Arzneimittel und Therapie

Evidenzbasiert gegen weißen Hautkrebs

Erste S3-Leitlinie zur aktinischen Keratose und zum Plattenepithelkarzinom veröffentlicht

Seit Kurzem liegt die erste S3-Leit­linie zur aktinischen Keratose und zum Plattenepithelkarzinom der Haut vor. Für den pharmazeutischen Alltag sind die medikamentösen Optionen von besonderem Interesse, da bei der Abgabe der häufig eingesetzten Topika eine ausführliche Beratung unabdingbar ist.

Bei der aktinischen Keratose handelt es sich um eine präkanzerogene Läsion der menschlichen Haut, bei der sich atypische Keratinozyten abnormal vermehren. Sie ist eine Vorstufe des Plattenepithelkarzinoms und tritt hauptsächlich bei hellhäutigen Personen an sogenannten Lichtterrassen auf, also an Stellen mit hoher Sonnen­exposition. Das kutane Plattenepithelkarzinom („weißer Hautkrebs“) wird den nicht melanozytären Hauttumoren zugeordnet.

Steigende Inzidenz

In den vergangenen Jahrzehnten wurde ein starker Anstieg an aktinischen Keratosen und Plattenepithelkarzinomen registriert. In Deutschland beträgt die altersstandardisierte Inzidenzrate für das Plattenepithelkarzinom je nach Region zwischen 20 und 32 pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Das Auftreten der prämalignen Vorstufe, der aktinischen Keratose, ist um ein Vielfaches häufiger. Beide Erkrankungen treten vornehmlich in der zweiten Lebenshälfte auf. Schätzungen zufolge befinden sich derzeit etwa 1,7 Millionen Menschen aufgrund einer aktinischen Keratose in dermatologischer Behandlung. Die Zahl der Erkrankten ist jedoch wesentlich höher und wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Wichtige Ursachen für den steilen Anstieg dieser Haut­tumore sind eine chronische UV-Exposition, insbesondere UV-B, und der demo­grafische Wandel mit einem höhe­ren Anteil älterer Menschen. Weitere Risikofaktoren für die Entwicklung einer aktinischen Keratose und eines Plattenepithelkarzinoms sind neben einer hellen Haut das Vorliegen einer Immunsuppression beispielsweise bei HIV-Patienten, Organtransplantierten oder Patienten mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen. Derzeit sind keine sicheren prognostischen Parameter bekannt, anhand derer die Wahrscheinlichkeit für einen Übergang von einer aktinischen Keratose zu einem Plattenepithelkarzinom abgeschätzt werden könnte.

Foto: sculpies – stock.adobe.com

Menschen, die viel im Freien arbeiten, sind besonders gefährdet, eine aktinische Keratose zu entwickeln.

Therapie: ablativ oder topisch

Zur Therapie einer aktinischen Keratose gibt es mehrere Möglichkeiten. Welche Option die beste ist, lässt sich nur schwer sagen, da es kaum direkte Vergleichsstudien gibt. So hängt die Entscheidung für eine bestimmte Behandlung von patienten-, läsions- und therapiespezifischen Faktoren ab. Man unterscheidet zwischen ablativen („abtragenden“) Verfahren und der topischen Anwendung von Arzneimitteln. Zu den ablativen Methoden zählt man die Kryotherapie, chirurgische Verfahren, chemische Peelings, Dermabrasio und die Lasertherapie. Eine Übersicht der topischen medikamentösen Optionen ist in der Tabelle dargestellt. Bei der Abgabe in der Apotheke ist eine ausführliche Beratung erforderlich, insbesondere was die Dauer der Behandlung, die aufzutragende Menge und die zu behandelnde Fläche anbelangt.

Die Therapie eines Plattenepithelkarzinoms erfolgt standardmäßig durch Exzision mit histologischer Kontrolle. Zum Nutzen einer systemischen Therapie beim metastasierten Plattenepithelkarzinom liegen keine kontrollierten Studien vor.

