Arzneimittel und Therapie

Aktinische Keratosen als carcinoma in situ nicht unterschätzen

Nicht-melanozytäre Hauttumoren zählen heute zu den häufigsten Krebsneuerkrankungen. Ihre präsentesten Formen – Basalzelkarzinome, Plattenepithelkarzinome und aktinische Keratosen – sind unter dem Begriff heller Hautkrebs zusammengefasst. Lange Zeit als so genannte Präkanzerosen nicht zwingend behandelt sind aktinische Keratosen mittlerweile als Frühformen des Plattenepithelkarzinoms klassifiziert. Daraus ergibt sich die dringende Indikation eines schnellen Einschreitens, was durch neue, nicht-invasive diagnostische und therapeutische Verfahren ermöglicht wird.
"Sonnenterrassen" schützen! Gerade bei hell­häutigen Menschen, die sich in Freizeit oder Beruf vermehrt der Sonne aussetzen, tritt heller Hautkrebs häufiger auf. Entsprechende Läsionen sind dabei bevorzugt an den "Sonnenterrassen" des Körpers, wie Stirn, Nase, Lippen, Dekolleté, Unterarmen, Händen und unbehaarter Kopfhaut, lokalisiert. Foto: Diana Mastepanova - Fotolia.com

Mit steigender Tendenz erkranken in Deutschland jedes Jahr rund 300.000 Menschen an hellem Hautkrebs. Besonders häufig tritt dabei die als "raue Lichtschwiele" bezeichnete aktinische Keratose (aktinisch = durch UV-Strahlen bewirkt, Keratose = Verhornung) als Marker für lichtgeschädigte Haut auf. Je nach Region variiert deren Prävalenz (z. B. 45% der über 40-Jährigen in Australien; 15% Männer und 6% Frauen in Großbritannien). In Deutschland sind etwa vier bis sechs Millionen Menschen an aktinischer Keratose erkrankt; für Europa liegen die Schätzungen bei 20 bis 25% aller Einwohner über 60 Jahren. Aus ca. 10% der Fälle entwickelt sich innerhalb von 24 Monaten ein invasives, zum Teil metastasierendes Plattenepithelkarzinom, weshalb aktinische Keratosen die Bezeichnung carcinoma in situ tragen.

UV-Strahlung als Kanzerogen

Hauptrisikofaktor für aktinische Keratosen ist eine hohe Belastung durch natürliche und künstliche UV-Strahlung – daher auch der Begriff "solare Keratose". In erster Linie bewirkt der UV-B-Anteil die Bildung von Pyrimidin-Dimeren in DNA und RNA, woraus sich Mutationen in den Keratinozyten ergeben. Vor allem das Telomerasegen und Tumorsuppressorgen p53 sind von malignen Veränderungen betroffen. Gerade bei hellhäutigen Menschen mit Pigmentierungstyp I und II, die sich in Freizeit oder Beruf (z. B. "outdoor"-Berufe wie Landwirte, Seeleute, Maurer, Dachdecker) vermehrt der Sonne aussetzen, tritt heller Hautkrebs häufiger auf. Entsprechende Läsionen sind dabei bevorzugt an den "Sonnenterrassen" des Körpers, wie Stirn, Nase, Lippen, Dekolleté, Unterarmen, Händen und unbehaarter Kopfhaut, lokalisiert. Desweiteren wird eine Infektion mit humanen Papillomaviren (HPV) als pathogenetischer Faktor für aktinische Keratosen diskutiert. HPV lassen sich in einer großen Zahl der nicht-melanozytären Hauttumoren und ihren Frühformen nachweisen. Hinzu kommt das steigende Lebensalter – aktinische Keratosen entstehen sehr langsam über mehrere Jahrzehnte. Betroffen sind daher überwiegend Menschen ab dem 50. Lebensjahr.

Immunabwehr sinkt, Hautkrebsrisiko steigt

Eine besondere Gefahr der Entwicklung von Hauttumoren zeigt sich für immunsupprimierte Patienten (z. B. nach Organtransplantationen, bei HIV-Infektionen oder der Einnahme von Immunsuppressiva). Hier schreitet die Bildung aktinischer Keratosen innerhalb eines relativ kurzen Zeitfensters von zwei bis drei Jahren rasant vorwärts. Schätzungsweise 45% der Malignome bei Organtransplantierten sind Hauttumoren. Unbehandelt entwickeln sich bei ca. 30% der immunsuppressiven Patienten mit aktinischen Keratosen im weiteren Verlauf invasive Plattenepithelkarzinome, die häufiger und früher metastasieren. Nicht-melanozytärer Hautkrebs ist die häufigste Todesursache nach Nieren- und Herztransplantationen, woraus sich eine unbedingte Indikation für die Therapie aktinischer Keratosen ergibt.

