Rechtsprechung aktuell

Auch Internet-Werbung erfordert Pflichtangaben

Eine Versandapotheke, die auf ihrer Homepage für eine Reiseapotheke mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln wirbt, muss dabei die vom Heilmittelwerbegesetz (HWG) vorgeschriebenen Pflichtangaben berücksichtigen. Dazu gehört insbesondere der deutlich abgesetzte Satz "Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" sowie bei Monopräparaten der Hinweis auf den Wirkstoff. Allein das Bestellformular ist beim elektronischen Handel mit Arzneimitteln von den Bestimmungen des HWG ausgenommen. Von einem Bestellformular kann aber noch nicht die Rede sein, wenn die Web-Seite mit der Produktinformation einen Link zum "Warenkorb" enthält. Dies entschied jüngst das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg. (OLG Naumburg, Urteil vom 24. März 2006, Az.: 10 U 58/05)

Die Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs hatte die Werbung einer deutschen Internetapotheke für ein Reise-apotheken-Set als wettbewerbswidrig beanstandet. Dieses Reise-Set enthielt unter anderem die Präparate Loperamid ratiopharm, Octenisept, ASS + C ratiopharm und Soventol Gel. Beworben wurde es mit folgendem Wortlaut: "Mit diesem praktischen Reiseapotheken-Set sind Sie und Ihre Familie bestens gerüstet für die häufigsten Beschwerden während Urlaub und Reise. Egal ob Schmerzen, Sonnenbrand, Insektenstiche, Durchfall oder die Behandlung von kleinen Wunden – mit der ... Reiseapotheke können Sie beruhigt auf Reisen gegen. Also: Gleich zugreifen!".

Auf den Seiten "Artikel Detailinformationen" und "Druckansicht des Artikels" fehlten einige nach dem HWG erforderlichen Pflichtangaben. Weder fand sich dort der Hinweis auf den Wirkstoff der in der Reiseapotheke enthaltenen Monopräparate (§ 4 Abs. 1 a HWG) noch der deutlich abgesetzte Satz "Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" (§ 4 Abs. 3 HWG). Letzteren Satz fügte der beklagte Apotheker auf der Seite "Artikel Detailinformationen" ein, nachdem er von der Wettbewerbszentrale abgemahnt wurde – jedoch ausdrücklich "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht". Er erklärte, dieser Hinweis sei überflüssig, da sich auf der Seite der Button "Warenkorb" befinde und sie daher bereits als Bestellformular anzusehen sei. Nach § 1 Abs. 6 HWG sind Bestellformulare im elektronischen Arzneimittelhandel vom Anwendungsbereich des HWG ausgenommen und bedürfen der teilweise umfangreichen Pflichtangaben nicht.

Nachbesserung ohne Einsicht lässt Unterlassungsanspruch unberührt

Das OLG Naumburg, das in der Berufung des einstweiligen Verfügungsverfahrens zu entscheiden hatte, konnte der Argumentation des Beklagten nicht folgen. Es bejahte einen Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 8 Abs. 1 S. 1 UWG in Verbindung mit § 4 Abs. 1a und 3 HWG. Mit der Ausnahme von Soventol habe der Beklagte bei den Monopräparaten unstreitig keine Angaben zum Wirkstoff gemacht. Dass er die Web-Seite nachträglich um den Hinweis nach § 4 Abs. 3 HWG ergänzt habe, lasse den Unterlassungsanspruch nicht wegfallen. Da er die Ergänzung ausdrücklich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht vorgenommen habe, bestehe die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr. Diese könne nur widerlegt werden, wenn der Beklagte eine bedingungslose und unwiderrufliche Unterlassungserklärung abgebe – genau dieses lehnte der Apotheker jedoch ab.

Enge Auslegung der Ausnahmevorschrift

Nach Auffassung des OLG sind die beiden Web-Seiten "Artikel Detailinformationen" und "Artikel Druckansicht" kein Bestellformular im Sinne des § 1 Abs. 6 HWG. Als solches könne nur diejenige Seite angesehen werden, auf welcher der Käufer die Bestellung auslöst, nicht aber jede Seite mit dem Button "Warenkorb". Im Warenkorb lege man seine gewünschten Artikel zwar zwischenzeitlich ab – die tatsächliche Bestellung erfolge aber erst später, wenn tatsächlich alle erforderlichen Daten zur Bestellung, zu den persönlichen Daten und der Zahlungsweise angegeben worden sind. Die Ausnahmevorschrift für Bestellformulare wurde mit der Zulassung des Arzneimittelversandhandels in das HWG eingefügt, um den Erfordernissen des Internethandels und europarechtlichen Vorgaben nachzukommen.

Allerdings sei es nicht die Intention des Gesetzgebers gewesen, diesen Handel vollständig der Überprüfung nach dem HWG zu entziehen, betont das OLG. Es handle sich um eine spezielle Ausnahmevorschrift, die eng ausgelegt werden müsse. Das grundsätzliche Gebot von Pflichtangaben solle sicherstellen, dass der Verbraucher sich ein nicht nur einseitiges Bild vom Wert eines angebotenen Arzneimittels machen und eine möglichst rationale Entscheidung darüber treffen kann, ob das angebotene Arzneimittel seinen Bedürfnissen entspricht. Demnach müssen Pflichtangaben zwar nicht auf dem Bestellformular eines Internethändlers vorhanden sein, wohl aber auf den Seiten eines Internetauftritts, die sich mit den "Artikel Detailinformationen" befassen. Würde man den Argumenten des Beklagten folgen, wäre der elektronische Warenverkehr von Pflichtangaben völlig befreit, führt das Gericht aus. Denn dann würde es reichen, auf jeder Seite, auf der ein Artikel beworben wird, den Button "Warenkorb" einzufügen und sie damit als Bestellformular von den Pflichtangaben zu befreien. Die Intention der Pflichtangaben würde damit unterlaufen.

Eine Versandapotheke, die auf ihrer Homepage für eine Reiseapotheke mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln wirbt, muss dabei die vom Heilmittelwerbegesetz (HWG) vorgeschriebenen Pflichtangaben berücksichtigen. Dazu gehört insbesondere der deutlich abgesetzte Satz "Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" sowie bei Monopräparaten der Hinweis auf den Wirkstoff.

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