Versandhandel

„Usability“ ersetzt nicht die Beratung

Interview mit Dr. Michael Kuck und Prof. Andreas Kaapke zur Versandhandelsstudie

eda | In DAZ Nr. 25 wurde die von Noweda beauftragte Studie zum Versandhandel mit Arzneimitteln vorgestellt. In der letzten Ausgabe haben wir vier der 100 Testpersonen zu Wort kommen lassen und deren persönliche Eindrücke von Versandapotheken präsentiert. Nun werden Dr. Michael Kuck, Vorstandsvorsitzender der Apothekergenossenschaft Noweda, sowie Prof. Andreas Kaapke, der die Studie im Auftrag durchführte, erläutern, welche Konsequenzen sie von der Politik erwarten.
Foto: DAZ/diz
Dr. Michael Kuck, Vorstandsvorsitzender der Apothekergenossenschaft Noweda, und Prof. Dr. Andreas Kaapke von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) im Gespräch mit DAZ-Chefredakteur Dr. Armin Edalat (v.r.)

DAZ: Seit 15 Jahren ist in Deutschland der Versandhandel mit Arzneimitteln erlaubt. Herr Dr. Kuck, in der von Noweda beauftragten Studie hat Prof. Kaapke Projekte die Branche der Versender systematisch unter die Lupe genommen. Müssten Ihrer Meinung nach nicht eigentlich staatliche Einrichtungen diesen Distributionsweg im Interesse der Allgemeinheit regel­mäßig evaluieren und intensiver überwachen?

Kuck: Ein ganz klares Ja. Es ist schon erstaunlich, dass der Versandhandel vor allem bei der Arzneimittelsicherheit nach wie vor weitreichende Privilegien genießt. Beispielsweise werden in Tests immer wieder Mängel bei der Belieferung festgestellt. Auch in der von uns beauftragten Studie kam es vor, dass Pakete mit Arzneimitteln ohne Zustimmung an andere Personen als den Besteller ausgehändigt oder ganz einfach irgendwo abgestellt wurden. Offensichtlich interessieren diese Mängel aber niemanden, sonst würden sie ja abgestellt. Behörden tun sich anscheinend allgemein sehr schwer damit, Internetaktivitäten im Arzneimittelbereich angemessen zu überwachen und zu kontrollieren. Das sieht man auch an den Datenschutzverstößen bei dem Verkauf von Medikamenten auf Amazon oder an den immer wiederkehrenden illegalen Arzneimittelangeboten auf Ebay. Mir sind keine besonderen Aktivitäten der Behörden bekannt, hier im Interesse der Patienten endlich einen Riegel vorzuschieben.

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DAZ: Rund Hundert Studierende des dritten Semesters der Dualen Hochschule Baden-Württemberg waren die Versuchspersonen, die die Testbestellungen durchführten. Das ist ja durchaus eine sehr internetaffine Bevölkerungsgruppe. Herr Prof. Kaapke, welche Rückmeldungen kamen denn von den „Digital Natives“ bezüglich der Online-Bestellung von Arzneimitteln? Haben die jungen Leute deutliche Unterschiede feststellen können im Vergleich zum Einkauf anderer Konsumgüter?

Kaapke: Die Auswahl der Studierenden hatte mehrere Gründe. Mit der Studie konnten wir die in der parallel laufenden Vorlesung zur Marktforschung erlernten Inhalte gleich in der konkreten Praxis testen. Und zum Zweiten drängen sich junge Leute als Besteller auf, da sie einerseits in der Regel keine intensiven Apothekenerfahrungen und damit etablierte Präferenzen haben, andererseits aber viele Dinge im Netz kaufen. Die Meldungen waren in der Tat sehr heterogen. Einige Studierende waren mit der Bestellung ganz zufrieden und haben wenig Unterschiede zu anderen Käufen im Internet festgestellt, andere waren nahezu schockiert. So hat ein Studierender auf einen Kinderhustensaft sechs Tage gewartet und konstatierte, wenn er diesen nun tatsächlich gebraucht hätte, wäre er aufgeschmissen und wäre dann nach einem Tag in eine Apotheke gegangen.

DAZ: Glauben Sie, dass sich die Studienergebnisse unterscheiden, wenn man die Bestellungen mit Personen aus anderen Altersgruppen durchführen würde?

