DAX versucht sich am Jahreshoch

Wall Street zeigt Ermüdungserscheinungen – DAX holt auf

(hps). Die Szene wirkt gespenstisch. Nachdem die Wall Street von einem Rekordhoch zum anderen eilte, gibt nun auch der DAX seine anfängliche Zurückhaltung auf und stürmt Richtung Jahreshoch. Gekauft werden dabei Kraut und Rüben, selbst Unternehmen mit schlechten Quartalszahlen mutieren zum Schnäppchen. Die Frage ist nur, wie lange New York als Schrittmacher noch durchhält.

Die aktuelle Marktlage

Die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer wollen vorerst an ihren Konjunkturprogrammen festhalten und die Notenbanken lassen sich mit der Rücknahme ihrer Liquiditätsprogramme ebenfalls Zeit. "Irgendwo muss das ganze Geld ja hin", meinte ein Händler unter Verweis auf die derzeitige Liquiditätsschwemme. Unterdessen sprechen US-Ökonomen vermehrt von einer "Echo-Blase": Nach der geplatzten Kursblase infolge der eskalierenden Finanzkrise bilde sich nun als Reaktion auf die staatlichen Stützungsmaßnahmen eine zweite Blase. Doch für solche Gedankenspiele scheint das Frankfurter Parkett keinen Sinn zu haben. Dort ist man noch vollauf damit beschäftigt, nach anfänglichem Zögern mit der Wall Street gleichzuziehen. Das Problem dabei: Kaum dackelt der Hund hinterher, scheint Herrchen auch schon wieder umdrehen zu wollen. Jedenfalls sind die Käufer bei einem Indexstand von 10.400 Punkten im Dow Jones kaum mehr aus der Reserve zu locken.

Aus der Perspektive der Analysten

Die HSH Nordbank hält das aktuelle Kursniveau für übertrieben und sieht den DAX zum Jahresende bei 5050 Punkten. Ein einsamer Bär inmitten einer Bullenherde, hat man den Eindruck. Denn der überwiegende Teil der Experten setzt auf weiter steigende Kurse – und dankt den Notenbanken für den weit geöffneten Geldhahn. Aber auch die gute alte Tradition der Weihnachtsrallye dient häufig als Argument. Die LBBW beispielsweise beruft sich auf eine Statistik, nach der der DAX zwischen 1980 und 2008 in rund 75 Prozent aller Fälle das Börsenjahr mit freundlichen Kursen ausklingen ließ. Etwas kritischer sieht man die Situation in den USA. Von "voll investierten Pessimisten" ist da die Rede, die alle auf einen "noch größeren Dummkopf" hofften. Das ergibt sich zumindest aus einer Umfrage unter US-Fondsmanagern, die einerseits davor Angst haben, dass sich die Dinge schnell ändern könnten, andererseits aber auch nicht die Hausse verpassen wollten. Man hat Respekt vor den "zittrigen Händen", die derzeit am Parkett das Geld halten.

Musterdepot und Strategie

Es ist einfach zu verführerisch. Adidas hat zum dritten Quartal keine besonders überragenden Zahlen offen gelegt. Der Wert lebt von der Hoffnung auf die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika. Den Test des Jahreshochs dürfte der Sportartikelhersteller inzwischen verloren haben. Der Put-Vorschlag mit relativ langer Laufzeit bis Januar 2010: Put auf Adidas der Citigroup (WKN CG6DUR) mit Basis 36 Euro, aktuell liegt der Wert leicht darüber.

DAX am 19. November (13.30 h): 5742 Punkte.

