Schwerpunkt: Schnupfen, Husten und Co.

Vitamine und Spurenelemente: Helfen sie gegen Erkältungen?

Unbestritten sind die Vitamine C und E und die Spurenelemente Zink und Selen wichtig für das Immunsystem und damit für die Infektabwehr. Doch kann man sich durch ihre Einnahme vor Erkältungen schützen?

Vitamin C findet sich in allen lebenden Zellen. Es gehört zu den körpereigenen biochemischen Redoxsystemen. Zusammen mit Vitamin E ist es Teil des antioxidativen Abwehrsystems (s. Kasten). Vitamin E ist ein lipophiler Radikalfänger. Zum einen verhindert es die Peroxidbildung ungesättigter Fettsäuren in Membranlipiden, zum anderen lagert es sich in Low-density-Lipoproteine (LDL) ein und verhindert auch dort oxidative Prozesse. Vitamin C kommt in diesem System die Aufgabe zu, oxidiertes Vitamin E wieder zu regenerieren, also wieder in die reduzierte Form zu überführen. Oxidativer Stress soll das Immunsystem schwächen und Infektionen begünstigen. Vitamin C und E sollen diesem Stress entgegenwirken und so vor Infektionen und damit vor Erkältungen schützen.

Vitamin C hilft bei extremen körperlichen Belastungen

Doch der Nutzen einer Vitamineinnahme zum Schutz vor Erkältungen ist nach wie vor umstritten. Eine neue Metaanalyse [1] von 23 Studien aus den vergangenen 25 Jahren zur Einnahme von Vitamin C gegen Erkältung kommt zu dem Schluss, dass das Erkältungsrisiko sich durch prophylaktische Vitamin-C-Gabe von bis zu 2 g pro Tag nicht verringern lässt. Lediglich die Dauer der Erkältung konnte geringfügig reduziert werden. Profitiert haben allerdings Studienteilnehmer, die extremen körperlichen Belastungen oder extremer Kälte ausgesetzt waren. Hier konnte die prophylaktische Vitamin-C-Einnahme das Erkältungsrisiko im Vergleich zu Placebo um die Hälfte reduzieren.

Reaktive Sauerstoffspezies

Wie der Körper sich schützt 

Reaktive Sauerstoffspezies, also Hydroxylradikale, Singulett-Sauerstoff, Peroxide oder Superoxidradikalanionen, können auf vielfältige Weise zum einen bei körpereigenen Prozessen entstehen, zum anderen kann ihre Bildung von außen beispielsweise durch Strahlung, Ozon, Rauchen und auch durch Arzneimittel induziert werden. Sie reagieren unter anderem mit Nukleinsäuren, Lipiden und Proteinen und lösen so Mutationen und Zellschäden aus. Damit sind sie maßgeblich an der Entstehung von Tumoren und degenerativen Erkrankungen wie Arteriosklerose und Katarakt beteiligt, aber auch an Alterungsvorgängen. Der Körper schützt sich vor den Angriffen reaktiver Sauerstoffspezies durch Antioxidanzien. Dazu zählen die lipophilen Tocopherole, Tocotrienole und Carotinoide sowie die hydrophile Ascorbinsäure. Weiterhin sind Enzyme wie die Glutathionperoxidasen und Superoxiddismutasen an der Inaktivierung reaktiver Sauerstoffspezies beteiligt. Glutathionperoxidasen enthalten als Metallion Selen, Superoxiddismutasen Kupfer oder Zink.

Vitamin-Supplementation: Sinnvoll für Alte und chronisch Kranke?

Sinnvoll scheint die prophylaktische Vitamineinnahme vor allem für immungeschwächte alte Menschen und chronisch Kranke zu sein. Gerade bei alten Menschen soll die Plasmakonzentration von Vitamin C deutlich unter der der deutschen Bevölkerung liegen (61 vs. 28 mmol/l). Diese latente Vitaminmangelsituation soll durch Medikamenteneinnahme noch zusätzlich verschärft werden [2].

Ähnlich wird bezüglich Vitamin E argumentiert. Eine suboptimale Vitamin-E-Versorgung soll allgemein immunsuppressiv wirken. Wie die Vitamin-C-Versorgung soll auch die Vitamin-E-Versorgung bei alten Menschen schlechter sein als bei der Durchschnittsbevölkerung. Zudem müssten sie mehr Vitamin E zuführen um Funktionen des Immunsystems aufrecht zu erhalten und die verminderte zelluläre Immunantwort zu steigern.

