ABDA-Präsidentschaftskandidat Kai-Peter Siemsen

„Wir Apotheker müssen die politischen Visionen vorgeben“

Berlin - 19.09.2016, 12:30 Uhr

Wie bestellt und nicht abgeholt: Kai-Peter Siemsen beschwert sich darüber, dass Friedemann Schmidt seine guten und sinnvollen Ankündigungen nicht umgesetzt hat. (Foto: Schelbert)

Wie bestellt und nicht abgeholt: Kai-Peter Siemsen beschwert sich darüber, dass Friedemann Schmidt seine guten und sinnvollen Ankündigungen nicht umgesetzt hat. (Foto: Schelbert)


Mit seiner Ankündigung, bei der ABDA-Wahl gegen Präsident Friedemann Schmidt anzutreten, hat Kai-Peter Siemsen für Furore gesorgt. Aber was würde der Hamburger Kammerpräsident besser machen? Gegenüber DAZ.online erklärt Siemsen, was Schmidt und Co. seiner Meinung nach falsch machen und warum die Apotheker, Verbände und Kammern unter ihm als Präsidenten wieder mehr zur Geltung kämen.

DAZ.online: Herr Siemsen, warum wären Sie ein besserer ABDA-Präsident als Friedemann Schmidt?

Siemsen: Wir müssen in den Gremien der ABDA wieder Sachstreit-Diskussionen zulassen. Ich kann von heute auf morgen nicht alles sofort verbessern. Aber ich habe es in den vergangenen Jahren gelernt, in den Gremien sachliche Kritik vorzutragen und dabei teilweise auch beharrlich zu sein, wenn ich das Gefühl hatte, nicht durchzudringen. Ich würde grundsätzlich mehr Kritik zulassen und den Sorgen anderer Mitgliedsorganisationen häufiger und besser zuhören.

DAZ.online: Klingt so, als ob die derzeitige ABDA-Spitze die Wünsche ihrer Mitglieder ignoriert.

Siemsen: Kritik wurde in den vergangenen Jahren immer wieder abgeblockt. Mein Ziel war es, die ABDA wieder näher an die Mitgliedsorganisationen und somit näher an die Apotheker zu bringen. Immer mehr Apotheker fragen sich doch: ‚Was machen die da eigentlich in Berlin?‘ Ich habe auch in persönlichen Gesprächen immer wieder versucht, verschiedene aus meiner Sicht existierende Missstände in der Kommunikation mit der Basis anzusprechen, bin damit aber nie durchgedrungen. Als Antwort erhielt ich die Aussage, dass das Hauptamt die politische Linie vorgebe.

DAZ.online: Die Mitarbeiter der ABDA sollen die grundsätzlichen politischen Ziele der Apothekerschaft festlegen?

Siemsen: So wird die ABDA derzeit gelebt. Ich will damit aber nicht leben. Denn die politischen Zielrichtungen müssen von uns Apothekern kommen. Wir müssen die politische Vision vorgeben. Wir müssen die Zielrichtungen und Visionen in das Hauptamt hineintragen.  Natürlich sollen die ABDA-Mitarbeiter keine stummen Handlanger sein, sondern das Ehrenamt auch kritisch begleiten, die Richtung mit dem Ehrenamt diskutieren sowie selbstverantwortlich handeln. Das Hauptamt führt das operative Geschäft. Aber von uns Apothekern kommt die Linie.

Gleiches Programm wie Friedemann Schmidt

DAZ.online: Gehen wir mal zu den Inhalten, zu Ihrem „Programm“. Was würden Sie sich vornehmen in Ihrer ersten Legislaturperiode als ABDA-Präsident?

Siemsen: Zunächst einmal möchte ich keine politischen Versprechen machen. Es wäre unseriös, den Apothekern zu versprechen, dass sie durch mich ein oder zwei Euro mehr Fixhonorar bekämen. Das hängt auch zu sehr von der politischen Konstellation in Berlin ab. Für unsere Darstellung des Berufsstandes habe ich allerdings sehr konkrete Vorstellungen. Unsere bekannten Honorarforderungen will ich weiter, aber noch deutlicher und öffentlicher geltend machen. Zudem müssen wir auf dem Weg bleiben, pharmazeutische Dienstleistungen wie das Medikationsmanagement  oder den Medikationsplan als neue honorierte Aufgabenbereiche für uns Apotheker zu etablieren. Deswegen müssen wir auch mit aller Kraft an ARMIN festhalten und das Projekt in die Fläche bringen. Ein weiteres wichtiges Ziel wäre eine Gebührenordnung für Apotheker. Neue Leistungen dürfen nicht dem freien Markt überlassen sein, es muss festgelegte Preise geben. Die feste Packungspauschale muss trotzdem erhalten bleiben. Eines meiner wichtigsten Ziele ist es aber, wieder mehr Nähe zu den Mitgliedsorganisationen zu schaffen und die ABDA transparenter zu machen.

DAZ.online: Ist das Ihr Ernst? Das sind exakt die gleichen Ziele, die Friedemann Schmidt vor vier Jahren formuliert hat.

