BAH-Diskussionsrunde zur Selbstmedikation

„Der Apotheker ist unverzichtbar“

Berlin - 28.09.2017, 16:45 Uhr

Eine muntere Diskussionsrunde zum Thema Selbstmedikation: Stefan Meyer, Gerd
Glaeske, Moderator Dr. Traugott Ullrich (Dr. Willmar Schwabe, stellv. BAH-Vorstandsvorsitzender), Klaus
Weckbecker,
Stefan Fink, Corinna Mühlhausen (v.li.) (Foto: BAH/Pietschmann)

Eine muntere Diskussionsrunde zum Thema Selbstmedikation: Stefan Meyer, Gerd Glaeske, Moderator Dr. Traugott Ullrich (Dr. Willmar Schwabe, stellv. BAH-Vorstandsvorsitzender), Klaus Weckbecker, Stefan Fink, Corinna Mühlhausen (v.li.) (Foto: BAH/Pietschmann)


Die Apotheker sind gefordert

In der Diskussionsrunde konnte der Bremer Versorgungsforscher Professor Gerd Glaeske die Ideen aus dem BAH nicht sämtlich unterschreiben. Grundsätzlich findet aber auch er die Selbstmedikation – dazu zählt er auch den Wadenwickel – richtig und wichtig. Dabei seien die Apotheker als Ratgeber „unverzichtbar“. Kritisch sieht Glaeske jedoch den Wunsch, Arzneimittelmarken zu stärken. In Apotheken-Testkäufen habe sich gezeigt, dass ein Patient, der nach einer Marke fragt, schlechter beraten wird, als wenn er sein Krankheitsbild schildert. Die Frage nach der Marke verstehe der Apotheker so, als kenne der Kunde das Produkt und brauche keine Beratung. Auch von einer vermehrten Information durch die Hersteller hält Glaeske nichts: Er verwies auf ein neues Buch der Stiftung Warentest zur Selbstmedikation, das im Oktober erscheinen wird. In diesem würden 29 Prozent der viel verkauften Selbstmedikations-Arzneimittel abgewertet. Nichtsdestotrotz: Informationen bräuchten die Bürger, um ihre Gesundheitskompetenz zu stärken – da stimmt er dem BAH zu. Aber diese sollten möglichst wissenschaftlicher Art sein. 

Lieber weniger als mehr Arzneimittel

Der Mediziner Professor Klaus Weckbecker, Direktor des Instituts für Hausarztmedizin an der Universität Bonn, verwies darauf, dass auch rezeptfreie Arzneimittel nicht immer unproblematisch sind. Zudem sei das Problem eher, dass die Menschen, vor allem ältere, zu viele, statt zu wenige Arzneimittel einnehmen. Dies könne durch die Selbstmedikation noch verstärkt werden – dabei müsse es eigentlich das Ziel sein, die Zahl der Arzneimittel zu reduzieren. Doch er habe die Erfahrung gemacht, dass Patienten mit leichten Erkrankungen oft in die Apotheke gingen und dann mit mehreren Arzneimitteln herauskommen. „Viele Apotheken machen das, aber nicht alle“, schränkte Weckbecker ein.

Stefan Fink, Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbands und Apothekeninhaber in Weimar, erklärte, er selbst habe in seinem Apothekerleben rund 130.000 OTC-Präparate abgegeben. Er betonte, dass die Apotheker gerade in der Selbstmedikation ihr Bestes geben, gut – und so weit möglich: evidenzbasiert – zu beraten. Sie könnten Hausmittel empfehlen, ein rezeptfreies Arzneimittel anbieten oder den Patienten zum Arzt schicken. Hier nähmen die Apotheken eine wichtige Rolle ein. Weckbecker gab allerdings zu bedenken: „Welches Interesse hat denn ein Apotheker in der jetzigen Systematik, ein Arzneimittel nicht zu verkaufen?“.

Einmal Gesundheitsminister sein...

In der Schlussrunde, in der sich die Diskussionsteilnehmer einmal als neuer Gesundheitsminister fühlen sollten, war es denn auch der Arzt Weckbecker, der das Apothekenhonorar als einen der wichtigen Punkte für die neue Legislaturperiode hervorhob. Neben der Etablierung eines Primärarztsystems müsse eine Beratungshonorierung für Apotheker geschaffen werden, sagte er. Glaeske schloss sich dem an. Er hätte zudem gerne eine unabhängige Informations-Plattform für rezeptfreie Arzneimittel. Fink hatte die Honorarfrage hingegen zuvor nicht angesprochen: Er würde als Gesundheitsminister die Digitalisierung und ein e-Patientenfach vorantreiben wollen. Hier müssten alle RX, OTC und am besten auch Nahrungsergänzungsmittel eines Patienten gespeichert sein – und zwar so, dass der Patient sie nicht löschen kann. „Wir brauchen diese Informationen, sie können helfen Patienten vor Schaden zu bewahren“, sagte Fink. Die Apotheker wollten hier als verantwortungsvolle Heilberufler handeln.

Eine etwas andere Perspektive brachte Trendcoach und Zukunftsforscherin Corinna Mühlhausen ein: Um den Informations-Wildwuchs zu Arzneimitteln im Internet zu verhindern, ist es aus Ihrer Sicht sinnvoll, Online-Ärzte und -Apotheker einzuführen. Sie könnten die Lücke zwischen ungefilterteten Meinungen und Arzt und Apotheker vor Ort schließen.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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