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Unlauterer Wettbewerb: Schwarze Schafe bei Apothekern, Ärzten und Krankenkassen

BAD HOMBURG (hb). Gut beschäftigt war die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. im vergangenen Jahr auch im Gesundheitsbereich. Wie die Wettbewerbszentrale am 27. Februar 2003 in ihrer Hauptstelle in Bad Homburg vor Journalisten bekanntgab, wurden dort auf diesem Gebiet 1600 Anfragen und Beschwerden bearbeitet. Etwa die Hälfte führte zu Beanstandungen. In der überwiegenden Zahl der Fälle kam es jedoch nicht zu Prozessen. Meist handelte es sich um eindeutige Verstöße, die durch Abgabe von Unterlassungserklärungen schnell und effektiv unterbunden werden konnten. Rechtsanwältin Christiane Köber beleuchtete einige interessante Fallbeispiele.

Versandhandelsverbot

Im Apothekenbereich habe sich die Wettbewerbszentrale im Berichtsjahr 2002 zum wiederholten Male mit dem Versandhandelsverbot befasst, berichtete Köber, und zwar dieses Mal mit dem Hinweis von Krankenversicherungen an ihre Versicherten, Arzneimittel kostengünstig über Internet-Apotheken beziehen zu können.

So habe zum Beispiel eine Betriebskrankenkasse in einem Informationsheft unter der Überschrift "Medikamente: Zuzahlung muss nicht sein, Internet-Apotheke DocMorris garantiert günstige Qualität" für den Bezug von Arzneimitteln über diese Apotheke geworben, eine Ersatzkasse habe ihren Mitgliedern Unterlagen über den Arzneimittelbezug durch eine Internet-Apotheke überlassen.

In beiden Fällen habe die Wettbewerbszentrale Klage eingereicht, allerdings mit dem Ergebnis, dass der Rechtsweg zu den Zivilgerichten für unzulässig befunden und der Rechtsstreit jeweils an die Sozialgerichte verwiesen worden sei (OLG Hamm: Beschluss vom 25. Juli 2002 - 4 W 128/02, OLG Stuttgart: Beschluss vom 25. Juli 2002 - 2 W 16/02).

Mit Spannung erwarte die Wettbewerbszentrale nun die weiteren Entwicklungen hinsichtlich des Versandhandelsverbotes. Als richtungsweisend werde zum einen der Ausgang des Klageverfahrens beim Europäischen Gerichtshof in Sachen "DocMorris" angesehen, der für Mai diesen Jahres erwartet wird. Zum anderen sei eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht anhängig, und last not least stehe die Abschaffung des Versandhandelsverbotes im Rahmen der Reform des Gesundheitswesens ohnehin zu Diskussion.

Streitgegenstand "Internationale Apotheke"

Zwei Klagen, deren Streitgegenstand die Bezeichnung "Internationale Apotheke" war, konnten im vergangenen Jahr einer Klärung zugeführt werden. Die Wettbewerbszentrale halte die Angabe für irreführend, denn der Kunde verstehe sie dahingehend, so legte Köber dar, dass ständig und aktuell ein internationales Arzneimittelangebot vorrätig gehalten werde oder aber aus einer Vielzahl fremder Länder besonders schnell besorgt werden könne. Die Vorratshaltung ausländischer Arzneimittel sei jedoch arzneimittelrechtlich verboten, und ausländische Arzneimittel könne darüber hinaus jeder Apotheker beziehen.

In einem Verfahren vor dem LG Köln (33 0 343/01) habe der beklagte Apotheker eine entsprechende Unterlassungserklärung abgegeben, nachdem die Kammer bei der mündlichen Verhandlung am 5. Februar 2002 keinen Zweifel daran gelassen hatte, dass sie dazu neige, der Klage der Wettbewerbszentrale statt zu geben.

Eine andere Rechtsansicht habe demgegenüber das OLG München vertreten (Beschluss vom 18. Oktober 2002 - 6 U 3095/02). Für den Senat hätten die umfangreiche Belieferung anderer Apotheken mit ausländischen Medikamenten, die Ausstattung der beklagten Apotheke mit Nachschlagewerken und Datenbanken sowie mehrsprachiges Personal ausgereicht, um die Bezeichnung als internationale Apotheke zu rechtfertigen.

Werbung mit "günstigen Preisen"

Um eine unzulässige preisbezogene Werbung ging es in einem Urteil des LG Meiningen vom 29. August 2002 (HK 0 3/03). Dieses habe eine Apotheke dazu verurteilt, es zu unterlassen, etwa mit den Aussagen "Wie heißen die Apotheken mit günstigen Preisen, starkem Service und hoher Beratungsqualität?" und/oder "Günstige Preise durch gemeinsamen Einkauf in großen Mengen!" auf günstige Preise hinzuweisen, ohne gleichzeitig in engem räumlichen Zusammenhang optisch deutlich wahrnehmbar klarzustellen, dass es hierbei lediglich um das nicht preisgebundene Arzneimittelsegment gehe.

