Praxis aktuell

So lässt sich die Arbeitszeit flexibilisieren

Der Bundesrahmentarifvertrag (im weiteren "BRT") für Apothekenmitarbeiter regelt in § 3 die regelmäßige Arbeitszeit von wöchentlich 40 Stunden. Die bisher in dem BRT enthaltene Möglichkeit, die Arbeitszeit flexibel zu gestalten, ist durch eine neue Jahresarbeitszeitregelung in § 4 ersetzt worden. Obwohl mit der Neuregelung ein nicht unerhebliches Kosteneinsparungspotenzial verbunden ist, schlummert die Jahresarbeitszeitregelung noch den Dornröschenschlaf, obwohl rollierende Arbeitszeitmodelle im Einzelhandel schon lange gängige Praxis sind. Sind sich aber der Apotheker und die Mitarbeiter einig, können sie die Arbeitszeit den Anforderungen des Apothekenbetriebes anpassen und damit Leerzeiten und teuere Überstunden vermeiden helfen. Wie sehen die Gestaltungsmöglichkeiten aus? Was passiert bei Über- oder Unterschreitungen der Arbeitszeit und bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses?
Jahresarbeitszeitkonten Mit ihnen kann unter bestimmten Voraussetzungen eine flexible wöchentliche Arbeitszeit von 29 bis 48 Stunden vereinbart werden.
Foto: DAZ/Sket

§ 4 Abs. 1 Satz 1 regelt die Einrichtung von Jahresarbeitszeitkonten mit Vollzeitmitarbeitern. Mit ihnen kann eine flexible wöchentliche Arbeitszeit von 29 bis 48 Stunden vereinbart werden, wenn die Arbeitszeit im Ausgleichszeitraum von 12 Monaten durchschnittlich 40 Stunden beträgt. Das Gesetz gibt hier den Rahmen vor. Natürlich muss dieser nicht ausgeschöpft werden. Die Flexibilisierung kann auch zum Beispiel zwischen 35 und 45 Stunden betragen. Voraussetzung ist nur, dass der Arbeitnehmer im Durchschnitt 40 Stunden pro Woche arbeitet. Die Verteilung der Wochenarbeitzeit könnte beispielsweise so aussehen, wie sie in der Tabelle dargestellt ist.

Mit Teilzeitmitarbeitern kann eine wöchentliche Arbeitszeit von 75 bis 130% ihrer vertragli-chen Arbeitszeit vereinbart werden, wenn die Arbeitszeit im Ausgleichszeitraum durchschnittlich die vertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit beträgt.

Bei Voll- und Teilzeitarbeit ist Ausgleichszeitraum das Kalenderjahr. Wenn Beginn oder Ende des Arbeitsverhältnisses unterjährig erfolgen, wird anders gerechnet. Grundsätzlich werden die im Kalenderjahr erbrachten Stunden durch 52 geteilt und mit der wöchentlichen Arbeits-zeit verglichen. Bei abweichendem Beginn oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses wird der Zeitraum entsprechend verlängert. Dies zeigt folgendes Beispiel:

Das Arbeitsverhältnis beginnt am 1. Oktober eines Jahres: Für die Ermittlung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit ist auf die geleistete Arbeitszeit vom 1. Oktober des Jahres bis zum 31. Dezember des Folgejahres abzustellen. Die in dieser Zeit (13 Wochen im Eintrittsjahr, 52 Wochen im folgenden Kalenderjahr) geleisteten Arbeitsstunden sind durch 13 + 52 = 65 zu teilen, um die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit zu ermitteln (vgl. Fichtel Bundesrahmentarifvertrag, § 4, Rz. 4).