Kaapke: Nein, auch innerhalb der Studierenden gibt es ja große Unterschiede, was die Erwartungen anbetrifft. Doch die jungen Leute wissen, was sie von Online-Händlern erwarten dürfen, von daher sind sie die bestmögliche Gruppe an Testpersonen. Alle anderen Gruppen hätten die gleichen Ergebnisse zu Tage gefördert. Nur in den Punkten, in denen wir eine subjektive Be­urteilung abgefragt haben, könnte es zu Unterschieden kommen.

Kuck: An dem Versuchsaufbau von Prof. Kaapke Projekte war für uns in der Tat besonders interessant, dass die Tests von einer Altersgruppe durchgeführt wurden, die mit dem Internet aufgewachsen ist. Junge Menschen stehen zudem im besonderen Fokus einiger Versandhändler, wie die letzte Werbekampagne von DocMorris zeigt. Da wurden unter anderem sogenannte Influencer eingespannt, die in Blogs und Social Media Meinung machen. Das zielt ganz klar auf einen jüngeren Personenkreis. Trotzdem zeigen die Studienergebnisse, dass sogar Angehörige dieses jüngeren Personenkreises teilweise Probleme bei der Nutzung der Versandhandelsangebote hatten, zum Beispiel bei der Wahrnehmung der Aufforderung, freiwillige Angaben zur Medikation zu machen. Aus meiner Sicht liegt es nahe, dass ältere Menschen, die nicht so internetaffin sind, in diesen Fällen erst recht Schwierigkeiten haben könnten. Das ist natürlich problematisch, weil gerade diese Personengruppe häufiger Medikamente benötigt bzw. einnimmt.

DAZ: Fassen Sie bitte noch einmal kurz das Studiendesign zusammen. Wie setzen sich die 400 Testbestellungen zusammen? Was genau wurde geprüft?

Kaapke: Wir haben uns sehr viele Gedanken zur Test­anordnung gemacht. Zum einen sollten typische Bestellungen abgewickelt werden, zum anderen aber eben auch solche Bestellungen, bei denen besondere Anforderungen an die Abgabe von Arzneimitteln bestehen. Hier wurden Fälle ausgewählt, die diese Bandbreite abdecken. Im ­Übrigen muss nochmals darauf hingewiesen werden, dass die Anzahl von fast 400 Fällen einzigartig ist und die Ergebnisse alleine vor diesem Hintergrund nicht bagatellisiert werden können.

DAZ: Und warum wurden ausgerechnet diese Fälle für den Test inszeniert?

Kuck: Uns war im Rahmen der Studie vor allem eine faire Vorgehensweise sehr wichtig. Es geht nicht darum, den Versandhandel zu diskreditieren. Er muss sich aber an dem hohen Qualitätsanspruch messen lassen, der für die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu gelten hat. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte erschienen uns die von Prof. Kaapke Projekte vorgeschlagenen Testfälle zum einen sehr ausgewogen, zum anderen wurden insbesondere auch die Punkte einbezogen, die ganz besonders wichtig für die Gesundheit der Patienten sind. Ein Beispiel hierfür ist die Testbestellung von Präparaten, deren Verkauf dem Versandhandel nicht erlaubt ist. Leider kam es gerade hier zu erschreckenden Unregelmäßigkeiten.

DAZ: Welche Besonderheiten fielen auf, wenn Versuchspersonen Rezepte bei den Online-Händlern einlösten im Vergleich zum Einkauf apothekenpflichtiger OTC-Arzneimittel?

Kaapke: Bestellungen auf Rezept sind nochmals schwieriger zu bewerkstelligen, weil genau dieses Produkt geliefert werden muss. Die Testkäufe auf Rezept waren der kniffligere Bereich des Untersuchungsdesigns der Studie, denn hier waren unsere Tester aufgefordert, aus ihrem Familien- und Freundeskreis Rezepte einzusammeln und diese bei den Online-Händlern einzureichen. Hier haben wir nur noch geschaut, dass wir gegebenenfalls der Rezeptbestellung ein apothekenpflichtiges Arzneimittel beigefügt haben, bei denen es zu Kontraindikationen kommen könnte. Ansonsten war dies eine komplett zufällige Auswahl.

DAZ: Bei der Benutzerfreundlichkeit, der sogenannten Usability, scheinen die Onlineportale der Versandhändler gar nicht so schlecht zu sein. Vor allem über die Suchfunktion wurden die Arzneimittel ausgewählt, in den Warenkorb gelegt und der Bestellvorgang abgeschlossen. Was jedoch bemerkenswert ist: Nur 3 Prozent der Testkunden erhielten einen Anruf durch die Versandapotheke mit einem Beratungsangebot, zu dem die Anbieter gesetzlich verpflichtet sind. Wie bewerten Sie diese Tatsache?

