Arzneimittel und Therapie

Nitrosamin-Verunreinigungen in Champix

Pfizer hat den Vertrieb weltweit ausgesetzt

dm | Die Nitrosamin-Verunreinigung N-Nitroso-Vareniclin in dem Vareniclin-haltigen Präparat Champix® hat das Pharmaunternehmen Pfizer veranlasst, weltweit den Vertrieb seines Raucherentwöhnungsmittels auszusetzen. Gegenüber dem UK-Nachrichtenportal „Chemist+Druggist“ bestätigte Pfizer bereits am 18. Juni, dass ab sofort für mehrere Wochen mit Engpässen zu rechnen sei – inzwischen gibt es erste Rückrufe. In Kanada sind Probleme mit Vareniclin schon seit April bekannt. Auch Teva musste in Kanada wegen der Nitrosamin-Problematik sein Vareniclin-Präparat zurückrufen.

Bereits am 6. April 2021 veröffentlichte die kanadische Regierung auf Händlerebene einen Arzneimittel-Chargen-Rückruf von Teva Canada Ltd. zu „Teva-Varenicline“. Als Grund wurde die Verunreinigung N-Nitroso-Vareniclin genannt. Am 8. Juni folgte ein entsprechender Rückruf von Pfizer Canada ULC zu seinem Vareniclin-Präparat Champix®. Betroffen waren sowohl Chargen der Tabletten mit der 0,5-mg- als auch mit der 1-mg-Dosierung. Der Grund auch dort: „Vorhandensein der Verunreinigung N-Nitroso-Vareniclin oberhalb der zulässigen Konzentrationsgrenze in der betroffenen Charge.“ Am 18. Juni berichtete schließlich das UK-Nachrichtenportal „Chemist+Druggist“, dass Pfizers Arzneimittel zur Raucherentwöhung Champix® für mehrere Wochen nicht mehr ausgeliefert werden könne. Es gebe eine Lieferunterbrechung, die „mehrere Wochen“ andauern wird – was wiederum „mit sofortiger Wirkung zu Engpässen führen“ werde. Das habe ein Pfizer-Sprecher „Chemist+Druggist“ mitgeteilt.

Foto: imago images/suedraumfoto

Vareniclin wirkt als partieller Nicotin-Agonist und steigert die Dopamin-Ausschüttung im Gehirn.

Weltweite Pause aus Vorsicht, Tests laufen

Auf Anfrage der DAZ teilte die Pfizer Deutschland GmbH nun mit: „Nach Anfragen verschiedener Aufsichtsbehörden haben Hersteller in der gesamten pharmazeutischen Industrie – ­einschließlich Pfizer – das Risiko für das Vorkommen oder die Bildung bestimmter chemischer Fremdstoffe, sogenannter Nitrosamine, in pharmazeutischen Produkten untersucht. […] Im Rahmen der Bewertung durch Pfizer wird eine Reihe von Chargen von Champix® (Vareniclin) zurückgerufen, bei denen N-Nitroso-Vareniclin oberhalb der von Pfizer akzeptierten Tagesdosis festgestellt wurden.“ Aus Vorsichtsgründen, heißt es weiter, pausiere Pfizer auch den weltweiten Vertrieb des Präparates zur Rauchentwöhnung. Dies gelte, bis weitere Tests durchgeführt wurden, an denen Pfizer intensiv arbeite. Das Unternehmen ist der Ansicht, dass der Nutzen einer Behandlung mit Vareniclin gegenüber den sehr geringen potenziellen Risiken überwiege, „welche durch die Nitrosamin-Exposition durch Vareniclin zusätzlich zu den anderen Quellen im Laufe des Lebens entstehen“. Zur Situation in Deutschland und Europa nahm Pfizer jedoch keine Stellung.

Mit Lieferengpässen wird gerechnet

Stellungnahme des BfArM zur Vareniclin-Problematik

Die EMA und die europäischen Behörden bewerten derzeit das Vorhandensein einer Nitrosamin-Verunreinigung, N-Nitroso-Vareniclin, in Champix® (Wirkstoff: Vareniclin). Das Medikament wird zur Raucherentwöhnung eingesetzt.

Im Jahr 2018 wurden die Aufsichtsbehörden weltweit erstmals auf Verunreinigungen mit Nitrosaminen in einigen Arzneimitteln aufmerksam. In der EU werden seitdem Maßnahmen ergriffen, die sicherstellen sollen, dass die Unternehmen über geeignete Kontrollstrategien verfügen, um das Vorhandensein von Nitrosamin-Ver­unreinigungen so weit wie möglich zu verhindern oder zu begrenzen und falls erforderlich, ihre Herstellungsprozesse zu verbessern. Diese Maßnahmen haben zur Entdeckung der Nitrosamin-Verunreinigung in Champix® geführt.