Tab.: Topische medikamentöse Therapiemöglichkeiten einer aktinischen Keratose (nach [1])
Arzneimittel
Art der Intervention
Ansatz
Applikation
Dauer der Behandlung1
Effek-­tivität2
Verträg­lichkeit3
kosmetisches Ergebnis4
Diclofenac-Natrium 3% in Hyaluronsäure 2,5% Gel
(Solaraze®, Solacutan®)
Cyclooxy­genase-2-­Hemmer
F
2 × täglich über 60 bis 90 Tage;
max. 8 g/Tag für bis zu 200 cm²
+++
++
+++/++++
+/+++
5-Fluorouracil 5% Creme
(Efudix®)
Zytostatikum
F
2 × täglich über max. 4 Wochen;
max. 500 cm² (ca. 23 × 23 cm)
++
+++/++++
+++
++/++++
5-Fluorouracil 0,5% mit Salicylsäure 10% in Lösung
(Actikerall®)
Zytostatikum und Keratolytikum
L (+F)
1 × täglich, bis die Läsionen vollständig abgeheilt sind, oder bis zu maximal 12 Wochen; Gesamtfläche max. 25 cm²
+++
+++
+++
+++
Ingenol-mebutat-Gel
(Picato®)
Gartenwolfsmilch-Extrakt (zytotoxisch)
F
0,015% (Gesicht und Kapillitium): 1 × täglich an 3 aufeinanderfolgenden Tagen;
0,050% (Stamm, Extremitäten): 1 × täglich an 2 aufeinander­folgenden Tagen
+
+++
++/+++
++
Imiquimod 3,75% Creme
(Zyclara®)
Toll-like-­Rezeptor-7-Agonist
F
1 × täglich über 2 Wochen, 2 Wochen Pause, 1 × täglich über 2 Wochen (Intervalltherapie);
pro Anwendung bis zu 2 Beutel mit je 250 mg Imiquimod-Creme pro Beutel
++
+++
+++
+++
Imiquimod 5% Creme
(Aldara®)
Toll-like-­Rezeptor-7-Agonist
F (+L)
3 × wöchentlich über 4 Wochen;
empfohlene Maximaldosis ist der Inhalt eines Beutels
++
+++
+++
+++
ALA-PDT
(Ameluz®, ­Alacare®)
Vorstufe von Protoporphyrin (Photosensibilisator)
F, L
Auftragen von ALA, Lichtschutzverband für 3 h bzw. Pflaster für 4 h, Beleuchtung mit Rotlicht für ca. 10 bis 20 min, ggf. Wdh. nach 4 bis 12 Wochen;
max. 6 Pflaster (= 4 cm²)
+
+++/++++
++
+++/++++
MAL-PDT
(Metvix®)
Vorstufe von Protoporphyrin (Photosensibilisator)
F, L
Auftragen von MAL, Lichtschutz- und Okklusivverband für 3 h, Beleuchtung mit Rotlicht für ca. 10 bis 20 min, ggf. Wdh. nach 4 bis 12 Wochen
+
+++/++++
++
+++/++++
DL-MAL-PDT
(Luxerm®, Metvix®)
Vorstufe von Protoporphyrin (Photosensibilisator)
F, L
Auftragen von MAL und chemischem Lichtschutzfilter, Exposition an Sonnenlicht für 2 h; Bedingungen: > 10°C Außentemperatur, wolkenloser bis bedeck­ter Himmel, kein Regen
+
+++
+++/++++
+++

1: + = kurz (< 1 Woche), ++ = mittel (1 bis 6 Wochen), +++ = lang (> 6 Wochen)

2: + = wenig effektiv, ++ = mäßig effektiv, +++ = effektiv, ++++ = sehr effektiv

3: + = schlecht verträglich, ++ = mäßig verträglich, +++ = gut verträglich, ++++ = sehr gut verträglich

4: + = überwiegend schlecht, ++ = überwiegend moderat, +++ = überwiegend gut, ++++ = überwiegend exzellent

ALA = 5-Aminolävulinsäure; DL = Tageslicht (day light); F = feldgerichtet: Hautareal mit mehreren aktinischen Keratosen umgeben von sichtbaren UV-bedingten Hautschäden („Krebsfeld“); L = läsionsgerichtet; MAL = 5-Methylaminolävulinsäure; PDT = photodynamische Therapie

Als Berufskrankheit anerkannt

Die Beobachtung, dass Patienten mit beruflich bedingter natürlicher UV-Exposition („outdoor worker“) signifikant häufiger an einer aktinischen Kera­tose erkranken als Beschäftigte in Innenräumen, führte zur Anerkennung der aktinischen Keratose als Berufs­krankheit. 2015 wurden sowohl die durch natürliche UV-Strahlung hervorgerufene aktinische Keratose wie auch das Plattenepithelkarzinom in die neue Berufskrankheitenverordnung (BKV) aufgenommen. Ferner sind Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen durch Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthrazen, Pech oder ähnliche Stoffe als potenzielle Verursacher eines Plattenepithelkarzinoms in der Liste der BKV aufgeführt. |

Beteiligte Fachgesellschaften

Mit der S3-Leitlinie „Aktinische Keratosen und Plattenepithelkarzinom der Haut“ wurde eine evidenzbasierte Entscheidungshilfe zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge dieser Hauttumoren erarbeitet, um Therapieentscheidungen zu erleichtern und langfristig die Versorgung der Betroffenen zu verbessern. Herausgeber dieser Leitlinie ist das Leitlinienprogramm Onkologie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF), der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. (DKG) und der Deutschen Krebshilfe (DKH). Federführende Fachgesellschaften sind die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) und die DKG vertreten durch die Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO). Die Gültigkeitsdauer der Leitlinie wird auf fünf Jahre geschätzt.

Literatur

Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinom der Haut. Langversion 1.0; 2019. AWMF Registernummer: 032/022OL

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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