Arzneimittel und Therapie

Im Zweifel reanimieren

Wenn in der Apotheke oder auf der Straße ein Kunde mit einem Kreislauf-Stillstand zusammenbricht, muss umgehend reanimiert werden. Um möglichst hohe Überlebenschancen zu erzielen, sollte dann alles daran gesetzt werden, typische Fehler zu vermeiden.

Ein häufiger Fehler ist zum Beispiel, dass die Herzmassage nicht mit den geforderten 100 Kompressionen pro Minute durchgeführt wird, sondern viel langsamer. Selbst professionelle Retter haben bei diesem Punkt oft Schwächen und führen die Herzmassage nicht schnell genug durch, wie eine Studie unlängst zeigte. Ausgewertet wurden dabei insgesamt 67 Reanimationen, die vom Klinik-internen Reanimationsteam der Universitätsklinik in Chicago durchgeführt wurden. Bei fast einem Drittel der ausgewerteten Reanimationsabschnitte erfolgte die Herzdruckmassage mit weniger als 90 Kompressionen pro Minute.

Herz nicht nur streicheln

Oft wird bei der Herzmassage auch einfach nicht kräftig genug gedrückt, wie die Studie ebenfalls eindrucksvoll dokumentierte. In 37% wurde die offizielle geforderte Drücktiefe von 38 mm nicht erreicht. Um diesen Fehler zu vermeiden, ist es allerdings wenig sinnvoll, sich auf den exakten Wert von 38 mm zu fixieren, was im Notfall viel zu theoretisch ist. Wesentlich anschaulicher und auch einprägsamer ist die Empfehlung "ordentlich hineinzudrücken. Und wenn es dabei nicht knackst, dann wurde normalerweise auch nicht tief genug gedrückt", betont Prof. Dr. med. Fritz Sterz, stellvertretender Vorstand der Universitätsklinik für Notfallmedizin in Wien. Das kann zwar einige Überwindung kosten, doch "wer das Herz nur streichelt, wird keinen ausreichenden Blutfluss zustande bekommen", so der Hinweis des Notfallmediziners.

Ein weiterer Reanimationsfehler sind zu lange Unterbrechungen der Herzdruckmassage, um etwa für die Beatmung und andere Maßnahmen zu sorgen. So zeigte sich in der Chicago-Studie, dass es bei 40% der Reanimationsphasen zu Unterbrechungen von mehr als 20% der Reanimationszeit kam. Die Folge kann ein unzureichender Blutkreislauf sein, der die Chancen auf eine erfolgreiche Wiederbelebung drastisch sinken lässt.

Mund fest aufpressen

Und auch bei der Beatmung lassen sich mit ein paar einfachen Ratschlägen häufige Probleme vermeiden. Der entscheidende Punkt ist, dass wirklich ausreichend Luft in die Lungen gelangt. Um das zu überprüfen, muss man während der Atemspende mit einem Auge in Richtung Brustkorb schauen, ob sich dieser hebt. Tut er das nicht, dann gelangt keine Luft in die Lungen und die Beatmung ist ineffektiv. Typische Fehler sind, dass der Kopf des Patienten nicht korrekt nach hinten überstreckt oder der Mund bei der Atemspende nicht fest genug aufgepresst wird und Luft so entweicht. Und manchmal wird auch einfach vergessen, die Nase des Patienten zuzuhalten, so dass die Luft nicht in Richtung Lunge strömt.

Wo ist der korrekte Druckpunkt?

Für Unsicherheit sorgt auch immer wieder die Frage, wo man bei der Herzmassage eigentlich genau drücken soll. Die Leitlinien verlangen, am unteren Rippenbogen die Sternumspitze aufzusuchen und von dort zwei Querfinger nach oben zu gehen. Möglicherweise ist diese Empfehlung für den Notfall, in dem man als Helfer unter Hochspannung steht, aber zu kompliziert. Viel einfacher und mindestens genauso gut ist der Ratschlag, in Höhe der Brustwarzen auf das Brustbein zu drücken, so Sterz, der bei diesem Vorgehen die Gefahr, dass eine Rippe bricht und sich in die Leber oder Milz bohrt, nicht höher einschätzt als bei der Zwei-Querfinger-Empfehlung.

Zumal das potenzielle Risiko in keinem Verhältnis zum möglichen Benefit steht, dass nämlich mit möglichst einfachen Empfehlungen die Qualität der Reanimation zunimmt, die Bereitschaft zur Ersten Hilfe steigt und somit möglichst viele Menschenleben gerettet werden. Lediglich bei Frauen mit großer Brust müsse man sich eventuell mit der Mitte des Brustbeins behelfen, was aber nur in seltenen Fällen wirklich erforderlich sei.