Siemsen: Richtig. Vor vier Jahren war ich auch einer der größten Unterstützer von Friedemann Schmidt. Bis heute denke ich, dass er der beste Redner in unseren Reihen ist, der dazu noch richtig gute Ideen hat. Aber nichts von dem, was uns damals versprochen wurde, ist umgesetzt worden. Es ist wie ‚bestellt und nicht geliefert‘. Die Ziele, die Schmidt damals formuliert hat, möchte ich endlich umsetzen.

Sich auf Augenhöhe begegnen, ein offenes Ohr für Kollegen

DAZ.online: Wie wollen Sie denn die ABDA wieder näher an die Apotheker und die Mitgliedsorganisationen bringen?

Siemsen: Das kann nur schrittweise funktionieren. Zuerst würde ich den Gesamtvorstand, also alle Kammer- und Verbandschefs, wieder mehr in alle politischen Entscheidungen integrieren. Die Mitgliedsorganisationen müssen sich gleichberechtigt fühlen. Sie müssen die Möglichkeit haben, all ihre Sorgen und ihre Kritik zu jeder Zeit äußern zu können und dabei beachtet zu werden. Um als ABDA-Präsident wieder näher an die Apotheke vor Ort zu rücken, will ich grundsätzlich ein offenes Ohr für meine Kollegen behalten. Ich weiß, dass ich nicht alle 20.000 Apotheken besuchen kann. Aber die Apotheker vor Ort müssen das berechtigte Gefühl haben, den kann ich anrufen, er begegnet mir auf Augenhöhe und nimmt mein Anliegen ernst.  Jeder muss die Möglichkeit haben, sachlich mitzustreiten und gehört zu werden. Das heißt nicht, dass ich jedem nach dem Mund rede, sondern dass ich mich mit seinen Argumenten auseinandersetze.

DAZ.online: Dabei hat Friedemann Schmidt doch in einem Interview gesagt, die ABDA sei wieder näher an ihren Mitgliedern. Insbesondere die Zusammenarbeit mit den Kammern habe sich wieder verbessert.

Siemsen: Dieses Interview halte ich in großen Teilen für unrealistisch. Beispiel Brandenburg: Als ABDA-Präsident muss ich mich fragen: Warum passiert so etwas? Wenn eine Mitgliedsorganisation beispielsweise mit ihren Anträgen beim DAT nicht berücksichtigt wird, entsteht Frustration. Als ABDA-Präsident ist es wichtig, früh die Konfliktpunkte zu erkennen. Und bevor ich formell reagiere, suche ich doch das persönliche Gespräch mit dem enttäuschten Kammer- oder Verbandschef.

Was machen die da eigentlich, in Berlin?

DAZ.online: Nun sind Apotheker ja eher selten zufrieden mit ihrer Standesorganisation. Warum werden Sie als ABDA-Präsident nicht müde, wenn Ihnen der 300. Kollege sagt, dass die ABDA aus seiner Sicht zu wenig Honorarerhöhungen herausgeholt hat?

Siemsen: Die Apotheker haben in der Tat ein besonderes Anspruchsdenken. Wenn eine Gewerkschaft eine Lohnerhöhung von acht Prozent fordert und es gibt am Ende 2 Prozent mehr, sind alle zufrieden. Wenn die ABDA 9,60 Euro Fixhonorar fordert und es gibt 8,35 Euro, heißt es: ‚Die ABDA hat versagt!‘ Aber auch da meine ich: Wir müssen den Sorgen der Mitglieder zuhören, das ist unsere Pflicht. Und wenn wir merken, wir kommen bei der Politik mit unseren Forderungen nicht voran, müssen wir Beharrlichkeit zeigen und über neue Wege diskutieren. Der Apotheker vor Ort fragt sich doch: ‚Was machen die eigentlich für mich?‘ Deswegen muss auch ein ABDA-Präsident immer wieder seine Forderungen gut sicht- und hörbar wiederholen.

DAZ.online: Warum dauert es denn bei den pharmazeutischen Dienstleistungen beispielsweise so lange?

Siemsen: Da kann ich Friedemann Schmidt keinen Vorwurf machen. Wir haben alle unterschätzt, wie mühsam dieser Weg sein wird. Es gibt ja schon einige Projekte: Athina, ARMIN oder in Westfalen-Lippe. Vielleicht müssen wir uns den Vorwurf gefallen lassen, dass unser Berufsstand das Thema zu spät entdeckt hat. Einige von uns wollten den Ärzten nicht auf die Füße treten. Hinzu kommt, dass die Politik seit fast 20 Jahren keine Systempolitik, sondern nur noch Symptompolitik betreibt und wichtige Strukturreformen vor sich herschiebt. Außerdem gibt es im Gesundheitswesen kein partnerschaftliches Verhalten mehr. Heute sitzen sich Spitzenverbände zumeist skeptisch gegenüber, früher hat man mehr Sachen gemeinsam angepackt.

DAZ.online: Wie wollen Sie in den kommenden Wochen nun die Werbetrommel für sich rühren?

