Management

Haptisches Führen

Führen und motivieren mit haptischen Berührungen und Führungshilfen

Den Mitarbeiter durch Anfassen führen? Nicht nur Apotheker – viele Führungskräfte zucken zurück. Bedeutet dies nicht eine allzu große Annäherung? Andererseits: Ganzheitliche Führungskonzepte propagieren das Führen mit allen fünf Sinnen. Und dann gilt: "Wer berührt, führt!"

Wer Apotheker fragt, ob sie in ihrer Führungsarbeit auch haptische Elemente verwenden, erntet zumeist ein befremdetes Stirnrunzeln. Reden und zuhören, den auditiven und den visuellen Sinneskanal aktivieren, die Körpersprache einsetzen – klar: Aber haptisch führen?

Der Begriff "Haptik" kommt aus dem Griechischen und meint "den Tastsinn betreffend". Und nicht nur Freunde des Neurolinguistischen Programmierens wissen, dass uns neben dem visuellen und auditiven Sinn zudem die haptische Wahrnehmung über den Tastsinn (kinästhetisch), den Geruchssinn (olfaktorisch) und den Geschmackssinn (gustatorisch) zur Verfügung steht. Verkaufsexperten berücksichtigen im Kundenkontakt – übrigens leitet sich "Kontakt" von dem lateinischen "contactus" ab und bedeutet "Berührung" – schon längst, dass es sinnvoll ist, den Kunden auf seinem bevorzugten Sinneskanal zu begegnen und möglichst alle fünf Sinne anzusprechen: Der Kunde soll ein Produkt sehen, hören, riechen, schmecken und berühren können.

Der Apotheker sollte prüfen, inwiefern er den Tastsinn im Besonderen und alle fünf Sinne im Allgemeinen in seiner Führungsarbeit einsetzen kann, um die Mitarbeiter in einem ganzheitlichen Sinn zu führen. Der Haptiker und Trainer Karl Werner Schmitz hat dazu die entsprechende Führungsphilosophie entwickelt: Haptisches Führen.

Wer berührt, führt

Der Apotheker begrüßt den Mitarbeiter zum Zielvereinbarungsgespräch mit einem Handschlag. Oder: Er klopft ihm nach einem gelungenen Kundengespräch leicht auf die Schulter. Und: Er berührt ihn am Ellenbogen und geleitet ihn zum Besprechungstisch im Backoffice. Es kann sein, dass der Apotheker auf einer unbewussten Ebene bereits haptische Führungshilfen einsetzt. Wenn er sich dieser Gesten bewusst wird und sie absichtsvoll einsetzt, kann er sie als Führungsinstrumente nutzen.

Natürlich sollten diese Berührungsgesten vorsichtig und unter Berücksichtigung der Tatsache genutzt werden, dass es Menschen gibt, die ein Eindringen in ihre Intimzone vehement ablehnen. Wir sprechen von der Intimzone bei einem räumlichen Abstand von ca. 100 Zentimetern: Wer die Grenze zwischen Intim- und Distanzzone durchbricht, muss zum Gesprächspartner ein schon vertrauliches Verhältnis aufgebaut haben und überdies wissen, dass dieser solche Berührungen nicht vollends ablehnt.

Dies vorausgesetzt, kann der Apotheker haptische Berührungen als Führungsinstrument einsetzen – bestes Beispiel ist der Handschlag: So signalisiert er über den sanften Händedruck, dass er dem Mitarbeiter durchaus wohlwollend gegenüber tritt. Im Konfliktgespräch kann ein härterer Händedruck die Entschlossenheit des Apothekers zum Ausdruck bringen: Er ist sich der Ernsthaftigkeit des Gesprächs bewusst. Oder er hält sich mit dem ausgestreckten Arm bei der Begrüßung den Mitarbeiter "vom Leib" und schafft bewusst eine Distanz.

Kontext beachten

Die haptische Begrüßung wirkt nur im Kontext aller anderen Signale: der Blickkontakt, das gesprochene Wort, nonverbale Signale, die Umgebung bis hin zur Sitzordnung – all dies führt zu einem Gesamteindruck. Die Unterredung am wortwörtlich "runden Tisch" kann Kompromissbereitschaft ausdrücken, ein Gegenübersitzen eher Konfrontation.