Niemand stirbt, weil eine Herzmassage begonnen wird

Zu Verzögerungen führt im Notfall auch immer wieder die Frage, ob tatsächlich ein Herz-Kreislauf-Stillstand vorliegt und reanimiert werden muss. Nur bedingt ist für diese Entscheidung zum Beispiel die Pulskontrolle tauglich, die jahrelang als Goldstandard angesehen wurde. Denn das Tasten des Pulses ist bei Herz-Kreislauf-Notfällen, in denen oft sehr niedrige Blutdrücke und langsame Herzfrequenzen anzutreffen sind, nicht nur extrem schwierig, sondern kann auch viel wertvolle Zeit kosten. Selbst Notärzte haben damit Probleme, wie Studien belegen. Für Laien wird deshalb die Pulskontrolle schon seit längerem von den internationalen Leitlinien nicht mehr als Entscheidungshilfe empfohlen.

Stattdessen soll mit der Herzmassage begonnen werden, wenn sich beim Beatmen keines der folgenden Zeichen für einen vorhandenen Kreislauf zeigt:

  • Körperbewegungen,
  • eine normale Atmung oder
  • Husten.

Allerdings kann die Atmung schnell zu Fehleinschätzungen führen. Denn bei einer vermeintlich normalen Atmung kann es sich auch um eine Schnappatmung handeln, die im Rahmen der Agonie, also dem Todeskampf des Organismus, häufig zu beobachten ist. Eine ausreichende Ventilation der Lunge findet dabei jedoch nicht statt. Die fatale Folge ist, dass nicht umgehend mit der Reanimation begonnen wird und die Chancen auf eine erfolgreiche Wiederbelebung sinken. Statt der unsicheren Überprüfung von Atmung und Puls empfiehlt Professor Sterz daher für die Praxis: "Umgehend mit der Herzdruckmassage beginnen, wenn jemand bewusstlos zusammenbricht und der Betroffene ,wie tot' aussieht."

Viele sterben, weil nicht reanimiert wird

Wie ein toter Mensch aussieht, lässt sich zwar nur schwer beschreiben. "Dennoch wird dies jeder in einer solchen Situation sofort erkennen", betont Sterz. Werden bei einem Herzstillstand die Angehörigen befragt, wie der Betroffene aussah, als er kollabiert am Boden lag, dann kommt immer die gleiche Antwort: Der sah aus wie tot. Dieses Bild ist so eindeutig, dass keine weitere Beschreibung notwendig ist. Und falls sich der Patient gegen die schmerzhafte Herzdruckmassage wehren sollte, ist das nach Hinweisen des Notfallmediziners kein Problem.

Im Gegenteil: Dann liegt auch kein Herz-Kreislauf-Stillstand vor und eine Reanimation ist nicht notwendig. Hinfällig sei damit auch die Diskussion, wie man am besten einen Schmerzreiz zur Überprüfung des Bewusstseins setzt. "Grundsätzlich sollte man bedenken, dass noch niemand gestorben ist, weil mit der Herzmassage begonnen wurde", gibt Sterz zu bedenken, "allerdings sind schon viele Millionen Menschen gestorben, weil damit nicht begonnen wurde. Die Devise kann daher im Zweifelsfall nur lauten: Just do it!"

 

Dr. Karl Eberius, Heidelberg

Typische Fehler der Reanimation


 

  • Herzmassage zu langsam (Ziel: 100/min.)
  • zu oberflächliche Thorax-Kompressionen
  • zu lange Unterbrechungen der Herzmassage – kein ausreichender Blutfluss
  • zu viel Zeit für die Beatmung (Herzmassage und Beatmung beim Erwachsenen im 15:2-Takt, sowohl bei der Ein- als auch der Zwei-Helfer-Methode)
  • Kopf des Patienten beim Beatmen nicht korrekt nach hinten überstreckt
  • Mund bei der Atemspende nicht fest genug aufgepresst – Luft entweicht
  • Zuhalten der Nase wird bei der Mund-zu-Mund-Beatmung vergessen – Luft strömt nicht in Richtung Lunge

Das könnte Sie auch interessieren

Neue Leitlinien zur Wiederbelebung

Herzdruckmassage ist am wichtigsten

COVID-19-Patienten auf Intensivstation – eine Übersicht

Warten auf die Welle

Woche der Wiederbelebung

Gröhe: Jeder kann Lebensretter sein

Der allergische Notfall ist selten, aber unberechenbar

Bedrohliches Bienengift

Bei Warnsignalen schnell reagieren

Herzstillstand im Sport

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.