Recht

Sonderkündigungsschutz im Mietrecht

COVID-19-Pandemie: Was Apotheker bei der Aussetzung von Mietzahlungen beachten sollten

Viele Apotheken insbesondere in Innenstadtlagen oder Centern leiden infolge der Corona-Krise unter dem Ausbleiben der Laufkundschaft. Hohe Mietkosten können dazu beitragen, dass diese Betriebe in existenzielle Nöte geraten. Unter bestimmten Voraussetzungen ist es möglich, die fälligen Mietzahlungen vorübergehend nicht zu leisten, ohne eine Kündigung des Mietverhältnisses zu riskieren.

Der Gesetzgeber hat am 27. März 2020 das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht verabschiedet, das Gesetz trat am 1. April in Kraft. Damit wurden in Art. 240 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) zeitlich befristet Regelungen eingeführt, die u. a. die Verweigerung von Leistungen aufgrund der Corona-Pandemie beinhalten.

Artikel 240 § 1 EGBGB regelt ein echtes Leistungsverweigerungsrecht für Verbraucher und Kleinstunternehmen bei Dauerschuld­verhältnissen unter bestimmten Voraussetzungen. Ausgenommen davon sind in § 1 Abs. 4 u. a. ausdrücklich Miet- und Pachtverträge. Will der Apotheker, der z. B. seine Apotheke in einem Einkaufs­center betreibt, das aufgrund der Pandemie geschlossen wurde, die Mietzahlung kürzen oder ganz verweigern, muss er dazu auf die allgemeinen schuldrechtlichen Regeln – Mietminderung oder Anpassung des Vertrages wegen äußerer Umstände – zurückgreifen. Dabei sind zunächst die Regelungen des Mietvertrages und dann jeder Einzelfall daraufhin zu prüfen, wie sich die Lasten des mit den Schließungen verbundenen Ge­meinrisikos zwischen Vermieter und Mieter verteilen. Hier ist dringend angeraten, mit dem Vermieter zunächst eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Kausaler Zusammenhang mit Pandemie ist zu begründen

Hingegen gewährt Art. 240 § 2 EGBGB bei Miet- und Pachtverhältnissen „nur“ einen Sonderkündigungsschutz. Das bedeutet: Der Vermieter kann ein Mietverhältnis nicht kündigen, weil der Mieter im Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht.

Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn eine Apotheke infolge von COVID-19-Erkrankungen geschlossen wurde oder wenn etwa in einem Center keine Kunden kommen, da die umliegenden Geschäfte gar nicht geöffnet haben bzw. nach der Wiedereröffnung nur wenig frequentiert sind.

Dabei muss tatsächlich ein kausaler Zusammenhang zwischen der Nichtleistung und der Pandemie bestehen und der Mieter muss diesen glaubhaft machen. Ein solcher Zusammenhang könnte z. B. vorliegen, wenn staatliche Hilfen gewährt werden (Kurzarbeitergeld) oder behördliche Verfügungen vorliegen. Die Anforderungen sollten nicht allzu hoch sein, allerdings besteht hier auch eine gewisse Rechtsunsicherheit, wie der kau­sale Zusammenhang beschaffen sein muss.

Ist eine Kaution hinterlegt, stellt sich die Frage, ob der Vermieter darauf zurückgreifen kann. Während des laufenden Mietverhältnisses kann er das u. U. nur dann, wenn die Forderung unstreitig oder rechtskräftig festgestellt ist. Betrachtet man die wegen Art. 240 § 2 EGBGB (zunächst) ausgefallene Forderung als unstreitig, könnte sich der Vermieter aus der Kaution bedienen. Eine vertragliche Pflicht zur Auffüllung der Kaution für den Mieter dürfte aber nicht greifen, weil dadurch der Sinn und Zweck des Sonderkündigungsschutzes ausgehöhlt würde. Grundsätzlich bleibt auch das Vermieterpfandrecht bestehen, wonach der Vermieter sich bei ausgefallenen Forderungen z. B. an dem eingebrachten Mobiliar befriedigen darf. Allerdings wird man auch hier entgegnen können, dass der Sonderkündigungsschutz damit ins Leere laufen würde. Dabei ist rechtlich ebenfalls noch einiges unklar.

Tilgungsbestimmung schützt vor Kündigung

Der Sonderkündigungsschutz gilt bis zum 30. Juni 2022. Das bedeutet, dass der Mieter bis dahin Zeit hat, die Miete nachzuzahlen. Da aber grundsätzlich die Mietzahlungspflicht weiter bestand, laufen auch Sekundäransprüche wie z. B. Zinsen weiter. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn die Mietzahlung erneut aufgenommen wird: Leistet der Apotheker z. B. die Miete ab Juli 2020 wieder, so sollte er in einer Tilgungsbestimmung erklären, für welchen Monat die Zahlung bestimmt ist. Ansonsten würde diese nach § 366 Abs. 2 BGB zunächst auf die ausgesetzten Mietzahlungen angerechnet. Das würde wiederum bedeuten, dass die Miete ab Juli 2020 offenbliebe – mit allen mietrechtlichen Konsequenzen, da der Sonderkündigungsschutz nur für ausbleibende Zahlungen bis 30. Juni 2020 gilt.

Der Sonderkündigungsschutz kann nach Art. 240 § 4 durch die Bundesregierung bis zum 30. September verlängert werden. Ob man von der Regelung Gebrauch machen möchte, sollte im Einzelfall auch wegen der offenen rechtlichen Fragen gut überlegt sein. Auf jeden Fall ist ein abgestimmtes Vorgehen mit dem Vermieter anzustreben. |

Rechtsanwalt Dr. Markus Rohner, Sozietät Witte Rohner Zur Mühlen/RST Beratungsgruppe, Essen

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