Review zu Phytopharmaka-Interaktionen

Ist Johanniskraut gefährlich?

14.11.2012, 12:55 Uhr


In einem aktuellen Übersichtsartikel wurde die publizierte Evidenz der Jahre 2000 bis 2010 zum Thema unerwünschter Interaktionen von Phytopharmaka und Nahrungsergänzungsmitteln mit Arzneimitteln systematisch recherchiert und ausgewertet. Obwohl die Arbeit inhaltlich keine neuen Erkenntnisse bietet, rief sie ein breites Echo in der Fach- und Laienpresse hervor.

Von insgesamt 461 identifizierten Referenzen aus vier verschiedenen Datenbanken haben die Autoren 85 Quellen (das heißt nur 18% aller gefundenen Referenzen) als relevant eingestuft und detailliert ausgewertet. Für eine Übersichtsarbeit untypisch ist dabei, dass trotz der ungeheuren Breite der untersuchten Produktpalette im Endeffekt nur 16 Quellen originäre klinische Interaktionsstudien der höchsten Evidenzkategorie waren. Hingegen bildeten für Arzneimittelinteraktionen wenig relevante Tierstudien sowie nicht-kontrollierte Beobachtungsstudien/Fallberichte den Hauptanteil der gesichteten Evidenz.
Die Autoren berichten, dass unter den Phytopharmaka und Nahrungsergänzungsmitteln für Johanniskraut-, Magnesium-, Calcium-, Eisen- und Ginkgo-Präparate am häufigsten Interaktionen mit anderen Arzneimitteln publiziert wurden. Umgekehrt gehören Warfarin, Insulin, Acetylsalicylsäure, Digoxin und Ticlopidin zu den Arzneimitteln, die am häufigsten als Objekte von Interaktionen mit Phytopharmaka und Nahrungsergänzungsmitteln beschrieben wurden. Zusammenfassend kommen die Autoren zu dem Schluss, dass Phytopharmaka grundsätzlich mit einem höheren Interaktionsrisiko mit Arzneimitteln assoziiert sind als diätetische Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamine, Mineralstoffe und Aminosäureprodukte.
In einem Kommentar betont Dr. med. Robert Hermann, dass der Review vor allem darauf hinweist, dass Patienten frei erhältliche pflanzliche Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel grundsätzlich als sicher einschätzen, und kaum ein Bewusstsein hinsichtlich möglicher unerwünschter Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln in der Öffentlichkeit besteht.
Lesen Sie ausführlicher in der aktuellen DAZ:  „Gefährliches Johanniskraut“: Wirbel um Review zu Phytopharmaka-Interaktionen


Dr. Carolina Kusnick