Ergebnisse klinischer Studien sind ernüchternd

Während sich zwar in verschiedenen Studien positive Wirkungen einer Vitamin-E- oder -C-Supplementation auf verschiedene Parameter des Immunsystems zeigen ließen, sind die Ergebnisse klinischer Studien ernüchternd. Eine jüngst im British Medical Journal publizierte Studie ist der Frage nachgegangen, ob die tägliche Einnahme eines Multivitamin- und Mineralstoffpräparates über ein Jahr Erkältungen vorbeugen kann. Die Studie wurde mit 910 über 65-jährigen Männern und Frauen durchgeführt. Sie erhielten randomisiert entweder eine Multivitamin- und Multimineralstoffsupplementation oder Placebo. Durch die Vitamin- und Mineralstoffsupplementation ließen sich weder die Infektionshäufigkeit noch die Zahl notwendiger Arztbesuche senken. Auch die Lebensqualität wurde nicht verbessert. Danach schützt eine Multivitamin- und Multimineralstoffsupplementation ältere Menschen nicht vor Erkältungen [3].

Kurze Zeit zuvor war ebenfalls im British Medical Journal eine systematische Analyse verschiedener randomisierter klinischer Studien zum Einfluss einer Multivitamin- und Mineralstoffsupplementation zur Infektionsprophylaxe bei älteren Menschen veröffentlicht worden [4]. Die Autoren kamen zu dem Schluss: Die Möglichkeit, durch Vitamin- und Mineralstoffsupplementation das Infektionsrisiko bei älteren Menschen zu senken, erscheint vor dem Hintergrund der analysierten Studien fraglich. Eine generelle Vitamin- und Mineralstoffsupplementation kann aufgrund der widersprüchlichen Datenlage nicht empfohlen werden. Weitere Studien zur Klärung seien notwendig.
 

Vitamin C, Vitamin E, Zink und Selen 

Wie hoch ist der Tagesbedarf? 

  • Vitamin C (Ascorbinsäure): 100 mg
  • Vitamin E (Tocopherol): 12 bis 14 mg
  • Zink: 7 bis 10 mg
  • Selen: 30 bis 70 mg

Was kann Zink leisten?

Vitamin C und E haben im Körper die Aufgabe, zusammen mit Enzymen wie den Glutathionperoxidasen und Superoxiddismutasen vor Schäden durch reaktive Sauerstoffspezies (s. Kasten) zu schützen. Superoxiddismutasen enthalten die Metallionen Zink oder Kupfer, die Glutathionperoxidasen Selen.

Zink ist entscheidend an Wachstums- und Entwicklungsvorgängen des Organismus beteiligt, ebenso greift es in viele Prozesse des Immunsystems ein. Zinkmangel geht mit einer reduzierten Abwehrkraft des Körpers einher. Rezidivierende Infekte können die Folge sein. Im Alter sollen Zinkmangelzustände infolge einer Malabsorption häufiger sein. Der Zinkbedarf kann außer in Schwangerschaft und Stillzeit beispielsweise auch bei Infektionen erhöht sein. Chronische Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder chronische Darmerkrankungen sollen als Folge der gestörten Immunfunktion zur Zinkverarmung beitragen.

In zahlreichen Studien ist der Frage nachgegangen worden, ob durch Zinksubstitution der Verlauf einer Infektionskrankheit beeinflusst werden kann. Die Ergebnisse sind widersprüchlich. In verschiedenen weiteren Studien ließ sich die Krankheitsdauer signifikant verkürzen, wenn zu Beginn einer Infektion 13 mg Zink alle zwei bis drei Stunden gegeben wurde. Uneinheitlich sind die Auswirkungen auf die Schwere der Erkältungssymptome. Generell sieht es so aus, dass niedrige Dosierungen wie beispielsweise 5 mg Zink alle zwei bis drei Stunden gegeben, keinen Einfluss auf Dauer und Schwere einer Erkältung haben.

Wissenschaftler vom Institut für Lebensmittelwissenschaft der Universität Hannover kommen zu dem Schluss, dass aufgrund der für ein positives Studienergebnis notwendigen hohen Dosierungen von ca. 60 bis 140 mg Zink pro Tag eine generelle Zinksupplementation bei Erkältungskrankheiten nicht empfohlen werden kann. Langfristig betrachtet lägen diese Dosierungen im toxisch relevanten Bereich. Ob physiologische Dosierungen von Zink über den Ausgleich einer unzureichenden Versorgung hinaus immunstimulierende Effekte hätten, sei nicht geklärt [5].