Die Firma Pfizer hat in diesem Zusammenhang eigenverantwortlich den Rückruf einiger Chargen des Arzneimittels initiiert. Weitere Chargen werden von der Firma bis zum Abschluss der Untersuchungen vorsorglich nicht freigegeben. Dadurch kann es auf einigen Märkten möglicherweise zu Lieferengpässen kommen. Aufgrund des geringen Marktanteils in Deutschland und verfügbarer Alternativen ist für den deutschen Markt davon auszugehen, dass eine Lieferunfähigkeit von Champix® durch andere Arzneimittel kompensiert werden kann.

Die EMA wird auf ihrer Website Ratschläge für Patienten und medizinisches Fachpersonal bereitstellen. Das BfArM wird diese zeitgleich auf der eigenen Internetseite veröffentlichen. In der Zwischenzeit sollten Patienten ihre Medikamente nicht absetzen, ohne mit ihrem Arzt oder Apotheker Rücksprache zu halten. Das Absetzen kann zu Reizbarkeit, erhöhtem Rauchdrang, Depressionen und Schlaflosigkeit führen. Es ist daher wichtig, eine schrittweise Reduzierung der Dosis entsprechend den Hinweisen in der Produktinformation in Betracht zu ziehen. In der EU sind andere Behandlungen zur Raucherentwöhnung verfügbar. Patienten können diese mit ihrem Arzt oder Apotheker besprechen.

Die EMA und die europäischen Behörden werden weiterhin Arzneimittel in der EU überwachen, um sicherzustellen, dass sie den EU-Qualitätsstandards entsprechen. Das BfArM steht in regelmäßigem Austausch mit der EMA, den EU-Behörden und den Landesüberwachungsbehörden.

Wechsel auf Nicotin-Ersatz­therapie empfohlen

Das britische „National Centre for Smoking Cessation and Training“ (NCSCT), das den NHS bei Programmen zur Raucherentwöhnung unterstützt, hatte bereits am 16. Juni 2021 auf den Champix®-Engpass von Pfizer reagiert – mit der Erstellung eines klinischen Leitfadens und eines FAQ-Dokuments für die Umstellung auf ein anderes Präparat. Zwar wird darauf hingewiesen, dass es kaum Evidenz zur Umstellung von Champix® auf ein anderes Präparat gebe. Zu bedenken ist jedoch, dass aufgrund von Nebenwirkungen unter Champix® immer wieder auf eine Nicotin-Ersatztherapie umgestellt worden ist.

Wer erst jetzt mit der Raucherentwöhnung beginnt, sollte direkt zur Nicotin-Ersatztherapie oder Bupropion greifen, auch E-Zigaretten (Vaping) werden als Option genannt. Unter aktueller Vareniclin-Therapie wird eine kombinierte Nicotin-Ersatztherapie empfohlen – bestehend aus Nicotin-Pflastern mit einem schnell wirkenden Produkt wie einer Lutschtablette, einem Nasenspray oder einem Mundspray empfohlen.

Erst kürzlich wurde in Deutschland die Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“ aktualisiert. Dort wird unter „Arzneimittel zur Entzugsbehandlung und Rückfallprophylaxe (z. B. Nicotin-Ersatztherapie, Bupropion, Vareniclin, andere Antidepressiva und nicht zu berücksichtigende Stoffgruppen)“ die Nicotin-Ersatztherapie mit dem Empfehlungsgrad A gelistet. Auch das Antidepressivum Bupropion wird mit dem Empfehlungsgrad A zur Tabakentwöhnung angeboten. Die gleiche Empfehlung gilt für Vareniclin. Ein Wechsel auf ein Generikum stellt keine Option dar, da weder in Großbritannien noch in Deutschland Generika erhältlich sind.

Nitrosamin-Krise seit 2018

Erst am 7. Januar 2021 hatte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Deutschland das vorläufige Ruhen aller Zulassungen von Ranitidin-haltigen Arzneimitteln bis zum 2. Januar 2023 angeordnet. Hintergrund waren auch dort Nitrosamin-­Verunreinigungen – die weltweite Nitrosamin-Krise hatte im Sommer 2018 mit dem Blutdrucksenker Valsartan ihren Anfang angenommen. Der Vareniclin-Fall wird derzeit von der EMA und den europäischen Behörden überprüft (s. Kasten „Mit Liefereng­pässen wird gerechnet“). In Deutschland gibt es bereits einen ersten Champix®-Rückruf durch EurimPharm. |

Literatur bei der Redaktion

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