Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

03.08.2014, 08:00 Uhr


Es gibt einen Einjährigen zu feiern! Unser Kleiner, der Nacht- und Notdienstfonds, oder kurz und liebevoll NNF genannt, ist schon ein Jahr alt. Das Pampern klappt recht ordentlich und er entwickelt sich gut. Naja, fast gut. Er könnte ein wenig besser gedeihen, aber es mangelt an Muttermilch. Die zugeführte Nahrung könnte üppiger ausfallen. Doch das ist nicht das einzige Problem. Beim Rezepturpreis sind wir unter Mindestlohn. Und nur die FDP (es gibt sie noch!) macht was Konkretes in Sachen Nullretax. Derweil laufen sich die Ärzte für Honorarverhandlungen warm. Mein liebes Tagebuch, da kommen Sommerträume – und gehen gleich wieder!

28. Juli 2014

Kassenpatienten sollen innerhalb von vier Wochen einen Behandlungstermin bei einem Facharzt erhalten. Das ist das Ziel einer Regelung, die Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe plant und die im nächsten Jahr in Kraft treten soll. Laut Koalitionsvertrag sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen zentrale Termin-Servicestellen einrichten, die die Behandlungstermine vermitteln – ein Ansinnen, das die Ärzte auf die Barrikaden bringt. Die lehnen eine zentrale Lösung ab. Eine solche Terminvergabestelle würde nicht nur die Arztfreiheit aufheben, sondern auch dem Wunsch vieler Patienten entgegenlaufen, sagt der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen. Man müsse eher über neue Steuerungsmöglichkeiten nachdenken. Mein liebes Tagebuch, man kann die Ärzte verstehen. Ob Termin-Servicestellen der richtige Weg sind? Ist da noch die freie Arztwahl gewährleistet? Liegen die Schwierigkeiten nicht woanders? Eigentlich gibt es doch genug Ärzte. Das Problem dürfte eher die Verteilung der Ärzte in den Regionen sein. Vielleicht sollte man verstärkt darüber nachdenken, wie die Verteilung und Niederlassung der Ärzte besser gesteuert werden kann.

29. Juli 2014

Da hat die AOK Baden-Württemberg sieben Schutzimpfungen ausgeschrieben  – und die Hersteller standen nicht Schlange oder reichten kein zuschlagfähiges Angebot ein. Tja, liebe AOK Ba-Wü, soll vorkommen. Irgendwann ist die Zitrone ausgepresst. Beruhigend, dass nicht alle Hersteller den Kassen hinterherlaufen, vor allem auf dem sensiblen Markt der Impfstoffe. Nur für die Versorgung mit Grippeimpfstoffen fand die Kasse noch einen Rabattvertragspartner. Für die übrigen sechs Schutzimpfungen hob sie die Ausschreibung auf und verhandelte unmittelbar mit den Unternehmen. Und hier kam dann schließlich noch ein Vertrag für einen Impfstoff gegen Meningokokken C zustande. Mein liebes Tagebuch, ob irgendwann Ähnliches auch auf dem Markt der Generika geschehen könnte? Wenn Hersteller keine akzeptablen Angebote mehr abgeben können oder wollen...

30. Juli 2014

Arzt-Zulassung auf Zeit – mitten ins Sommerloch platzt diese Schnapsidee der GKV-Vorstandschefin Doris Pfeiffer. Sie stellt sich vor, mit einer zeitlich begrenzten Zulassung für eine Arztpraxis das Problem der Überversorgung in attraktiven Regionen zu lösen. Na, mein liebes Tagebuch, da könnten wir uns doch vorstellen, dass der Zulauf zum Arztstudium schlagartig größer wird, gell? Man muss sich das mal vorstellen, wenn es Apothekenzulassungen auf Zeit gäbe. Im Ernst, es bringt für das Gesundheitswesen nichts, wenn sich die meisten Ärzte in Super-City-Lagen oder dort, wo’s attraktiv ist, niederlassen. Aber vielleicht sollte man da noch ein bisschen mehr Überlegung reinstecken, wie eine Steuerung der Niederlassung erfolgen kann, ohne gleich an eine planwirtschaftliche Zulassung auf Zeit zu denken. Welche Anreize könnte es für einen Arzt geben, sich auf dem Land niederzulassen? Da fällt uns doch sicher was ein.