Kuck: Eine so geringe Anrufquote kann letztlich nur heißen, dass die Beratung von vielen Versendern noch immer nicht ernst genug genommen wird. Der Umgang mit Arzneimitteln wird auf diese Weise banalisiert, was wiederum zu einer höheren Gefährdung der Patienten führt. Hinzu kommt, dass der Apotheker vor Ort schon aus dem ganzen Verhalten des Patienten, seinem Erscheinungsbild und dem zwingend erforderlichen Gespräch auf den Beratungsbedarf schließen kann. In der Apotheke vor Ort ist daher eine große Sicherheit gegeben, dass eine erforderliche Beratung auch durchgeführt wird. Wenn aber ein Patient im Falle des Versandhandels nicht einmal angerufen wird, um den Beratungsbedarf festzustellen, halte ich das für hochproblematisch. Hier ist ein Einschreiten der Politik im Interesse der Patientengesundheit dringend erforderlich.

Kaapke: Aus Wettbewerbssicht zeigt sich tatsächlich ein hoher signifikanter Unterschied zwischen den beiden Distributionsformen. Das bedeutet, dass in Versandapotheken der Kontakt zwischen einem Apotheker und dem Besteller faktisch eine Rarität darstellt. Das kann vom Gesetzgeber nicht gewollt sein, wenn ansonsten die permanente Präsenz von Apothekern in Vor-Ort-Apotheken eine Pflicht ist. Usability ersetzt eben nicht die erforderliche Beratungsfunktion vor dem Hintergrund, dass es sich um Güter der besonderen Art handelt, die nicht frei­verkäuflich sind.

Foto: DAZ/diz

DAZ: Die Studie zeigt auch, dass die Zustellung der Arzneimittel nicht immer reibungslos verläuft. So ist den Paketdienstleistern wohl gar nicht bewusst, welche besonderen Waren sie da transportieren. Welche Fälle sind Ihnen vor allem im Gedächtnis geblieben?

Kaapke: Kühlpflichtige oder kühlkettenpflichtige Arzneimittel wurden einfach im Hausflur oder auf der Terrasse ohne weitere Hinweise abgestellt. Ich erinnere nochmals an mein Bild der beiden Transporter, wartend vor einer roten Ampel: Einmal das mit allen erdenklichen Features ausgestattete Auslieferungsfahrzeug des pharmazeutischen Großhandels, um die vorgeschriebenen Temperaturen einhalten zu können, und daneben – auf der Überholspur – ein normales Transportauto eines Paketdienstleisters. Beide liefern das gleiche Arzneimittel aus, einmal gemäß den gesetzlichen Vorgaben an die Apotheke und einmal ohne entsprechende Regeln an den Endverbraucher. Das kann nicht sein!

DAZ: Zwischen Versendern und Vor-Ort-Apotheken gibt es also auch bei der Logistik Qualitätsunterschiede. Wie Prof. Kaapke bereits angedeutet hat, misst hier der Gesetzgeber offensichtlich mit zweierlei Maß: Einerseits die hohen und kostenintensiven Anforderungen im Großhandelsbereich, Stichwort Good Distribution Practice (GDP), andererseits die fehlenden Auflagen bei der Zustellung von Arzneimitteln durch den Postboten an die Endverbraucher. Herr Dr. Kuck, wie erklären Sie sich aus Sicht des Großhandels Noweda, dass hier zwei Systeme nebeneinander existieren und anscheinend akzeptiert werden?