Läsionen kein Einzelfall

Klinisch äußert sich die auf die Epidermis beschränkte Proliferation der transformierten Keratinozyten als raue, schuppende kreisförmige Flecken, Papeln oder Plaques mit hautfarbenem bis rötlich oder rötlich-braunem Erscheinungsbild. Ihre Größe kann von einem Millimeter bis zu etwa zwei Zentimetern variieren, wobei sie anfangs durch ihre Ähnlichkeit mit Alterspigmenten von Patienten häufig unbeachtet bleiben. Aktinische Keratosen treten nicht selten in mehreren Subtypen (AK I-III) gemeinsam mit invasiven Plattenepithelkarzinomen flächendeckend auf, weshalb diese Krebsfelder auf exponierten Arealen auch als Feldkanzerisierung bezeichnet werden.

Bevorzugte Lokalisation aktinischer Keratosen bei Frauen bzw. Männern
LokalisationHäufigkeit in Prozent
 FrauenMänner
Unterarme3948
Gesicht 
oder Stirn
3219
Nacken0,56,4
Ohren1,22,8
Quelle: Wissenschaftliche Basisinformation, Firma Almirall

Genaue Unterscheidung

Aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes ist eine aktinische Keratose zwar gut identifizierbar, doch erfordert ihr relativ diskretes Erscheinungsbild gerade im Anfangsstadium eine breite Differenzialdiagnostik. So kann ein knotiges Wachstum auf bereits vorhandene maligne Tumoren (Plattenepithel- oder Basalzellkarzinom) hinweisen, während symmetrisch angeordnete Läsionen (aktinische Keratose nicht symmetrisch) vorrangig bei Rosazea, Akne oder Psoriasis zu finden sind. Zudem erschweren vorliegende Hyperkeratosen und stark verhornte aktinische Keratosen die genaue Identifizierung. In Zweifelsfällen muss eine histopathologische Abklärung erfolgen. Auch über Dermatoskopie lassen sich aktinische Keratosen von anderen Hauterkrankungen abgrenzen. Als neues diagnostisches nicht-invasives Verfahren wird in einigen Kliniken bereits die digital-konfokale Laser-Scanning-Mikroskopie angewendet. Sie ermöglicht eine hochauflösende Untersuchung der Hautmorphologie auf zellulärer und subzellulärer Ebene.

Direkter Eingriff nötig

Abhängig vom Krankheitsbild stehen für die Therapie aktinischer Keratosen physikalische und medikamentöse Optionen zur Verfügung. Bei der Wahl der Methoden spielen Behandlungsdauer, Lokalisation, Ausdehnung der Hautläsionen und ihr Verlauf ebenso eine Rolle wie Alter, Leidensdruck, Compliance und konstitutioneller Zustand des Patienten. Die zu den invasiven Verfahren gehörende Kürettage (mechanische Abtragung der Hautläsionen, geeignet bei hyperkeratotischen Veränderungen) und die Kryotherapie (lokale Kälteanwendung, Gefriertechnik) gelten als Standardtherapien. Exzisionen (chirurgisches Entfernen des betroffenen Gewebes), Laseranwendungen, Röntgen-Weichstrahltherapie (nicht bei Immunsupprimierten) und chemisches Peeling sind in Einzelfällen ebenfalls indiziert.

Therapien gehen nicht-invasiv unter die Haut

Basierend auf den Erkenntnissen zur oben genannten Feldkanzerisierung sind für die Behandlung der großflächig auftretenden aktinischen Keratosen invasive Methoden weniger geeignet. Hier bieten sich moderne, topische und somit nicht invasive Verfahren an.

