Niedersachsen

Kliniken protestieren gegen Stationsapotheker-Pflicht

Hannover - 10.08.2017, 15:00 Uhr

Mit 180 Pappfiguren und einer symbolischen Stellenanzeige protestierten Kliniken gegen Änderungen des Niedersächsischen Krankenhausgesetzes. (Foto: Niedersächsische Krankenhausgesellschaft)

Mit 180 Pappfiguren und einer symbolischen Stellenanzeige protestierten Kliniken gegen Änderungen des Niedersächsischen Krankenhausgesetzes. (Foto: Niedersächsische Krankenhausgesellschaft)


Am heutigen Donnerstag hat die niedersächsische Krankenhausgesellschaft vor dem Landtag in Hannover gegen die verpflichtende Einführung von Stationsapothekern protestiert. Das Bundesland will so nach Pflegemorden die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöhen – doch die Krankenhäuser argumentieren, sie könnten die nötigen Stellen gar nicht besetzen. Apotheker würden hierdurch privilegiert, die Kosten würden nicht refinanziert.

Mit 180 lebensgroßen Pappfiguren haben die Krankenhäuser des Bundeslandes vor dem niedersächsischen Landtag gegen die verbindliche Einführung von Stationsapothekern protestiert. Das von der Landesregierung geplante Gesetz sei „in der geplanten Übergangszeit objektiv nicht umsetzbar“, kritisieren die Kliniken während einer Sitzung des Sozialausschusses des Landtags. Stationsapotheker seien nicht auf dem Arbeitsmarkt verfügbar, argumentiert der Direktor der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG). „Die Krankenhäuser werden in spätestens drei Jahren gegen das Gesetz verstoßen müssen“, sagt er laut einer Pressemitteilung. Pro 300 Betten soll es zukünftig mindestens einen Stationsapotheker geben, ansonsten drohen Bußgelder.

Auch aus Sicht der Krankenhäuser könnten Stationsapotheker zwar die Arzneimitteltherapie-Sicherheit erhöhen und die medizinische Versorgung strukturell verbessern. Doch sie argumentieren, dass das nach dutzenden Pflegemorden überarbeite Krankenhausgesetz seinem Ziel nicht gerecht wird: Die in den Vordergrund gestellte Erhöhung der Patientensicherheit – mit dem Fokus auf die Abwehr kriminellen Missbrauchs von Arzneimitteln – „wird durch dieses Instrument hingegen nicht erreicht“, argumentiert die Krankenhausgesellschaft.

(Foto: Niedersächsische Krankenhausgesellschaft)
Die Protestaktion fand vor der Marktkirche in Hannover statt, in unmittelbarer Nähe zum derzeitigen provisorischen Sitz des Landtags. 

Doch die Kliniken haben noch weitere Probleme mit dem Gesetz. So liege die Verantwortung für die Personalplanung beim Krankenhausträger, erklärt die NKG. „Eine Berufsgruppe wie die Apotheker durch gesetzliche Eingriffe zu privilegieren, geht zulasten des übrigen Personals“, betont der Verbandsvorsitzende Hans-Heinrich Aldag. „Die niedersächsischen Krankenhäuser werden durch die Vorgabe gegenüber den übrigen Krankenhäusern im Bundesgebiet benachteiligt: Mehrkosten für Stationsapotheker sind nicht in den bundeseinheitlich geltenden Fallpauschalen enthalten.“ 

Personalabbau zu Gunsten von Apothekern?

Eine Finanzierung der einzustellenden Stationsapotheker durch das Land sei nicht vorgesehen. „Die Krankenkassen lehnen eine Übernahme der Kosten ab“, betont die NKG, so dass die Krankenhäuser die zusätzlichen Stellen selbst finanzieren müssten. „Das bedeute dann jedoch einen Personalabbau an anderer Stelle“, heißt es in der Pressemitteilung. In Zeiten von Fachkräftemangel und unzureichender Finanzierung von Personalkosten sei eine Zusatzbelastung durch die Vorgabe von gesondertem Personal – ausschließlich in einem Bundesland – im Rahmen eines Fallpauschalensystems „systemwidrig“, kritisiert der NKG-Vorsitzende.

Nach Ansicht der Landesregierung sollen die Stationsapotheker zusammen mit dem ärztlichen und pflegerischen Personal „zu einer sicheren, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Arzneimitteltherapie“ beitragen. Die im geplanten Gesetz vorgesehene Übergangsfrist sei angemessen, auch könnte die Weiterbildung im Bereich der klinischen Pharmazie im Rahmen der praktischen Tätigkeit erfolgen. Entsprechende Ausschreibungen erfolgten bundesweit und seien bereits in der Fachpresse zu finden, hatte die Landesregierung gegenüber DAZ.online argumentiert.

Die Niedersächsische Apothekerkammer hatte hingegen sogar kritisiert, die Übergangsfristen seien zu lang – und die Bedenken, es fänden sich nicht genügend Apotheker, teilt sie auch nicht. Die Weiterbildungsquoten im Gebiet der klinischen Pharmazie seien sehr hoch, auch gebe es bei offenen Stellen viele Bewerbungen aus anderen Bundesländern. „Die Apothekerkammer kann auch kurzfristig einer erhöhten Anzahl an Weiterzubildenden im Gebiet Klinische Pharmazie gerecht werden“, heißt es in einer Stellungnahme zu dem geplanten Gesetz.

„Der interprofessionelle Ansatz in der Patientenversorgung hat sich bereits in vielen anderen Ländern bewährt“, betonte Frank Dombeck, pharmazeutischer Geschäftsführer der Kammer. „Die pharmazeutische Kompetenz des Apothekers sollte nicht länger nur eingeschränkt als Arzneimittellogistiker genutzt werden.“



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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