Kuck: Der pharmazeutische Großhandel arbeitet derzeit unter strenger Behördenüberwachung mit Millionenaufwand daran, dass für sämtliche Arzneimittel, also auch solche, die nicht gekühlt werden müssen, beim Transport die vorgeschriebenen Lagertemperaturen eingehalten werden. Die entsprechenden Vorgaben der GDP-Richtlinie dienen der Verbesserung der Arzneimittelsicherheit für die Patienten. Dagegen können die Versandhandelskonzerne ihre Pakete nach Belieben mit der Post verschicken, und es ist auch völlig egal, wenn so ein Paket im Hochsommer mal zwei Tage in einer Lagerhalle vor sich hinkocht, bevor es den Patienten erreicht. Es ist völlig unerfindlich und letztlich ein Skandal, dass die Patienten hier nicht besser geschützt werden. Erklärbar ist das für mich nur so, dass die Politik eine Gefährdung der Patienten in Kauf nimmt, um dem Versandhandel die ökonomischen Vorteile zu erhalten, die er heute gegenüber der Lieferkette pharmazeutischer Hersteller, pharmazeutischer Großhandel, Vor-Ort-Apotheke genießt. Denn wenn die Versandhändler die Vorgaben der GDP einhalten müssten, würde deren Geschäft, das ohnehin vielfach schon mit hohen Defiziten betrieben wird, noch unwirtschaftlicher. Möglicherweise müssten dann einige Versandhändler aufgeben, so dass das politische Ziel, Versandhandel mit Arzneimitteln zu ermöglichen, gefährdet würde. Solange sich hier nichts ändert, wird es eine wichtige Aufgabe für die Zukunft sein, die Patienten über die unterschiedlichen Qualitäten der verschiedenen Versorgungswege aufzuklären, damit diese eigenverantwortlich entscheiden können, welche Risiken sie eingehen wollen.

DAZ: Das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel ist immer noch nicht umgesetzt. Meinen Sie, die Studie liefert in der Debatte weitere wichtige Argumente für ein Verbot? Wenn ja, welche sind das genau?

Kuck: Die Politik muss endlich begreifen, dass es bei der Behandlung der Versandhandelsfrage nicht darauf ankommen kann, ob Menschen gerne im Internet bestellen. Es kann auch nicht darum gehen, blind den „digitalen Fortschritt“ zu fördern, wobei ich bis heute nicht verstanden habe, was an Internet-Versendern so fortschrittlich ist. Postpakete gibt es in Deutschland seit Mitte des 17. Jahrhunderts. Was also daran fortschrittlich sein soll, Hunderttausende Arzneimittelpäckchen kreuz und quer durchs Land zu schicken, muss mir erst mal einer erklären. Es gibt nur zwei Aspekte, die bei der Beantwortung der Frage entscheidend sein können, ob der Versandhandel zulässig sein soll: Zum einen, ob der Versandhandel die Existenz der Vor-Ort-Apotheken gefährdet und so vor allem die Strukturen der flächendeckenden Akutversorgung zerstört, was meiner Ansicht nach der Fall ist. Und zum anderen, ob die Patientensicherheit im Falle des Bezugs von Medikamenten über den Versandhandel genauso gewährleistet ist wie bei einem Bezug über die Vor-Ort-Apotheke. Dass in letzterem Fall einige große Fragezeichen zu machen sind, hat die Studie erneut gezeigt. Insofern zeigt die Studie indirekt auch, dass ein Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel durchaus auch ein Beitrag zur Sicherheit der Patienten wäre.

DAZ: Herr Prof. Kaapke, sich als Handelsökonom mit dem Apothekenmarkt zu beschäftigen, stelle ich mir nicht so ganz einfach vor. Die Zugangsvoraussetzungen sind hoch, das Apothekenwesen in Deutschland ist streng reguliert, und für verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten feste Preise. Ganz zu schweigen vom Kontrahierungszwang und den Gemeinwohlaufgaben. Mit freier Marktwirtschaft hat das nicht viel zu tun. Wie würden Sie Ihren Studierenden in der Vorlesung erklären, warum man sich bei Arzneimitteln aber bewusst für diese Form der Distribution entschieden hat?

Kaapke: Es gibt frei handelbare Güter und Güter der besonderen Art, bei denen dem freien Spiel der Marktkräfte seitens des Staates Regeln verordnet werden müssen. Genau dies ist ein Beispiel dafür, dass wir uns in einer sozialen und keiner freien Marktwirtschaft befinden und warum den Verwerfungen des Marktes durch den Staat Einhalt geboten werden muss. Man kann hier den Ausführungen aus der Volkswirtschaftslehre wunderbar die Auswirkungen auf mikroökonomischer Ebene, also auf Ebene der Unternehmen, nachlegen. Der Staat legt ja deshalb ordnungs- und prozesspolitisch den Rahmen fest, innerhalb dessen operiert werden muss. Genau deshalb sollte er auch Sorge tragen, dass dies auskömmlich geschehen kann und damit der Anreiz für Studierwillige gewahrt bleibt, Pharmazie zu studieren, sich danach für den Dienst in der Apotheke zu entscheiden und sich auf dieser Grundlage selbständig machen zu wollen. Wenn dies nicht mehr attraktiv ist, weil den Verwerfungen nicht getrotzt wird oder diese sogar noch befeuert werden und sich damit Apotheken auf Dauer schlechter stellen, erzeugt man unsinnigerweise Demotivation, wo Motivation angezeigt wäre.

