Arzneimittel und Therapie

"Ezetimib-Atherogenität ist nicht belegt!"

Ezetimib ist in Deutschland als Ezetrol® und in Kombination mit Simvastatin als Inegy® im Handel. Der Hersteller, MSD Sharp und Dohme, hat zu der European-Heart-Journal-Studie [Berneis K. et al. doi:10.1093/eurheartj/ehq181)] wie folgt Stellung genommen.

In der dieser Publikation zugrunde liegenden offenen Studie wurden Änderungen in den LDL-Subklassen unter Therapie mit Ezetimib, Simvastatin und der Kombination aus beiden bei 72 Gesunden untersucht.

Es zeigte sich, dass es unter den verschiedenen Therapieregimen zu einer unterschiedlichen relativen Verteilung der LDL-Subfraktionen kam.

Die Autoren fokussieren auf die Subfraktion LDL-C-IVB, der Fraktion mit den kleinsten und dichtesten LDL-C-Partikeln. Sie fanden, dass der Anteil dieser Fraktion unter Ezetimib und unter der Kombinationstherapie relativ zu den anderen Fraktionen angestiegen war, während er unter Therapie mit Simvastatin reduziert wurde.

Keine absolute Erhöhung

Aufgrund der Annahme, dass die Atherogenität eines LDL-Partikels zunimmt, je kleiner und dichter er ist, schlussfolgerten die Autoren, dass Ezetimib zur Entwicklung eines proatherogenen LDL-C-Profils führt und dabei sogar die positiven Effekte des Simvastatins aufheben würde. Die Autoren bieten dies als Teilerklärung dafür an, dass Ezetimib in Kombination mit einem Statin, trotz deutlicher LDL-C-Senkung, nicht zu einer positiven Beeinflussung der untersuchten Endpunkte in klinischen Studien geführt hat.

Die Behauptung der Autoren, dass es unter einer Therapie mit Ezetimib zu einer Erhöhung des Anteils der atherogenen Fraktion LDL-C-IVB kommt, bedeutet nicht, dass eine absolute Erhöhung der Konzentration dieser atherogenen Partikel stattgefunden hat.

Tatsächlich kam es im Rahmen der deutlichen Reduktion des Gesamt-LDL-C auch zu einer absoluten Senkung der LDL-C-Subfraktion IVB in allen Behandlungsgruppen, obwohl sich z. B. der relative Anteil dieser Fraktion unter Ezetimib von 7,4 auf 8,3% erhöhte. Die LDL-C-Senkung betrug unter Ezetimib 22,1%, unter Simvastatin 40,7% und unter der Kombination 59,6%. Die LDL-C-Subfraktion IVB sank unter Ezetimib von 7,77 mg/dl auf 6,64 mg/dl, unter Simvastatin von 9,04 mg/dl auf 4,08 mg/dl und unter der Kombination von 7,54 mg/dl auf 3,43 mg/dl (errechnet aus den Daten in Tabelle 2 der Publikation von Berneis et al.]).

Damit kann von einer Erhöhung der Atherogenität nicht mehr ausgegangen werden.

In der Studie kam es unter keiner der Therapien zu einer Veränderung der Partikelgröße, die als eine der Studienhypothesen überprüft werden sollte. Insofern konnte die Behauptung einer Verschiebung des Partikelgrößenprofils nicht untermauert werden.

Weitere Studiendaten

Zum Einfluss von Ezetimib auf die LDL-Subfraktionen gibt es bereits eine Reihe von anderen Studien, die unterschiedliche Ergebnisse erbrachten.

So fanden jüngst Stojakovic et al. mit 90 Patienten, dass es keinen Unterschied zwischen einer Fluvastatin-Therapie und einer Kombinationstherapie von Fluvastatin und Ezetimib in der Beeinflussung der beiden Subfraktionen mit den kleinsten LDL-C-Partikeln gab.

Eine weitere Studie erbrachte ebenfalls andere Ergebnisse als die Untersuchung von Berneis et al. Es handelt sich um eine multizentrische, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie mit 1397 Patienten von Ose et al. in einem faktoriellen Design (24 Länder, 117 Zentren), welche die Senkung des LDL-C unter Simvastatin/Ezetimib und Simvastatin untersuchte. Es erfolgte eine Analyse der Behandlungseffekte auf Lipoprotein-Subfraktionen und LDL-C-Partikelgröße. In den einzelnen Lipid-Subklassen kam es unter Simvastatin/Ezetimib zu einer signifikant höheren Senkungsrate aller Lipidfraktionen (VLDL-C, IDL-C, LDL-C1 bis LDL-C3). Die Senkungsrate bei LDL-C4 unter Simvastatin/Ezetimib war gegenüber der Senkungsrate unter Simvastatin nicht unterschiedlich. Die Autoren geben als möglichen Grund an, dass die Ausgangsspiegel von LDL-C4 relativ niedrig gewesen seien, und schlussfolgern, dass Simvastatin/Ezetimib einen eher quantitativ geprägten Effekt als qualitative Veränderungen hervorruft und mit keinem Netto-Effekt auf die LDL-C-Partikelgröße oder Subklassenverteilung verbunden ist.

Klinische Studien

Wie bereits erwähnt, betrachten die Autoren ihre Ergebnisse als Teilerklärung dafür, dass Ezetimib in den Studien ENHANCE, SEAS und ARBITER-6 nicht zu den Effekten geführt hat, die aufgrund der LDL-C-Senkung erwartet worden waren.

Diese Schlussfolgerung erscheint fragwürdig, weil in den genannten Studien keinerlei Daten zu Subfraktionen des LDL-C publiziert wurden und alternative, plausible Erklärungen für diese Studienergebnisse vorliegen.

  • ENHANCE: Nicht pathologische Ausgangswerte der Intima-Media-Dicke der Karotiden ließen keinen Raum für eine therapeutische Verbesserung durch Lipidsenkung.
  • SEAS: Das untersuchte Krankheitsbild war weder einer therapeutischen Beeinflussung durch Statine (Rosuvastatin in der ASTRONOMER-Studie und Atorvastatin in der SALTIRE-Studie) noch durch Ezetimib/Simvastatin (SEAS) zugänglich. Diese Resultate sprechen nicht dafür, dass eine dem Ezetimib unterstellte Atherogenität als Ursache für die Ergebnisse der SEAS-Studie in Frage kommt.
  • ARBITER-6: In der Ezetimib-Gruppe fand keine Progression der Atherosklerose statt (Veränderung der Intima-Media-Dicke der Karotiden: -0,0016 mm). Bei der Hälfte der Patienten kam es zu einer Regression der Intima-Media-Dicke der Karotiden.

Fazit

Die fehlende Berücksichtigung aller verfügbaren Daten zum Einfluss von Ezetimib auf das LDL-C-Subgruppenprofil führt zu einer überzogenen Interpretation von Laborergebnissen auf das klinische Wirkprofil einer Substanz. Die Behauptung einer Atherogenität durch Ezetimib ist angesichts der aktuellen Datenlage nicht belegt.

Quelle www.inegy.de/secure/studiendaten/bern_4d00.html

 

du

Zum Weiterlesen


PHARMAKOLOGISCH!

Adipositas und Atherosklerose

von Prof. Dr. Thomas Herdegen, Kiel

DAZ 2009, Nr. 22, S. 50 – 78

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