Gesundheitspolitik

Vitalsana: Kostenpflichtige Beratungs-Hotline unzulässig

Bundesgerichtshof verhandelt über Vitalsana – Frage der Betriebserlaubnis bleibt offen

Karlsruhe (ks). Die telefonische Beratungs-Hotline der holländischen Vitalsana-Versandapotheke darf für Kunden nicht länger mit zusätzlichen Gebühren verbunden sein. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) letzte Woche Donnerstag. Offen bleibt im aktuellen Urteil allerdings die Frage, ob die niederländische Kapitalgesellschaft Vitalsana angesichts ihrer vielfältigen auf deutschen Boden ausgelagerten Tätigkeiten eigentlich einer deutschen Apothekenbetriebserlaubnis bedürfte. So hatte es die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG), gesehen. Diesen Punkt verwiesen die Karlsruher Richter zur erneuten Verhandlung an das OLG zurück. (Urteil des Bundesgerichtshofes vom 19. Juli 2012, Az.: I ZR 40/11)

Die Schlecker-Tochter Vitalsana hat die Pleite der Drogeriemarktkette bislang überlebt – nun wird für sie ein Käufer gesucht. Das letzte Woche in Karlsruhe ergangene Urteil dürfte den Verkaufswert der niederländischen Versandapotheke nicht heben – auch wenn ein besonders wichtiger Punkt nach wie vor zu klären ist.

Wie dem Entscheidungstenor zu entnehmen ist, hat der BGH das vorangegangene Urteil des OLG Stuttgart weitgehend bestätigt und damit zugunsten der klagenden Wettbewerbszentrale entschieden. Die schriftlichen Urteilsgründe stehen allerdings noch aus. So blieb der für das Verfahren zuständige 1. Zivilsenat dabei, dass die den Vitalsana-Kunden angebotene kostenpflichtige Telefonberatung zu Arzneimitteln bereits mit der alten Fassung der Apothekenbetriebsordnung nicht zu vereinbaren ist. Und das, obwohl erst in der kürzlich in Kraft getretenen Novellierung dieser Verordnung ausdrücklich vorgeschrieben ist, dass die telefonische Beratung durch Versandapotheken ohne zusätzliche Gebühren zu erfolgen hat. Dabei hatten die Vitalsana-Anwälte in der mündlichen Verhandlung gerade in diesem Punkt nochmals versucht, Überzeugungsarbeit zu leisten. Die Gebühr für die Beratung gehöre zur Mischkalkulation, argumentierten sie. Doch der Senat konnte dem nicht folgen; genauso wenig hatte er offenbar ein Problem damit, die Apothekenbetriebsordnung überhaupt auf eine niederländische Apotheke anzuwenden.

Keine Abstriche machte der BGH auch in den Punkten Werbung und AGB. Wie die Vorinstanz hielten die Karlsruher Richter die gemeinsame Werbung mit Schlecker für irreführend. Dass für alle Rechtsstreitigkeiten den AGB zufolge niederländisches Recht zur Anwendung kommen sollte, hatte das OLG für unangemessen erachtet – auch dies beanstandete der BGH nicht.

Das OLG hatte überdies entschieden, dass eine ausländische Versandapotheke einer deutschen Apothekenbetriebserlaubnis bedarf, wenn sie hierzulande Arbeitsgänge ausführen lässt, die dem pharmazeutischen Bereich der Apotheke zuzurechnen sind – sei es unmittelbar oder weil sie Auswirkungen auf die Arzneimittelsicherheit oder die Volksgesundheit haben können. In diesem Punkt bestätigte der BGH das Urteil der Vorinstanz jedoch nicht. Ihm war der Klageantrag zu unbestimmt. Aus Sicht der Karlsruher Richter hätte sich das OLG stattdessen mit den Hilfsanträgen auseinandersetzen müssen, die die Wettbewerbszentrale vorsichtshalber gestellt hatte. In diesen benannte sie vier konkrete Tätigkeiten, die aus ihrer Sicht so weit gehen, dass eine deutsche Betriebserlaubnis nötig wäre. Dazu zählt die in Deutschland betriebene Vitalsana-Niederlassung, von der aus das Marketing geleitet und Verträge geschlossen werden. Außerdem die Beratung über ein Call-Center der Bertelsmann-Tochter Arvato im deutschen Kornwestheim. Auch dass die Rezeptverarbeitung in Deutschland vorgenommen wird und Retouren bei einem Großhandelsunternehmen des Schlecker-Konzerns zurückgegeben werden, hatte die Klägerin gerügt.

Das OLG Stuttgart wird sich nun – nachdem in schätzungsweise rund drei Monaten die Urteilsgründe des BGH vorliegen – mit diesen konkreteren Hilfsanträgen auseinandersetzen müssen. Der Vorsitzende Richter am BGH ließ in der mündlichen Verhandlung durchblicken, dass auch er geneigt ist, der Klägerinnenseite zuzustimmen, soweit es um die drei Punkte Beratung, Rezeptverarbeitung und Retouren geht – dies seien Leistungen, die in die pharmazeutische Kernkompetenz fielen.

Sollte das OLG ein weiteres Mal zu dem Ergebnis kommen, dass Vitalsana einer Apothekenbetriebserlaubnis bedarf, wäre die Niederlage für die Vesandapotheke komplett. Denn als Kapitalgesellschaft kann Vitalsana wegen des bestehenden Fremdbesitzverbotes eine solche Erlaubnis gar nicht erteilt bekommen.

Christiane Köber von der Geschäftsführung der Wettbewerbszentrale zeigte sich mit dem Urteil des BGH "insgesamt zufrieden". Allerdings betonte auch sie, dass der spannendste Punkt nun nochmals verhandelt wird. Der bayerische Kammerjustiziar Klaus Laskowsi freut sich ebenfalls über das Urteil und sieht der nun anstehenden OLG-Entscheidung "gelassen" entgegen. Die teilweise Rückverweisung des Verfahrens an das OLG kann er aus juristischen Gründen nachvollziehen. Seine Zuversicht trübt dies nicht.

Die bayerische und die baden-württembergische Apothekerkammer hatten das Verfahren gegen Vitalsana ursprünglich initiiert. Geführt wurde es dann von der Wettbewerbszentrale, bei der beide Kammern Mitglieder sind.



AZ 2012, Nr. 30, S. 1

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