Notfall-Antibiotikum 

Resistenzgene gegen Colistin in Deutschland weit verbreitet

Stuttgart - 08.01.2016, 16:00 Uhr

In Deutschland ist das Resistenzgen mcr-1 bei Nutztieren "weit verbreitet" (Quelle: fotolia/akf)

In Deutschland ist das Resistenzgen mcr-1 bei Nutztieren "weit verbreitet" (Quelle: fotolia/akf)


Vor zwei Monaten schien die Gefahr noch sehr entfernt zu sein. Analysen des Bundesinstituts für Risikobewertung haben jetzt ergeben, dass Colistin-Resistenzen bei deutschen Nutztieren in Deutschland schon seit Jahren weit verbreitet sind. Auch in einer ersten Probe vom Menschen wurde das Resistenz-Gen gefunden.

Nach ersten Untersuchungsergebnissen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) ist das übertragbare Gen mcr-1 bei Nutztieren in Deutschland weit verbreitet – und das schon seit mindestens 2012. Die gestrige Meldung besitzt eine große Sprengkraft, denn das Reserve-Antibiotikum Colistin ist das letzte Mittel, mit dem einige multiresistente Keime noch behandelt werden können. Zwar gab es auch früher Colistin-resistente Stämme, doch dachte man, dass es sich um einzelne Mutationen gehandelt habe. Daher gingen Experten bisher noch davon aus, „dass eine Resistenz gegenüber Colistin nicht zwischen Bakterien übertragen werden kann“, wie das BfR nun schreibt. 

Erste Funde stammten aus Fernost

Als im November der Veterinärmediziner Liu Jian Hua im Fachmagazin The Lancet Infectious Diseases zum ersten Mal über den Nachweis von mcr-1 berichtete, das für die Übertragung der Resistenz an andere Bakterien verantwortlich ist, sprach er von „extrem besorgniserregenden Ergebnissen“. Angesichts des großflächigen Einsatzes in der Tiermast forderte der australische Mikrobiologe David Paterson die chinesische Regierung auf, den Einsatz von Colistin möglichst schnell zu begrenzen, um eine globale Ausbreitung zu verhindern. Tatsächlich sagte die Regierung zu, innerhalb von Wochen das Antibiotikum vom Markt zu nehmen. Doch war das Resistenzgen damals bereits um die Erde gegangen: Im Dezember wurde es auch in Dänemark, den Niederlanden oder Frankreich nachgewiesen. Von wo es sich ursprünglich ausgebreitet hat, ist unbekannt. 

Sowohl in China als nun auch in Deutschland sind Keime mit dem Resistenzgen beim Menschen festgestellt worden. Wissenschaftler des deutschen Forschungsverbundes RESET veröffentlichten ihren Mitte Dezember entdeckten Fund gestern in The Lancet Infectious Diseases. Die Probe stammte von 2014. "Faktisch bedeutet es, dass antibiotische Therapien bei diesen Erregern nicht mehr wirken", sagt Lothar Kreienbrock von der Tierärztlichen Hochschule Hannover. 

Zukünftige Funde beim Menschen wahrscheinlich

Für weitere Analysen ist das Robert-Koch-Institut (RKI) zuständig, welches Mitte Dezember dazu aufrief, Colistin-resistente Proben einzusenden, um diese auf mcr-1 zu untersuchen. „Wir rechnen auf jeden Fall mit positiven Ergebnissen“, sagt Martin Kaase von der Uni Bochum. Er arbeitet beim Nationalen Referenzzentrum für gramnegative Krankenhauserreger, das im Auftrag des RKI die Analysen derzeit durchführt.

„Die aktuellen Ergebnisse bestätigen erneut, dass die Strategie eines verantwortlichen Einsatzes von Antibiotika weiter konsequent verfolgt werden muss“, sagt BfR-Präsident Andreas Hensel. Colistin wurde bereits 1949 isoliert und identifiziert, aber jahrzehntelang aufgrund seiner relativ schweren Nebenwirkungen nicht beim Menschen angewandt. So blieb es für den Humanbereich ein Reserve-Antibiotikum, während es parallel in der Veterinärmedizin für die Behandlung von Darmerkrankungen eingesetzt wurde – in Europa ist es in der Tiermedizin das fünft-meistverkaufte Antibiotikum. 

Update: Der Artikel wurde um den Fund des Resistenz-Gens beim Menschen ergänzt.


Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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