Aus Kammern und Verbänden

Im Bann des Drogenrausches

"Große Geister, Künstler und Literaten im Bann des Drogenrausches" – dieses Thema lockte am 20. Oktober fast 300 Senior-Pharmazeuten ins Museum Folkwang in Essen. Privatdozentin Dr. Sabine Anagnostou, Institut für Geschichte der Pharmazie in Marburg, referierte über die Zusammenhänge zwischen Kunst und Drogenkonsum im 19. Jahrhundert.

Opium – Universalarznei und Genussmittel

Die bedeutendsten Drogen des 19. Jahrhunderts waren Opium und sein Hauptwirkstoff Morphin. Durch deren Einsatz als Schmerzmittel in Kriegslazaretten wurden viele Soldaten süchtig und setzten den Konsum auch nach ihrer Rückkehr in die Zivilgesellschaft fort, nicht zuletzt um der bedrückenden Realität zu entfliehen.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Opium ein beliebtes Universalheilmittel und Genussmittel, das billiger als Alkohol und wie dieser auch nicht apothekenpflichtig war. Sogar als Kinderheilmittel setzte man Opium ein. Zu den üblichen Zubereitungen zählten Opiumkonfekt, Opiumlakritz oder Opiumpastillen.

Erst 1920 wurde Opium in Deutschland rezeptpflichtig (Opiumgesetz).

Motive: von Neugier bis Kreativitätssteigerung

Als Motive, warum viele romantische Dichter und Künstler sich in einen Rauschzustand versetzten, nannte Anagnostou:

  • das Unterbewusstsein zu erforschen,
  • das Bewusstsein zu erweitern und
  • die Kreativität zu steigern.

Charles Baudelaire formulierte es 1859 so: "Vorwärts zum Unbekannten, um Neues zu finden." Als berühmtestes Selbstbekenntnis eines opiumsüchtigen Schriftstellers gelten die "Confessions of an English Opium Eater" von Thomas de Quincey.

Dr. Sabine Anagnostou
Foto: Viefhues

Haschisch war "die" Droge der französischen Literaten des 19. Jahrhunderts. Kolonialbeamte hatten seinen Gebrauch in Übersee kennengelernt und in Frankreich verbreitet. Literarisch haben Honoré de Balzac und Victor Hugo das Thema in ihren Werken verarbeitet, während der Arzt Jaques-Joseph Moreau sich wissenschaftlich damit auseinandergesetzt hat. Der berühmte Lyriker Charles Baudelaire konsumierte neben Haschisch auch Opium, Alkohol und Absinth, doch äußerte er sich schließlich enttäuscht über die Drogen, weil die von ihnen erhoffte Befreiung des Bewusstseins vom Körperlichen ausblieb.

Georg Trakl starb an einer Überdosis Cocain

Anagnostou berichtete auch von der Lebensgeschichte des Lyrikers und Apothekers Georg Trakl, der zu Beginn des Ersten Weltkriegs ein schweres Trauma erlitten hat. Nach der Schlacht bei Grodek in Galizien musste er als Militärapotheker fast hundert Schwerverletzte betreuen, ohne dass ausreichend Arzneimittel und ein Arzt vorhanden waren. Die Unmöglichkeit, den Schwerverletzten und Sterbenden zu helfen, löste in ihm eine tiefe Verzweiflung aus. Wenige Monate später starb Trakl an einer Überdosis Cocain, wobei ungeklärt ist, ob es ein beabsichtigter Suizid oder ein Unfall war. In seinen Gedichten dominieren Melancholie, Verzweiflung und der Herbst als Jahreszeit des Verfalls.

Grünes Gift Absinth

Schließlich kam Anagnostou auf den Absinth zu sprechen, mit dem sich auch die Impressionisten in ihren Bildern auseinandergesetzt haben. Ein berühmtes Beispiel ist das Gemälde "Au Café / L’Absinthe" (ca. 1875) von Edgar Degas, auf dem eine Schauspielerin mit leerem Gesichtsausdruck und einem Glas Absinth zu sehen ist. Dieses Bild hatte seinerzeit einen Skandal verursacht, weil es als unanständig galt, dass eine Dame in der Öffentlichkeit Alkohol trinkt.

Der Maler Henri de Toulouse-Lautrec und der Schriftsteller Ernest Hemingway waren bekannt für ihren intensiven Absinthkonsum. In Hemingways Werken finden sich immer wieder Anspielungen darauf, zum Beispiel in "Death in the afternoon". In Deutschland wurde das Getränk 1923 verboten.

Anagnostou resümierte, dass man aus der Vergangenheit lernen müsse und dass Apotheker heute eine sehr wichtige Rolle in der Prävention und Aufklärung über Drogen spielen.

Gesundheitspolitische Lage

Im zweiten Vortrag berichtete Peter Barleben, Vizepräsident der Apothekerkammer Nordrhein, über die aktuelle gesundheitspolitische Situation. Dabei ging er auf das geplante Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz mit seinen gravierenden Auswirkungen auf die Apotheken ein und berichtete vom Apothekertag in München.

Qualitätsoffensive

Im Mittelpunkt seines Berichtes stand die Qualitätsoffensive der Kammer Nordrhein, die auf finanzielle Anreize setzt. So gibt es für die Apotheken im Kammergebiet drei Jahre lang ein bestimmtes Kontingent kostenloser Pseudo-Customer-Besuche und kostenloser ZL-Ringversuche. Dieses Angebot stoße auf eine ausgesprochen positive Resonanz, berichtete Barleben. Zugleich fördere es den Erwerb des neuen, bundeseinheitlichen Qualitätszertifikats der Bundesapothekerkammer, für das einmal jährlich eine erfolgreiche Überprüfung der Beratungsleistung und die erfolgreiche Teilnahme an einem Ringversuch zu Rezepturqualität und Blutuntersuchungen nachzuweisen sind.

Schließlich berichtete Barleben, dass die Apotheker-Stiftung Nordrhein eine Pilotstudie über den Effekt einer intensivierten Pharmazeutischen Betreuung auf die Compliance von Patienten mit Herzinsuffizienz fördert. Leiter der Studie, die vor allem die Lebensqualität, die Anzahl der Krankenhausaufnahmen und die kardiovaskuläre Sterblichkeit erfasst, ist Prof. Dr. Ulrich Laufs vom Universitätsklinikum Homburg / Saar.

Führungen durch das Anfang diesen Jahres neu eröffnete Museum Folkwang rundeten die Veranstaltung ab.


Dr. Sabine Viefhues

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