 um 10:35 Uhr

Danke für das aufmerksame Lesen! Das war wohl ein Freudscher Vertipper ;)

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Titel

von Anna am 21.11.2017 um 1:28 Uhr

Wer ist eigentlich Amsterbonn? ;)

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Ist das einfach nur noch Zufall??

von Christiane Patzelt am 20.11.2017 um 19:40 Uhr

alle Versorgung und Umsorgung des Arzneimittels nur noch aus den Niederlanden heraus?? Ich glaube schon lange nicht mehr an Zufälle....

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Ist das einfach nur noch Zufall

von ELISABETH am 21.11.2017 um 6:23 Uhr

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