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DAZ: Einleitend stellen Sie dar, dass die Marktverzerrungen zwischen Vor-Ort-Apotheken und Versendern zum Teil begradigt wurden - durch den Nacht- und Notdienstfond oder Anpassungen beim Rezepturhonorar. Welche Voraussetzungen müssen Ihrer Meinung nach denn außerdem geschaffen werden, damit es zwischen der Versorgung durch Apotheken und dem Versandhandel in den nächsten Jahren eine faire Koexistenz geben kann?

Kaapke: Sollte der Versandhandel neben den Vor-Ort-Apotheken tatsächlich einen Beitrag zur flächendeckenden Versorgung leisten, muss hier ordnungspolitisch geregelt werden. Zudem muss sichergestellt werden, dass beide Distributionswege die gleichen Auflagen zu erfüllen haben. Die Transportfahrzeuge müssen beispielsweise gleich ausgestattet sein. Ansonsten macht die Gesetzgebung wenig Sinn. Zudem muss endlich Klarheit geschaffen werden, was das Versandhandelsverbot mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln anbetrifft. Dies resultiert ja aus den Überlegungen, die Arzneimittelpreisbindung bei Rezeptpräparaten zu erhalten. Es stimmt mehr als nachdenklich, dass dem deutschen Gesetzgeber offensichtlich nach zwei Jahren immer noch keine Lösung eingefallen ist. Seitens der Standesvertretung muss auch deutlich mehr kommen. Mehr Druck, aber auch mehr Vorschläge. Von daher sind die Studienergebnisse für alle drei Parteien Ansporn: für die Arzneimittelversender, sich entweder zu verbessern oder ihr Geschäftsmodell aufzugeben, für stationäre Apotheken und ihre Standesvertretung, die Ergebnisse für ihre Argumentation zu nutzen und die offenen Verfahren zu einem guten Ende zu führen, und für die Politik, sich sehr ernsthaft mit der Frage zu beschäftigen, ob die Diskussion nicht bislang auf einem zu trivialen Niveau erfolgt ist und die Realität nur bedingt abbildet.

Kuck: Das wesentliche Problem ist doch, dass der Versandhandel den Vor-Ort-Apotheken immer größere Umsatzanteile entzieht. Mit dem weiteren Wachstum des Versandhandels, das ja erklärtes Ziel der Versandhandelskonzerne und der dahinter stehenden Investoren ist, wird zukünftig die Existenz der Vor-Ort-Apotheken immer stärker infrage gestellt. Vor-Ort-Apotheken können aber nicht dem freien Spiel des Marktes überlassen werden. Sie sind Teil der sozialen Infrastruktur, wie Polizei oder Schulen. Daher muss im Interesse der Bevölkerung in jedem Fall gewährleistet werden, dass Vor-Ort-Apotheken auch zukünftig rentabel betrieben werden können. Eine Beschränkung des Versandhandels auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel wäre hier ein guter erster Schritt. Darüber hinaus müsste sichergestellt sein, dass alle Anforderungen der Arzneimittelsicherheit, die in der normalen Lieferkette über den Pharmazeutischen Großhandel und die Vor-Ort-Apotheke gelten, auch im Versandhandel praktiziert und vor allem überwacht werden. Vorher kann von einer fairen Koexistenz sicher nicht die Rede sein.

DAZ: Herr Dr. Kuck und Herr Prof. Kaapke, vielen Dank für das Gespräch. |


Die Studie

Die Novellierung des Arzneimittelgesetzes (AMG) und des Apothekengesetzes (ApoG) im Jahr 2004 öffnete den Markt für den Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland. Seit dieser politischen Entscheidung spielt der Arzneimittelversandhandel – nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Online-Affinität vieler Verbraucher – eine immer größere Rolle auf dem Arzneimittelmarkt. Diese Studie beleuchtet den Arzneimittelversandhandel anhand von Testkäufen internetaffiner Probanden und bietet damit eine Diskussionsgrundlage, inwiefern der Versandhandel den Anforderungen an eine qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln gerecht werden kann.

Andreas Kaapke (Hrsg.)
Überprüfung der Leistungsfähigkeit des Arzneimittel-Versandhandels
80 S., Titel im Querformat, Bindung an der langen Seite
Format 29,7 × 21,0 cm, 29,80 Euro, ISBN 978-3-7692-7242-0

Deutscher Apotheker Verlag 2018


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