Vereinbarung zum Arbeitsvertrag

Voraussetzung für die Einführung von Jahresarbeitszeitkonten ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Apotheker und dem Mitarbeiter. Diese Vereinbarung kann als Zusatz zum bestehenden Arbeitsvertrag getroffen werden. Grundsätzlich liegt damit eine Änderung des Arbeitsvertrages vor, die grundsätzlich auf Dauer vereinbart werden muss. Eine Befristung der flexiblen Arbeitszeit ist nur dann möglich, wenn ein besonderer sachlicher Grund vorliegt, zum Beispiel ein vorübergehender Personalengpass. Auch eine zeitliche Befristung in Anleh-nung an das Teilzeit- und Befristungsgesetz müsste möglich sein. Schließlich kann die flexible Arbeitszeit auch einseitig im Wege der Änderungskündigung eingeführt werden. Dafür gelten allerdings die allgemeinen Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes.


Verteilung der Wochenarbeitszeit (Beispiel)

9 Wochen
32 Stunden
= 288 Stunden
11 Wochen
36 Stunden
= 396 Stunden
6 Wochen
39 Stunden
= 234 Stunden
6 Wochen
41 Stunden
= 246 Stunden
11 Wochen
44 Stunden
= 484 Stunden
9 Wochen
48 Stunden
= 432 Stunden
52 Wochen
Ø 40 Stunden
= 2080 Stunden

Führen von Arbeitszeitkonten

Ist die flexible Arbeitszeit wirksam vereinbart oder eingeführt worden, muss der Apotheker für den Mitarbeiter schriftliche Arbeitszeitkonten führen. Diese Aufgabe kann er auch an Filialleiter, den Steuerberater oder die eigene Personalabteilung, wenn vorhanden, delegieren. Wichtig ist, dass diese Arbeitszeitkonten wöchentlich geführt und vom Arbeitsgeber schriftlich bestätigt werden müssen. Aus dem Arbeitszeitkonto muss der Mitarbeiter herauslesen können, wie viel mehr oder weniger Stunden am Tag er geleistet hat. Insofern ist dies tag-genau mit Datum und Uhrzeit festzuhalten.

Krankheits-, Urlaubs- oder Feiertage werden mit der Zeit in das Arbeitszeitkonto eingestellt, die vertraglich vereinbart ist. Dabei ist die durchschnittliche Arbeitszeit maßgeblich. Der Mitarbeiter mit einer 5-Tagewoche erhält also für einen Krankheitstag auf seinem Arbeitszeitkonto eine Gutschrift von 8 Stunden pro Tag. Während des Ausgleichszeitraums wird über die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit eines Mitarbeiters hinaus anfallende Mehrarbeit (zunächst) zuschlagsfrei in das Arbeitszeitkonto eingestellt. Für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit gilt die Regelung des § 8 BRT, wonach die Stunden mit dem entsprechenden Zuschlag in das Arbeitszeitkonto eingestellt werden.

Direktionsrecht des Arbeitgebers

Herzstück der Regelung über die flexible Arbeitszeit über Jahresarbeitszeitkonten ist das Di-rektionsrecht des Arbeitgebers, wonach er mit einer Ankündigungsfrist von 2 Wochen die wöchentliche Arbeitszeit festlegen kann. Er kann nach seiner Planung bestimmen, wie viele Stunden pro Tag und Woche der Mitarbeiter leisten soll. Sinnvoll ist es, die Arbeitszeitfestlegung nicht wöchentlich vorzunehmen, sondern dies monatlich oder quartalsweise zu tun. Das reduziert den Arbeitsaufwand für den Arbeitgeber erheblich. In Ausnahmefällen, zum Beispiel bei Krankheit oder anderen kurzfristigen Ausfällen eines Mitarbeiters, kann die Ankündi-gungsfrist auf ein Mindestmaß von 24 Stunden reduziert werden. Dabei sollen die Arbeitszei-ten möglichst unverzüglich nach Bekanntwerden des Ausnahmefalls und auch unter Berück-sichtigung der persönlichen Umstände des Mitarbeiters festgelegt werden.