 

Grafik: Bühler
ABB. 1: Die Glutathionperoxidase und die Glutathionreduktase gehören zu den wichtigsten Schutzsystemen des Menschen vor radikalischer Gewebeschädigung. Die Glutathionperoxidase enthält vier Selen-Atome, gebunden als Selenocystein im aktiven Zentrum. Das Enzym katalysiert die Oxidation von reduziertem Glutathion (GSH) zu oxidiertem Glutathion (GSSG, Glutathiondisulfid). Dabei werden organische 
Peroxide (ROOH) verbraucht und Wasser gebildet. Für seine katalytische Aktivität benötigt das Enzym reduziertes Glutathion (GSH) als Coenzym für die Reduktion von Peroxiden. Die Glutathionreduktase sorgt dafür, dass das anfallende oxidierte Glutathion (GSSG) wieder reduziert wird.

Selen kann das Immunsystem stimulieren – doch hilft es bei Erkältungen?

Als Bestandteil des Enzyms Glutathionperoxidase ist Selen maßgeblich an der Beseitigung oxidativer Sauerstoffspezies beteiligt (Abb. 1). Damit ist Selen ebenfalls ein für die Infektabwehr wichtiges Spurenelement. Selenmangel soll zu mehr oder weniger ausgeprägten Störungen der Interleukin-2-vermittelten Wirkungen auf verschiedene Zellen des Immunsystems führen und damit die Entwicklung chronisch entzündlicher Erkrankungen begünstigen, die ihrerseits wieder den Selenverbrauch steigern sollen. Durch eine Selensupplementierung von 200 μg pro Tag soll das Immunsystem stark stimuliert werden. Da im Alter oft mit einem geschwächten Immunsystem zu rechnen ist, soll gerade bei alten Menschen durch eine Selensupplementation die Aktivität des Immunsystems verbessert werden. Ob mit einer Supplementierung Erkältungskrankheiten zu vermeiden oder in ihrem Verlauf zu beeinflussen sind, ist offen.

Apothekerin Dr. Doris Uhl

 

Quelle 
[1] Douglas, R.; Hemilä, H.: Vitamin C for Preventing and Treating the Common Cold. PloS Medicine 2(6), 168 (2005). 
[2] Biesalski, H.-K.; Tinz, J.: Antioxidanzienkombinationen zur Stärkung des Immunsystems. Pharm. Ztg. 150, 3634 – 3638 (2005). 
[3] Avenell, A.; et al.: Effect of multivitamin and multimineral supplements on morbidity from infections in older people (MAVIS trial): pragmatic, randomised, double blind, placebo controlled trial. Brit. Med. J. 331, 324 – 329 (2005). 
[4] El-Kadiki, A.; Sutton, A. J.: Role of multivitamins and mineral supplements in preventing infections in elderly people: systematic review and metaanalysis of randomised controlled trials. Brit. Med. J. 330, 871 (2005). 
[5] Hahn, A.; et al: Selen und Zink in Prävention und Therapie. Dtsch. Apoth. Ztg., 145 (11), 62 (2005).
 

Meinung: ...nur gegen die Erkältung hilft es nicht! 

Eine Prophylaxe einer Erkältungskrankheit oder die Milderung der Symptomatik mit Zink, Vitamin E und Vitamin C ist nicht möglich; lediglich bei manifesten Mangelsyndromen ist eine Substitution natürlich – nach Diagnose – indiziert. Sie wurden bisher nur in Entwicklungsländern, oder bei Mangelernährung, chronischen Darmerkrankungen oder Kurzdarm-Syndrom beschrieben. Sowohl Vitamin C als auch Zink können nahezu nicht überdosiert werden, so dass toxische Wirkungen nur selten beschrieben werden. Daher ist gegen eine Substitution nichts einzuwenden, nur gegen die Erkältung hilft es nicht (vielleicht aber gegen andere Symptome, die nicht untersucht wurden – das ist nicht auszuschließen). Bei jedoch geringem Risiko der Einnahme sollte man mit einer absoluten Ablehnung vorsichtig sein – alles können die neueren Studien eben auch nicht beantworten. Als fettlösliches Vitamin ist Vitamin E ab einer 50-fachen Dosierung der empfohlenen Tagesdosis mit Nebenwirkungen verbunden (zum Beispiel aggregationshemmende Wirkungen).

Außerdem ist ein protektiver Effekt nur sporadisch beschrieben worden – in den besseren Studien wird dieser sogar negiert! Es sind hier sogar negative Wirkungen beschrieben worden, so dass in Zusammenschau aller Daten eine Verordnung von Vitamin E ohne manifeste Mangelerkrankung meines Erachtens nicht indiziert ist.

Dr. med. Nils Krähmer 
Medizinische Klinik I mit Poliklinik 
Friedrich-Alexander-Universität 
Erlangen – Nürnberg, 
Ulmenweg 19, 91054 Erlangen

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