DAZ aktuell

Auch für DocMorris gilt die Arzneimittelpreisverordnung

BERLIN (ks). Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) bleibt dabei: Auch die niederländische Versandapotheke DocMorris muss die deutschen Arzneimittelpreisvorschriften einhalten, wenn sie Arzneimittel nach Deutschland liefert. Das in Kooperation mit dem Versandhandelsunternehmen Otto offerierte "Bonus-Modell" sei daher unzulässig.

(Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 25. März 2010, Az.: 3 U 126/09)

Bereits im Februar letzten Jahres hatte das Hanseatische OLG als Berufungsinstanz im einstweiligen Verfügungsverfahren dem beklagten Versandunternehmen untersagt, die Werbung für eine "100-prozentige Zuzahlungsersparnis" bei DocMorris fortzusetzen (siehe hierzu auch DAZ Nr. 11/2009). Im anschließenden Hauptsacheverfahren bestätigte das Landgericht Hamburg diese Entscheidung und gab der Klage des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg am 4. August 2009 statt. Es hielt einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen eines Verstoßes gegen § 78 Abs. 2 S. 2 AMG, §§ 1, 3 AMpreisV analog für begründet. Ein Verstoß gegen das Zuwendungsverbot des § 7 HWG sah es hingegen nicht gegeben. Auf die Berufung des beklagten Versandhandelsunternehmens hat das OLG Hamburg nun entschieden, dass sowohl ein Verstoß gegen § 78 AMG, §§ 1, 3 AMpreisV als auch gegen § 7 HWG vorliegt. Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzung seien die §§ 1,3 AMpreisV und § 7 HWG in der Regel nebeneinander anwendbar.

Deutsches Recht anwendbar

Aus Sicht des Gerichts ist auf den Internet-Versandhandel von DocMorris nach dem Marktortprinzip deutsches Wettbewerbsrecht als Recht des Ortes anzuwenden, auf den die geschäftliche Tätigkeit dieser Internet-Apotheke ausgerichtet ist. Die Ausrichtung auf den deutschen Markt ergebe sich daraus, dass das Angebot in deutscher Sprache und an deutsche Kunden erfolge sowie daraus, dass Medikamente vertrieben werden, die in Deutschland zugelassen sind und die Abrechnung mit deutschen Krankenkassen erfolge.

Die Arzneimittelpreisverordnung gelte als international zwingende Eingriffsnorm i. S. v. Art. 34 EGBGB auch für den grenzüberschreitenden Versandhandel, so die Richter. Voraussetzung für diese zwingende Geltung sei neben einem Inlandsbezug des Sachverhalts, dass die inländischen Bestimmungen – ausdrücklich oder nach ihrem Sinn und Zweck – nach dem Willen des Gesetzgebers auch für den grenzüberschreitenden Versandhandel Geltung beanspruchen. Nach Auffassung der Hamburger Richter lassen sowohl der Wortlaut und die Systematik der Vorschriften als auch die mit der Preisbindung für Medikamente verfolgten ordnungs- und gesundheitspolitischen Interessen den Schluss auf einen solchen Regelungswillen des deutschen Gesetzgebers zu. DocMorris sei daher verpflichtet, die deutschen Arzneimittelpreisvorschriften bei einem Vertrieb nach Deutschland einzuhalten. Ein Verstoß gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht sei darin nicht zu sehen. Ausdrücklich und umfassend wendet sich das Gericht in seiner Entscheidung gegen das anderlautende Urteil des OLG Hamm.

Unterbliebene Regelung ist kein Beleg

Dagegen stimmen die Hamburger Richter dem OLG Hamm darin zu, dass der deutsche Gesetzgeber die Geltung der Arzneimittelpreisverordnung bei der Legalisierung des Versandhandels aus ausländischen Apotheken nicht ausdrücklich angeordnet hat, obwohl dies ohne Weiteres möglich gewesen wäre. Dies könne jedoch nicht als ausreichender Beleg dafür herangezogen werden, dass der Gesetzgeber die Regelung gerade nicht auf den grenzüberschreitenden Handel erstrecken wollte. Vielmehr spreche der Umstand, dass eine ausdrückliche Erwähnung unterblieben ist, dafür, dass der Gesetzgeber die Geltung der deutschen arzneimittelpreisrechtlichen Regelungen über die Verweisungskette der § 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a AMG, § 11a S. 1 Nr. 1a ApoG für ausreichend erachte und eine explizite Sonderregelung für nicht erforderlich gehalten habe. Aus diesem Grund folgt das Hanseatische OLG auch nicht der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 28. Juli 2008 (Az. B 1 KR 4/08 R, siehe auch DAZ Nr. 31/2008). Auch das BSG war davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigt habe, die ausländischen Internetapotheken der deutschen Arzneimittelpreisbindung zu unterwerfen.

AMpreisVO: Schutz vor ruinösem Wettbewerb

Der internationale Geltungswille für die Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung ergebe sich zudem aus deren Schutzzweck. Nach § 78 Abs. 2 AMG sollen die Preise den berechtigten Interessen der Verbraucher, Tierärzte, Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen. "Der einheitliche Festpreis soll also vor allem einen ruinösen Preiswettbewerb unter den Apotheken ausschließen, um so eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten sicherzustellen. Für die Gefährdung dieses Schutzzwecks ist es unerheblich, ob eine in- oder ausländische Apotheke zu niedrigeren als den festgelegten Preisen verkauft", konstatiert das Gericht.

Das OLG hat die Revision zugelassen. Eine höchstrichterliche Entscheidung der Frage, ob die Arzneimittelpreisverordnung auch für ausländische Versandapotheken gilt, die nach Deutschland versenden, steht aber bereits für den 17. August an. Dann wird der Bundesgerichtshof in einem gebündelten Verfahren über die Zulässigkeit diverser Apotheken-Bonus-Modelle entscheiden, unter anderem über das der Europa Apotheek Venlo.

Urteil im Volltext


Das Urteil finden Sie im Volltext unter

www.deutsche-apotheker-zeitung.de in der Rubrik DAZ.online Recht.

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