Abrechnung des Arbeitszeitkontos

Am Ende des Ausgleichszeitraums wird das Arbeitszeitkonto abgerechnet. Die tarifvertragli-che Regelung ist hier sehr detailliert. Die Abgeltung eines Arbeitszeitguthabens erfolgt durch Freizeitgewährung, die der Apothekeninhaber unter Berücksichtigung der Interessen des Mitarbeiters bestimmt. In der Regel werden sich der Apotheker und der Mitarbeiter darüber verständigen. Wird einseitig die Freizeitgewährung festgelegt, muss diese mindestens einen Arbeitstag betragen.

Kann das Arbeitszeitkonto innerhalb der ersten drei Monate des Folgejahres nicht durch Freizeit ausgeglichen werden, so ist das Zeitguthaben mit Mehrarbeitszuschlägen auszugleichen. Maßgeblich dafür ist dann § 8 BRT. Wichtig ist also: Zunächst wird Mehrarbeit ohne Zuschläge in das Arbeitszeitkonto eingestellt. Nur wenn diese nicht durch Freizeit ausgeglichen werden kann, gelten die Mehrarbeitszuschläge wie folgt: Von der 41. bis zur 50. Stunde 25% der Grundvergütung und ab der 51. Stunde 50% der Grundvergütung. Zu beachten ist dabei, dass in der Jahresabrechnung die wöchentliche Mehrarbeit geprüft werden muss. Hat der Mitarbeiter zum Beispiel wöchentlich nicht mehr als 50 Stunden gearbeitet, steht dem Arbeitnehmer für seine Mehrarbeit ein Zuschlag von nur 25% zu. Der Tarifvertrag sieht auch vor, dass statt Freizeitausgleich einvernehmlich eine finanzielle Abgeltung der Arbeitszeitguthaben vereinbart werden kann.

Hat der Mitarbeiter am Ende des Ausgleichszeitraums Minderstunden, werden diese in den nächsten Ausgleichszeitraum übertragen. Der Apotheker muss dem Mitarbeiter in den ersten drei Monaten des folgenden Ausgleichszeitraums die Gelegenheit geben, die Zeiten nachzuarbeiten. Erhält der Mitarbeiter dazu keine Gelegenheit, müssen diese Stunden nicht mehr nachgearbeitet werden. Wichtig ist also, die Möglichkeit zur Nacharbeit zu dokumentieren, um Streit zu vermeiden.

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gilt grundsätzlich nichts anderes: Mehrarbeit soll durch Freizeit abgegolten, Minderstunden durch Arbeitszeiten ausgeglichen werden. Kann aus betrieblichen Gründen ein Ausgleich durch Freizeit nicht erfolgen, ist zum Beispiel der Mitarbeiter erkrankt, müssen die Mehrstunden bezahlt werden. Umgekehrt muss bei Minus-stunden dem Mitarbeiter die Gelegenheit gegeben werden nachzuarbeiten. Tut er das nicht, wird das darauf gezahlte Gehalt als Vorschuss angesehen, den der Mitarbeiter zurückzahlen muss. Das gilt auch dann, wenn der Apotheker fristlos kündigt oder das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beendet wird.

Möglichkeit zur Kostensenkung

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass der Apotheker zwar mit der Führung der Jahresar-beitszeitkonten einen Verwaltungsmehraufwand hat. Diesen kann er aber auf externe Dritte oder auf personalverantwortliche Personen übertragen. Diesem Mehraufwand steht die Möglichkeit gegenüber, die Apothekenmitarbeiter flexibel nach dem Arbeitsanfall der Apotheke einzusetzen und damit Kosten zu senken. Auch außerhalb des Geltungsbereichs des BRT können Arbeitszeitkonten als sinnvolle Maßnahme zur Personalführung und Kostensenkung in der Apotheke eingeführt werden, wobei dann die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes, usw. zu berücksichtigen sind. Wichtig, wie bei allen Personalmaßnahmen, sollte sein, dass die Einführung von Arbeitszeitkonten mit den Mitarbeitern abgestimmt wird.


Dr. Markus Rohner, Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht, Partner der RST-Beratungsgruppe (Wirtschaftsprüfungs-, Steuerberatungs-, Rechtsberatung- und Unternehmensberatungsgesellschaft), Tel. (02 01) 8 79 99-0

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