Bundesregierung

Kein Schlupfloch bei früher Nutzenbewertung

Berlin - 03.11.2014, 16:02 Uhr


Pharmaunternehmen, die befürchten, dass ihr neues Arzneimittel in der frühen Nutzenbewertung schlechter abschneidet als auf dem Markt befindliche Produkte, können kein oder nur ein unvollständiges Dossier einreichen. Das sei zulässig, erklärt Annette Widmann-Mauz (CDU) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion. Dann gilt der Zusatznutzen als nicht belegt, und der Preis orientiert sich am aktuellen Therapiestandard. Weil Pharmaunternehmen bislang nur in wenigen Fällen keine Unterlagen einreichten, gibt es nach Meinung der Bundesregierung keinen Grund, am Verfahren zu rütteln.

Die Linken hatten darauf hingewiesen, dass durch diese Möglichkeit auch neue Arzneimittel auf den Markt kommen könnten, die einen unklaren und möglicherweise geringeren therapeutischen Nutzen haben als die Vergleichstherapie. Eine Entwicklung in diese Richtung vermag die Regierung nach Angaben der Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium allerdings nicht zu erkennen. Aber: „Die Bundesregierung beobachtet die angesprochene Frage aufmerksam“, schreibt Widmann-Mauz. „Sollte sie zu der Überzeugung kommen, dass eine gesetzliche Änderung erforderlich ist, wird sie dem Deutschen Bundestag einen geeigneten Vorschlag unterbreiten.“

Bisher haben pharmazeutische Unternehmer in zehn Fällen keine Unterlagen eingereicht, berichtet die Staatssekretärin: Vier Arzneimittel wurden bestehenden Festbetragsgruppen zugeordnet, für eines vereinbarten GKV-Spitzenverband und das Unternehmen einen Erstattungsbetrag (4% unter pU-Preis), und in einem weiteren Fall musste die Schiedsstelle über den Preis entscheiden. Zwei Arzneimittel, für die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) wegen der Zulassung eines neuen Anwendungsgebiets zusätzliche Unterlagen eingefordert hatte, befanden sich zu diesem Zeitpunkt nicht (mehr) in Verkehr. Die übrigen zwei Verfahren sind noch nicht abgeschlossen.

Die Linken wollten in ihrer Kleinen Anfrage außerdem wissen, wieviel die gesetzlichen und die privaten Krankenkassen bislang für neue Arzneimittel ohne Nutzenbewertung ausgegeben haben. Laut Widmann-Mauz waren dies seit 2011 für die GKV rund 23 Millionen Euro – davon rund sieben Millionen Euro ab dem jeweils 13. Monat nach dem Stichtag für die Einreichung der erforderlichen Unterlagen. Auf Arzneimittel, die einer Festbetragsgruppe zugeordnet wurden, entfielen davon etwa zehn Millionen Euro (6 Mio. Euro ab dem jeweils 13. Monat nach Inverkehrbringen). Entsprechende Zahlen für die PKV lagen der Regierung laut Widmann-Mauz nicht vor.

Kathrin Vogler, Sprecherin für Arzneimittelpolitik und Patientenrechte der Linksfraktion, gibt sich damit nicht zufrieden: Gutes Geld dürfe es nur für gute Arzneimittel geben, betont sie. Ohne Nutzenbewertung gehöre ein neues Arzneimittel daher nicht in die Versorgung. „Wir brauchen keine neuen Arzneimittel, die möglicherweise weniger gut helfen als bereits bekannte. Wenn diese Mittel mit der Marketing-Maschinerie der Industrie in die Versorgung gedrückt werden, entsteht nicht nur ein finanzieller Schaden, sondern vor allem auch ein gesundheitliches Risiko für die Patientinnen und Patienten.“ Die Bundesregierung, so die Forderung ihrer Fraktion, müsse diese „offensichtliche Gesetzeslücke“ daher schließen – und zwar bevor der erste Skandal da sei.


Juliane Ziegler


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