Eine gute Initiative: Die LAK Baden-Württemberg hat ein Merkblatt für Ärzte erarbeitet, das kurz und schlicht die wichtigsten Punkte erläutert, worauf ein Arzt bei der Ausstellung eines Rezeptes achten sollte. Hintergrund dieser Initiative ist die Häufung fehlerhaft ausgestellter Rezepte, vor allem während des Notdienstes. Und natürlich: Jedes fehlerhaft ausgestellte Rezept birgt für die Apotheke die Gefahr, in eine Null-Retaxation zu laufen, wenn der Fehler in der Arbeitshektik übersehen wird. Im Klartext: Den Fehler macht der Arzt, ausbaden und bezahlen muss ihn die Apotheke. Mein liebes Tagebuch, da hört man aus Apothekerkreisen schon die Forderung, den Arzt zur Kasse zu bitten. Wäre lustig, ist aber zu kurz gedacht. Denn wir Apothekers haben ja auch eine Mitwirkungspflicht, aufs Rezept zu schauen, ob alles seine Richtigkeit hat. Und Fehler macht schließlich jeder. Der Ausweg liegt woanders: Es muss endlich die Möglichkeit geben, kleine Formfehler – vom Arzt gemacht, von der Apotheke übersehen – auszubügeln. Dass Kassen hier stur retaxieren, ist schlichtweg ein Unding. Und zurück zum Merkblatt: Jetzt kommt’s drauf an, dass die Ärzte die apothekerliche Hilfestellung nicht in den falschen Hals bekommen – wohl eine Frage der Kommunikation.

Da ist sie wieder, die FDP in Baden-Württemberg. Sie will die baden-württembergische Landesregierung mit einem Antrag dazu bringen, sich mit dem Problem Null-Retaxationen bei Formfehlern zu befassen. Da möchte man doch gerne hinzufügen: Und das ist gut so. Wird der Antrag angenommen, soll die Landesregierung unter anderem berichten, „welche Schritte sie einleiten wird, um die Problematik der Null-Retaxationen wegen Formfehlern zu beheben“. Mein liebes Tagebuch, ist schon kurios. Da kommt bei diesem für Apotheken drängenden Problem keine Unterstützung von der Koalition (außer ein wenig heiße Luft) und nichts Konkretes von der Opposition. Aber die totgesagte FDP bringt einen Antrag ein, der endlich mal konkret wird und eine Landesregierung dazu zwingt, sich damit zu befassen. Schade nur, dass diese Partei damals, als sie regieren durfte, das Problem nicht anging.

31. Juli 2014

Ein Jahr Nacht- und Notdienstfonds, ein Jahr eine kleine Unterstützung für eine wichtige Apothekendienstleistung, vor allem für die Apotheken im ländlichen Raum. Seit 1. August 2013 arbeitet der NNF des Deutschen Apothekerverbands, sammelt die 16 Cent pro abgegebener Rx-Packung ein und schüttet sie an die Apotheken für geleistete Notdienste aus. 120 Mio. sollten es pro Jahr sein –  war zumindest mündlich mit der Politik ausgemacht. Pro Quartal wurden im Schnitt 250 Euro pro Notdienst an die Apotheken ausgezahlt. Das ist sicher nicht die Welt, aber besser als nichts, mein liebes Tagebuch. Der NNF läuft rund. Naja, fast rund. Aber das liegt weniger am NNF als Dienstleister, sondern vielmehr an Apotheken, die es nicht schaffen, ihre Selbsterklärung für die auf Privatrezepte abgegebenen Rx-Packungen beizubringen. Auch das wird sich noch einspielen, zur Not wird geschätzt.

