Biopharmazeutika vor Patentablauf

Biosimilars den Weg bereiten

Berlin - 12.09.2014, 16:13 Uhr


Im kommenden Jahr wird eine Reihe Biopharmazeutika ihren Patentschutz verlieren – etwa die kostenintensiven Arzneimittel Humira® und Lantus®. Erste Biosimilars warten bereits auf den Markteintritt. Aus Sicht des Europäischen Generikaverbands (EGA) und Pro Generika sind Biosimilars eine echte Chance – schließlich sind sie im Schnitt 25 Prozent günstiger als die Originale. Allerdings betonen die Verbände, dass ein früher Eintritt in die Versorgung möglich sein muss. Nur so könne sich ein nachhaltiger Wettbewerb entfalten.

Derzeit sind unter den Top 10 der umsatzstärksten Arzneimittel fünf Biopharmazeutika. Die Krankenkassen dürften sich freuen, wenn bald kostengünstigere Alternativen zum Originalpräparat zur Verfügung stehen. Allein bei Humira®, Herceptin® und Avastin® ließen sich laut Pro Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer in Deutschland durch Biosimilars 4,7 Mrd. Euro in den kommenden zehn Jahren einsparen. Zwar werden bei diesen Arzneimitteln niemals 25 Wettbewerber zur Verfügung stehen, wie es bei Generika durchaus der Fall sein kann. Aber schon mit drei Präparaten wäre ein nachhaltiger Wettbewerb durchaus möglich, meint Nick Haggar, Präsident der EGA.

Doch damit Biosimilars wirklich in der Versorgung ankommen können, bedarf es der Kooperation aller Beteiligten – nicht zuletzt müssten Ärzte und Apotheker eng zusammenarbeiten, um die Patienten gut zu informieren. Außerdem sind Erfahrungen zu sammeln. Biosimilars müssen sich unter Beweis stellen und Vertrauen gewinnen. Ebenso sind Anreize zu setzen, damit Ärzte diese Arzneimittel vermehrt einsetzen. Nicht zuletzt muss die Preispolitik stimmen: Kostenträger sollen sparen, Hersteller müssen aber auch wieder investieren können. Zu diesen Erkenntnissen kommt eine aktuelle Studie, die das Marktforschungsinstitut GfK im Auftrag der EGA erstellt hat und die die beiden Verbände am Mittwoch in Berlin vorstellten. Für die Studie wurden Ärzte, Apotheker, Unternehmen, Patienten und Gesundheitspolitiker in sieben EU-Ländern befragt.

Welche Konsequenzen sind aus der Studie für Deutschland zu ziehen? Bretthauer hat klare Vorstellungen: Für einen nachhaltigen Wettbewerb müsse etwa sichergestellt sein, dass Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Originalanbietern eines Biologicals sofort enden, wenn ein Biosimilar in den Markt eintritt – es müsse eine „Stunde null“ hergestellt werden. Auch Ausschreibungen wie im Generikamarkt will Bretthauer im Bereich der biotechnologisch hergestellten Arzneimittel vermeiden. Anders als bei Generika besteht hier schließlich auch keine Austauschpflicht für Apotheken – Biosimilars sollen vor allem bei einer Neueinstellung bevorzugt zum Einsatz kommen. Und damit das klappt, setzt Pro Generika auf regionale Vereinbarungen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Hier sollte man auf Best-Practice-Ansätze zurückgreifen. So hätten Biosimilars etwa in Sachsen, Bremen und Westfalen-Lippe vergleichsweise hohe Verordnungsanteile.

Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, stellte in Aussicht, hier nochmal gesetzgeberisch tätig zu werden – allerdings gibt er einer Lösung der Selbstverwaltung den Vorzug. Sollte die Große Koalition angesichts des derzeitigen Aufregers Sovaldi® nochmal an den Arzneimittelmarkt herangehen, so könne man hier die Chance ergreifen, für Biosimilars etwas zu tun, so Spahn. Er erklärte, dass im kommenden Jahr die Wirtschaftlichkeitsprüfungen für die Ärzte abgeschafft werden und durch regionale Vereinbarungen zwischen KVen und Krankenkassen ersetzt werden sollen. Die Vertagspartner, so Spahns Vorstellungen, sollen sich dann auch über Biosimilars unterhalten. Was die unerwünschten Rabattverträge mit Orginalherstellern betrifft, so ist Spahn ebenfalls „hin- und hergerissen“, ob man hier eine gesetzliche Regelung treffen sollte. Wer als Krankenkasse Rabattverträge vor Ablauf des Patentschutzes schließe, müsse schon „ernsthaft große Rabatte kriegen“ – anderenfalls könne man das Verhalten einer solchen Kasse ohnehin als „Untreue“ zulasten ihrer Versicherten begreifen. Letztlich könne er sich aber eine Regelung vorstellen, nach der Rabattverträge über Biologika mit Originalherstellern nach Markteintritt gestoppt werden und eine Übergangszeit ohne Rabattverträge gewährt wird. Dies, so Spahn, sei „ein vergleichsweise kleiner Eingriff“.


Kirsten Sucker-Sket


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