Aktie
zum
Kurs
Tipp
vom
Kurs
aktuell
Veränderung
in %
Strategie
BMW Put 11/09
WKN: CG5RWU
0,19
09.09.
0,20
+ 5%
Verkauft 29.10.
Bayer Put 12/09
WKN: DB68DS
0,30
17.09.
0,05
– 83%
Halten
Adidas Put 11/09
WKN: CG74HM
0,21
17.09.
0,35
+ 67%
Verkauft 29.10.
Lufthansa Put
WKN: CG5SWR
0,05
24.09.
0,170
+ 240%
Verkauft 29.10.
Beiersdorf Put
WKN: CG5RVS
0,079
30.09.
0,020
Verlust
ausgebucht
Linde Put
WKN: CM0EM3
0,11
30.09.
0,02
Verlust
ausgebucht
Telekom Put
WKN: CM0E64
0,19
30.09.
0,02
Verlust
ausgebucht
Daimler Put 12/09
WKN: CG5NQJ
0,20
08.10.
0,26
+ 30%
Verkauft 28.10.
ThyssenKrupp
Put 12/09
WKN: CG0ZUX
0,19
08.10.
0,27
+ 42%
Verkauft 29.10.
Siemens Put 12/09
WKN: CG5NWY
0,37
08.10.
0,56
+ 51%
Verkauft
05.11.
Henkel Put 12/09
WKN: CG74WA
0,10
15.10.
0,02
– 80%
Halten
Adidas Put 01/10
WKN: CG6DUR
0,16
19.11.
neu
Kaufen
zum Vergleich:
DAX seit 8. 1.
4871,00
5742,00
+ 18%
Die Angaben zu Aktienkäufen im Musterdepot und im Artikel sind nur fiktiv zu verstehen, es handelt sich dabei keinesfalls um Kaufempfehlungen.

Aus der Sicht des Querdenkers


Die Rechnung, die die Optimisten aufmachen, erscheint auf den ersten Blick einleuchtend. Geld ist für institutionelle Anleger derzeit in den USA fast zum Nulltarif zu haben und flutet die Aktien- und Anleihenmärkte. Da die Weltwirtschaftslage nach wie vor labil ist, dürfte sich daran bis weit in das Jahr 2010 hinein auch nichts ändern. Ginge es nach dem Notenbank-Gouverneur von St. Louis, würde der amerikanische Leitzins sogar erst 2012 angehoben werden. Also scheint die Welt wieder im Lot zu sein. Geld ist genug da, der freie Fall der Unternehmensgewinne wurde dank massiver staatlicher Unterstützungsmaßnahmen gestoppt und alle träumen wieder von besseren Zeiten. Den Schuldenberg hat man dabei dezent aus dem Blickfeld geräumt.

Da die Aktienhausse ausschließlich liquiditätsgetrieben ist, dürften die Ursachen für eventuelle Probleme am Parkett also in der Geldversorgung wurzeln. Die Zinsen müssen niedrig, die Renditen an den Rentenmärkten stabil bleiben. Doch dahinter lauert eine Vertrauenskrise. Die Zahlungsfähigkeit der USA und von Japan wird immer lauter angezweifelt. Dies bringt Anleihenmärkte ins Rutschen und führt zu Turbulenzen am Devisenmarkt. Und die Zeichen an der Wand sieht man schon: Der Euro scheint sich auf den Sprung über die 1,50 Dollar-Marke vorzubereiten, die Anleihen sind weltweit heißgelaufen. Der Einbruch ist hier nur eine Frage der Zeit – mit verheerenden Konsequenzen für den Aktienmarkt. Durch fallende Anleihenkurse steigen die Renditen, die Kreditkosten zur Staats- und Unternehmensfinanzierung würden förmlich explodieren. Die US-Notenbank könnte durch Wertpapieraufkäufe gegensteuern, müsste dafür aber die Druckerpresse anwerfen. Das Parkett müsste schmerzlich zur Kenntnis nehmen, dass die Träume der Haussiers nur auf geliehenem Geld beruhten. Am Ende dürften sich viele fragen, wie man eigentlich so naiv sein konnte zu glauben, dass man eine derartige Krise – im Ausmaß nur noch vergleichbar mit der Finanzkrise der 30er Jahre – so einfach und relativ schmerzlos in einen Aufschwung umwandeln kann. Die Schulden sind nicht weg, sie wurden nur umverteilt. Die große Abrechnung könnte erst noch kommen.

Peter Spermann

Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.

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