Siemsen: Ich werde keinen großen, persönlichen Wahlkampf führen. Einige Delegiertenversammlungen und Vorstände haben mich zu einem Gespräch bereits eingeladen, dem werde ich natürlich entsprechen. Insbesondere zu den Kammern und Verbänden im Norden habe ich ja ohnehin einen engen Kontakt. Auch weitere Einladungen werde ich gerne entgegennehmen.

Siemsen würde gerne mit Arnold weitermachen

DAZ.online: Mit welchem Vize würden Sie eigentlich gerne „regieren“?

Siemsen: Matthias Arnold hat ja gesagt, er kandidiert für das Amt des Vize-Präsidenten. Da es eine Bewerbung, wie von Schmidt und Arnold angekündigt, im „Doppelpack“ gar nicht gibt, sondern jeder Interessent sich für jedes Amt unabhängig bewerben muss, würde auch ich mich über eine Zusammenarbeit mit Matthias Arnold freuen. Natürlich gibt es aber noch andere Kandidaten. Wichtig ist mir, dass der- oder diejenige aktiv ist. Stefan Fink ist ein gutes Beispiel: Haben Sie den mal über sein ARMIN-Projekt reden hören? Der Mann brennt dafür. Auch Thomas Preis hat sich schon einmal als Vize-Präsident beworben. Auch das könnte ich mir vorstellen.

DAZ.online: Passt denn das zeitintensive Amt des ABDA-Präsidenten in ihr derzeitiges Leben?

Siemsen: Ich habe das natürlich lange mit meiner Frau besprochen und hätte es niemals ohne Ihre Zustimmung gemacht. Unsere Kinder sind ja inzwischen aus dem Haus. Ebenso wichtig war mir aber auch die Rückendeckung meines Kammervorstandes. Und die habe ich.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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3 Kommentare

Tja, die Gewerkschaften .....

von Gunnar Müller, Detmold am 19.09.2016 um 18:54 Uhr

..... die ABDA hätte sicherlich dieselbe Rückendeckung, wenn sie - wie diese - jedes Jahr (!) eine Erhöhung der Apotheken-Vergütung in dieser Größenordnung erreichen würde ......
Auch hier ist mehr apothekerliche Standfestigkeit resp. ABDA-"Präsenz" erforderlich, als Sie befürchten, Herr Siemsen.

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Wo hakt's ?

von gabriela aures am 19.09.2016 um 14:10 Uhr

Sehr geehrter Herr Siemsen,

vielen Dank für Ihre erklärenden Worte und die Vorstellung Ihrer Pläne.


Eine Qintessenz aus obigem Interview ist für mich:
Das Hauptamt "blockiert".

Ähnlich wie Sie halte ich FS für einen hervorragenden Redner, war in den Anfangszeiten ein großer Fan und hatte eigentlich noch sehr lange die Hoffnung: da dreht sich was, da passiert was.

Jetzt steht aber jeder Präsident (ob FS oder KPS) offensichtlich grundsätzlich vor dem gleichen Problem:
Teile des Hauptamtes
Da hat sich scheinbar FS die Zähne ausgebissen und vermutlich irgendwann einfach aufgegeben.Nicht genug Unterstützung oder vielleicht auch gar nicht den unbedingten Willen zu Veränderungen gehabt- das bleibt sein Geheimnis.
(Ich wiederhole mich: im Gespräch mit v.Stackelberg bei einer Interpharm war er klasse - aber kaum ist ein "Aufpasser" der ABDA dabei, ist es vorbei....)

Haben Sie die Unterstützung, den Rückhalt aus den MOs , hier die Machtverhältnisse zu verschieben?
Haben Sie den langen Atem, den es sicher braucht, um die Struktur, die Verantwortungsbereiche innerhalb der ABDA (zumindest) teilweise zu verändern und liebgewonnene Pfründe zu beschneiden ?
Haben Sie eine Mehrheit, die uneigennützig den Weg mitgeht ?

Eine Schlußbemerkung:
"Wenn die ABDA 9,60 Euro Fixhonorar fordert und es gibt 8,35 Euro, heißt es: ‚Die ABDA hat versagt!‘ "
Das ist nur die halbe Wahrheit.
Vielmehr hat mich folgendes Szenarium entsetzt:
Fritz Becker, wahrlich ein alter Hase im Geschäft, hat nur einen Tag(!) vor Verkündung der satten 25 Cent , gesagt:
"Wir könnten bei 9,14 € landen ! "
Wie kann man die Lage nur so falsch einschätzen ?
Und es war ja nicht die einzige enttäuschte Hoffnung in den letzten Jahren - bei jedem noch kommenden Gesetz sahen wir uns berücksichtigt mit unseren Forderungen. Und seitdem platze so ziemlich jede Seifenblase .
Konsequenzen: keine, nur immer wieder lange Gesichter und ungläubiges Kopfschütteln.
Und die Ankündigung, daß ja noch einige weitere Ragierungsvorhaben auf der Tagesordnung stehen und da sind wir dann aber ganz sicher dabei.

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Notwendiger Wechsel!

von Christian Giese am 19.09.2016 um 13:02 Uhr

Narzistisch-technokratische Führungen sind immer Kurzläufer.
Gut so, Herr Siemsen, die Chancen stehen deshalb nicht schlecht!

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