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Streit um Praxissoftware: Keine DocMorris-Gutscheine vom Arzt

FRANKFURT (zbw/diz). Das Landgericht Koblenz hat mit einem erst jetzt veröffentlichten Urteil (18. Oktober 2005 – 1 HK.O 165/05) einem Vertreiber von Praxissoftware für Ärzte untersagt, ein Programm-Modul zu integrieren, durch das direkt aus der Praxissoftware Gutscheine für die Versandapotheke DocMorris ausgedruckt oder Rezepte direkt an die Versandapotheke weitergegeben werden können.

Wie die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. mitteilt, berechtigte der Gutschein den Patienten, bei Bestellung über die Versandapotheke eine Reihe von preislichen Vorteilen in Anspruch zu nehmen. Auch eine Einstellung "Rezeptverarbeitung über Versandapotheke" war vorgesehen, so dass der Arzt direkt die Rezepte an DocMorris weitergeben kann. In den Informationsunterlagen war mehrfach davon die Rede, dass die Ärzte den Patienten von den Vorteilen der größten Versandapotheke Europas überzeugen sollten.

Die Wettbewerbszentrale hatte argumentiert, durch die beanstandete Software solle offenbar die ärztliche Autorität genutzt werden, um einer bestimmten Apotheke weitere Kunden zuzuführen. Das Landgericht Koblenz bestätigte die Auffassung der Wettbewerbszentrale und untersagte dem Unternehmen die Verwendung seiner Praxissoftware. Es begründete die Entscheidung mit den berufsrechtlichen Regelungen für Ärzte, wonach Empfehlungen zu Gunsten Dritter ohne hinreichenden Grund verboten sind. Eine besonders preiswerte Versorgung mit Medikamenten stelle aber, so das Gericht, keinen solchen Grund dar.

"Das Gericht hat mit dieser Entscheidung allen Versuchen, mittels spezieller Software das Verschreibungsverhalten der Ärzteschaft zu beeinflussen, einen Riegel vorgeschoben", kommentierte Dr. Münker, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Wettbewerbszentrale, das Urteil. Die DAZ fragte bei Christiane Köber, zuständige Rechtsanwältin der Wettbewerbszentrale, nach:

DAZ:

Frau Köber, in welcher Größenordnung wird der Einsatz der Praxissoftware mit diesen Modulen vermutet. Wie verbreitet ist diese Art der Software?

Köber:

Wie oft die beanstandete Praxissoftware angeboten oder bereits genutzt wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Die Wettbewerbszentrale ist aufgrund lediglich einer Beschwerde vorgegangen. Es wird immer wieder mit den verschiedensten Methoden versucht, die Autorität der Ärzte zu nutzen, um den Absatz der eigenen Produkte oder der Dritter zu steigern. Der Sachverhalt, über den das Landgericht Koblenz zu urteilen hatte, war uns allerdings neu.

DAZ:

Wie lässt sich das Urteil auf den Punkt gebracht interpretieren?

Köber:

Das Urteil stellt die Wettbewerbsgleichheit unter den Apotheken wieder her. Es verhindert außerdem, dass von Seiten Dritter versucht wird, das Verschreibungsverhalten der Ärzte zu beeinflussen. Und schließlich profitiert auch der Verbraucher von fairem Wettbewerb: Er kann sich sicher sein, dass sich die ärztliche Verordnung an sachlichen, gesundheitsbezogenen Kriterien orientiert, unbeeinflusst von irgendwelchen Absprachen Dritter. Und er hat weiter die freie Wahl, welche Apotheke er aufsuchen möchte, um sich die Verordnung seines Arztes zu verschaffen.

DAZ:

Erhielten die Ärzte Vergünstigungen oder Honorare von der Versandapotheke für ihre Zuweisungen?

Köber:

Das wissen wir nicht. Eigentlich liegt die Vermutung näher, dass der Hersteller der Software von der Versandapotheke Vergünstigungen erhält, denn welchen Grund gibt es für ein Unternehmen, gerade eine bestimmte Apotheke zu fördern? Aber auch dazu liegen uns keine Informationen vor.

DAZ:

Derzeit ist Praxissoftware im Gespräch, die den Ärzten automatisch bestimmte Generikahersteller vorschlägt. Auch hier wird versucht, Einflussnahme auf die ärztliche Verordnung zu nehmen. Wie sehen Sie diese Vorgehensweise?

Köber:

Ich halte derartige Praxissoftware für ausgesprochen problematisch. Sie verzerrt den Wettbewerb unter den Anbietern. Jeder Arzt, der sich bewusst darauf einlässt, sollte wissen, dass er damit – freiwillig – ein Stück seiner Freiberuflichkeit aufgibt. Von der Pharmaindustrie muss man fordern, dass sie ihre unternehmerische Verantwortung für einen fairen Wettbewerb im Sinne aller Beteiligten – auch der Verbraucher – ernster nimmt.

DAZ:

Frau Köber, vielen Dank für das Gespräch.

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