Ein weiteres Beispiel für die Bedeutung haptischer Signale: Wenn der Apotheker auf den Mitarbeiter zugeht, ihm die Hand reicht, sich dann seitlich neben ihn oder über Eck stellt, verdeutlicht er: "Ich bin nicht auf Streit aus, ich möchte Vertrauen aufbauen, ich wünsche den Schulterschluss, das gemeinsame Vorgehen."

Der Apotheker sollte die Haptik möglichst mitarbeiter- und situationsorientiert einsetzen: Mit jener Ellbogenberührung kann er entweder seinen Führungsanspruch demonstrieren, Macht ausüben, Vertrauen aufbauen oder Gemeinsamkeiten schaffen. Und wenn er zum Schluss des konstruktiven Teammeetings jeden Apothekenmitarbeiter mit einem Handschlag verabschiedet, bekräftigt er die getroffenen Vereinbarungen vielleicht intensiver als mit einem Ergebnisprotokoll.

Zielepyramide und Impulskugelreihe

Jeder Verkäufer ist sich der Vorteile bewusst, die entstehen, wenn er dem Kunden Aussagen über Produktnutzen und Argumente über mehrere Sinneskanäle zugänglich macht. Dabei gehen Verkäufer oft ungewöhnliche Wege – erinnert sei nur an das Duft-Marketing, bei dem Duftstoffe eingesetzt werden, um Kunden zum Kauf zu bewegen.

"Informationen werden durch die körperliche Erfahrung erst so richtig erlebbar", so Karl Werner Schmitz. Das Prinzip lässt sich auf den Führungsprozess übertragen:

  • Im Zielvereinbarungsgespräch bespricht der Apotheker mit dem Mitarbeiter die Vision seiner Apotheke: Sie bildet die Grundlage, das Fundament. Darauf setzen die Jahresziele auf, schließlich die Mitarbeiterziele. Der Apotheker nutzt dazu eine Pyramide, die aus aufeinander aufbauenden Teilen besteht, die ineinander gesteckt werden können. Der Mitarbeiter setzt seine Zielepyramide selbst zusammen, er kann sie anfassen: Er beginnt mit dem Fundament, der Vision – und schreitet voran bis zur Spitze, seinen Mitarbeiterzielen. Der ganzheitliche Aufbau der Zieleorientierung, die die Apotheke wie ein roter Faden durchzieht, wird durch die Pyramide verdeutlicht und "anfassbar" – und damit begreifbar.
  • Der Apotheker will die Aussage unterstützen, dass es oft nur eines Anstoßes bedarf, um weitere positive Reaktionen hervorzurufen: Setzt der Mitarbeiter im Gespräch mit dem Kunden einen motivierenden Impuls, ist es möglich, dass sich dieser auf das Angebot des Mitarbeiters eher einlässt. Dazu nutzt der Apotheker zur Verdeutlichung die "Impulskugelreihe".
  • Gerade mit der "Impulskugelreihe" lassen sich sehr einleuchtend Teamprozesse und die Eigendynamik, die sie entfalten, verdeutlichen: Das Team erreicht ein Ziel, wird dadurch motiviert, hat neue kreative Einfälle, kann bessere Ergebnisse erzielen – und so weiter.

Haptische Motivation

Die haptischen Führungshilfen lassen sich überdies für die Mitarbeitermotivation nutzen. Wenn der Apotheker die klassische Motivationsstrategie "Lob und Anerkennung" durch die Impulskugelreihe ergänzt, mit der er dem Mitarbeiter zeigt, dass er selbst es ist, der Erfolge eigeninitiativ in Gang setzen kann, rückt er die Bedeutung des Mitarbeiterengagements in den Fokus.

Der Mensch begreift schneller und besser, wenn er etwas begreifen und über die körperliche Wahrnehmung erfassen kann. Karl Werner Schmitz sagt dazu: "Das Führen mit allen fünf Sinnen eröffnet neue Möglichkeiten der Mitarbeiterführung und integriert den bisher vernachlässigten Aspekt der haptischen Wahrnehmung in die Führungsarbeit."


Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater

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