Und nach einem Jahr stellt sich die Frage: Wurden die von der Politik zugesagten 120 Mio. Euro zur Stärkung des Notdienstes mit dem Zuschlag von 16 Cent erreicht? Oder könnte, nein, müsste es eigentlich ein bisschen mehr sein als 16 Cent? Klar, meint Fritz Becker, der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands. Er fordert 20 Cent, mindestens aber 18 Cent. Denn erste Hochrechnungen hätten gezeigt, dass nur 108 Mio. erreicht wurden. Hmm, mein liebes Tagebuch, dumm gelaufen. Aber glaubst du, wir haben da eine Chance? Der Haken an der Geschichte: Dass es jährlich mindestens 120 Mio. sein sollen, das steht so nicht im Gesetzestext. Was sagt uns das? Mein liebes Tagebuch, da sind wir nun alt genug zu wissen, dass sich das Bundesgesundheitsministerium in dieser Sache taub stellen wird. Und bei uns Apothekers bleibt wieder ein ungutes Gefühl zurück nach dem Motto: Mit uns kann man’s machen. Oder: wieder mal über den Tisch gezogen. Bereits bei der Einführung des NNF wurden wir genau genommen um sieben Monate geprellt, weil der Fonds nicht im Januar 2013 an den Start gehen konnte, wie ursprünglich angedacht.

Wo wir gerade bei Honoraren sind: Eine Erhöhung des Zuschlags von 16 Cent wäre das eine. Aber es gibt da noch mehr Baustellen. Ich sag da nur Rezepturpreise und BtM-Gebühr. Und gibt es denn schon konkrete Vorstellungen, in welche Richtung die Honorierung des Medikationsmanagements gehen könnte? Oder ist das eine falsche Frage, mein liebes Tagebuch?

Peter Froese, Chef des Apothekerverbands Schleswig-Holstein, bringt es auf den Punkt: der gesetzliche Arbeitspreis für die Anfertigung einer Rezeptur erreicht oftmals nicht den gesetzlichen Mindestlohn. Mal Tacheles gesprochen: Rezepturherstellung in der Apotheke läuft also über Selbstausbeutung. Kann das bitte mal offiziell nach außen kommuniziert werden? Also, mein liebes Tagebuch, das muss dringend in die Politik getragen werden.

1. August 2014

Wer bei Novartis direkt bestellt, kann dies nur noch über eine Online-Plattform tun. Kann man so wollen als Hersteller. Wenn eine Apotheke dann allerdings eine Rechnung auf Papier per Post zugesandt bekommen möchte, kostet das einen Euro. Ein bisserl kleinlich von Novartis, oder? Wenn jetzt schon mit der Portokasse gespart wird, wie geht’s da dem Unternehmen? Mein liebes Tagebuch, wir vermuten mal, die meisten Apotheken werden ihre digital signierten Rechnungen gleich mit ausdrucken. Und den paar Apotheken, die partout eine Rechnung per Post haben möchten, kann man sie doch auch schicken. Warum verärgert man ein paar wenige und provoziert schlechte Stimmung?

So, mein liebes Tagebuch, da schauen wir jetzt mal ganz genau zu, wie die anstehenden Honorarverhandlungen mit den Ärzten laufen. Schon der erste Akt ist interessant: Ärzte beklagen ein Defizit von 5 Milliarden Euro – und schwupps, die Meldung schafft es sofort in die öffentliche Diskussion. Die Rechnung, wie die 5 Milliarden zustande kommen, wird schnell erklärt: Zehn Prozent der ärztlichen Leistungen würden überhaupt nicht honoriert. Zudem habe es seit 2008 keine Honoraranpassung mehr an das Gehalt eines Oberarztes (Richtwert derzeit 130.000 Euro) gegeben. Macht also zusammen 5 Milliarden. Nein, mein liebes Tagebuch, das müssen wir jetzt nicht verstehen. Aber klingt doch supergut. Und wenn die Ärzte dann unter großen Klagerufen letztlich die Hälfte bekommen, sind sie fein heraus.

So, und jetzt mal das Ganze auf Apothekerniveau: Apotheker beklagen ein Defizit von 1 Milliarde. (Kommt die Meldung in die Medien? Klar, die schon! Aber wie!) Wie kommt die Summe zustande? Mindestens 30 Prozent der apothekerlichen Leistung wird nicht honoriert. Außerdem hat es bei der letzten Erhöhung eine nur unzureichende Honoraranpassung gegeben. Hinzu kommen eine dringend notwendige Erhöhung der Rezepturpreise (derzeit unter Mindestlohn!), der BtM-Gebühren und eine Anpassung an gestiegene Kosten – macht insgesamt 1 Milliarde. Wir lassen uns dann von der Politik zähneknirschend auf 500 Mio. herunterhandeln – bingo. Mein liebes Tagebuch, Sommerträume sind was Schönes!


Peter Ditzel


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