Photodynamische Therapie (PDT): Form der Photochemotherapie, bei der eine photosensibilisierende Substanz (z. B. Methyl-Aminolävulinsäure, Metvix®) lokal aufgetragen wird, die sich bevorzugt in den Tumorzellen anreichert. Unter Bestrahlung mit rotem Licht (630 nm) entstehen reaktive Sauerstoffradikale, die Tumorzellen werden zerstört unter relativer Schonung des umliegenden Gewebes. Die Behandlung hat Nebenwirkungen wie Schmerzen, Ödeme, Krusten oder Pusteln und ist kostenintensiv.

Pharmakotherapien

5-Fuorouracil (Efudix®), ein Pyrimidinanalogon, hemmt die Synthese der Pyrimidinnukleotide bei der Synthese der DNA. Der Einsatz als 5%ige Salbe hat sich bei der Behandlung aktinischer Keratosen etabliert, sie wird zweimal täglich über einen Zeitraum von zwei bis vier Wochen auf die betroffene Haut aufgetragen. Die Behandlung ist häufig von Hautentzündungen mit Juckreiz, Brennen und Schmerzen begleitet.

Imiquimod (Aldara®) gehört zur Gruppe sogenannter Immune Response Modifier. Es bewirkt nach Rezeptorbindung eine Aktivierung von Zytokinen und TNF-alpha mit spezifischer Steigerung der lokalen Immunabwehr. Die Substanz wird in 5%iger Konzentration dreimal täglich als Creme aufgetragen, entweder über zweimal acht Wochen oder bis die aktinische Keratose abgeheilt ist. Neben Rötungen, Juckreiz, Schmerzen, Brennen werden auch systemische Nebenwirkungen, wie Gelenk-, Muskel- und Kopfschmerzen, beobachtet.

Diclofenac-Hyaluronsäure (Solaraze®): Als Arylsäurederivat hemmt Diclofenac sowohl Cyclooxygenase (COX) 1 als auch 2. Untersuchungen zeigen, dass COX 2 durch Verstärkung der Zellproliferation und Gefäßneubildung sowie Verminderung des programmierten Zelltods (Apoptose) wesentliche Prozesse der Karzinogese fördert. Diclofenac reduziert nachweislich die Gefäßneubildung in den Arealen der aktinischen Keratose und induziert eine spezifische Apoptose. Durch Hyaluronsäure wird die Bioverfügbarkeit von Diclofenac erhöht. Es wird als Gel (3% Diclofenac-Natrium in 2,5% Hyaluronsäure) zweimal täglich über 90 Tage aufgetragen und ist relativ gut verträglich mit nur leichter Erythem- und Schuppenbildung. Das Gel ist auch für organtransplantierte Patienten geeignet, da keine Wirkungen auf systemische Immunität oder das Transplantat bekannt sind.

Die topischen Therapieverfahren zeigen in Studien ähnliche Abheilungsraten (zwischen 70 und 90%), sowie vergleichbare Rezidive nach einem Jahr (10 bis 20%) und sind zur Behandlung aktinischer Keratosen zugelassen.

Sonne vernünftig dosieren

Aktinische Keratosen sind das Resultat einer chronisch lichtgeschädigten Haut. Deshalb ist das A und O der Hautkrebsprophylaxe der vorsichtige Umgang mit UV-Strahlung. Konsequenter Lichtschutz heißt deshalb:

  • zwischen 11 bis 15 Uhr raus aus der Sonne,
  • künstliches UV-Licht (Sonnenstudios) meiden,
  • sonnenlichtundurchlässige Kleidung und Kopfbedeckungen tragen,
  • Anwendung hochwirksamer Sonnencremes mit UVA- und UVB-Schutz in geeigneter Dosierung, vor allem für helle Hauttypen und immunsuppressive Patienten.

Aufgrund der dramatischen Zunahme von Hautkrebs wurde zum 1. Juli 2008 das Hautkrebsscreening alle zwei Jahre für Personen ab dem 35. Lebensjahr als Regelleistung der Krankenkassen eingeführt. Die regelmäßige Selbstkontrolle der Haut sei darüberhinaus für jeden empfohlen.

 

Quelle

 Prof. Dr. med. E. Stockfleth, Berlin; Prof. Dr. med. R. Gutzmer, Hannover: Vorträge auf der 13. Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie, 30. März bis 1. April 2009, Heidelberg. 

Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) "Aktinische Keratose".

 Wissenschaftliche Beratungsinformation "Therapie aktinischer Keratosen", Almirall Hermal GmbH, Reinbek.

 

 

Apothekerin Franziska Wartenberg

 

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