Das Landgericht sah in der Werbung einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot des § 3 UWG. Bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verbraucher werde der nicht zutreffende Eindruck erweckt, dass auch bei preisgebundenen Artikeln durch gemeinsamen Einkauf eine günstigere Preisgestaltung möglich sei. Die Gegenseite habe allerdings Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Euro-Umstellung

Die Euro-Umstellung und die offenbar bei vielen Leuten vorhandenen DM-Restbestände haben auch eine Apotheke zu einer DM-Umtauschaktion nach Ablauf der gesetzlichen Übergangszeit Ende Februar 2002 inspiriert. Die Wettbewerbszentrale habe hierin einen Verstoß gegen § 1 UWG gesehen, und zwar unter dem Aspekt des Vorsprungs durch Rechtsbruch.

Das zuständige LG Dessau habe jedoch die zunächst erlassene einstweilige Verfügung gegen die Apotheke wieder aufgehoben und den Antrag der Wettbewerbszentrale mit Urteil vom 26. September 2002 zurückgewiesen (3 0 71/02). Die Begründung: Es sei einem Gewerbetreibenden im Wege der Privatautonomie erlaubt, vertraglich ein anderes Zahlungsmittel als den Euro zu vereinbaren.

Teppichboden und Kopfschmerzmittel

Im Bereich Wettbewerbsverstöße seitens der Industrie berichtete Köber von einigen Fällen, in denen Unternehmen ihre Produkte mittels Werbeschreiben anpriesen und dabei Schmerzmittel mit versandten. So habe eine Firma, die Teppichböden vertreibt, auf ein Kundenanschreiben mit dem Satz "Bereitet Ihnen Ihr Boden auch Kopfschmerzen?" eine apothekenpflichtige Kopfschmerztablette aufgeklebt.

Diese, wie Köber meinte, eigentlich "recht originelle Idee" habe die Wettbewerbszentrale wegen des Verstoßes gegen § 43 AMG (Apothekenpflicht) bzw. § 4 HWG (fehlende Pflichtangaben) beanstandet, mit Erfolg. Alle in ähnlich gelagerten Fällen abgemahnten Unternehmen hätten schließlich eine entsprechende Unterlassungserklärung abgegeben.

Krankheitsbezogene Werbung für Lebensmittel

Ein weites Betätigungsfeld der Wettbewerbszentrale sei nach wie vor die Bewerbung von Lebensmitteln als Arzneimittel und zwar mit zum Teil "abstrusen Heilversprechen". Unter den Trendprodukten, die, wie Köber ausführte, von Jahr zu Jahr wechseln, hätten Aloe-vera-Produkte im Berichtszeitraum mit 110 Beanstandungen absolut an der Spitze gelegen.

Der Vertreiber eines Saftes aus den Blättern von Aloe vera habe mit der Behauptung geworben, das Getränk könne bei AIDS und Multipler Sklerose helfen, ein anderer habe im Internet (angebliche) Briefe dankbarer Kunden mit spektakulären Heilerfolgen veröffentlicht. Bei der Eindeutigkeit der Fälle seien ganz überwiegend Unterlassungserklärungen abgegeben worden.

Ärzte als verlängerter Arm von Sanitätshäusern

Auf dem Gebiet des ärztliche Berufsrechts hätten die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr zu weiteren, deutlichen Liberalisierungen geführt. Grobe Verstöße ließen sich aber auch weiterhin nicht nur über das Berufsrecht, sondern auch über das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und die Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes wirksam und schnell unterbinden, meint Köber.

Zahlreiche Beanstandungen seien wegen unzulässiger Kooperationen zwischen Ärzten und Unternehmen ausgesprochen worden. Die Wettbewerbszentrale stelle eine zunehmende Tendenz fest, Ärzte als Mittel zur Förderung des Absatzes bestimmter Produkte bzw. von Dienstleistungen zu benutzen oder auch für die Zuweisung von Patienten "Kopfgeld" zu zahlen.

Die Rechtsanwältin schilderte Fälle, in denen Ärzte ihren Patienten Rezepte über Heil- oder Hilfsmittel gar nicht erst aushändigten, sondern gleich eine Belieferung über "befreundete" Unternehmen veranlassten oder sogar selbst als "Filiale" eines bestimmtes Sanitätshauses in ihrer Praxis fungierten. So habe das OLG Köln einen Arzt mit einer Diabetes-Schwerpunkt-Praxis verurteilt, der in seinen Praxisräumen als Depot eines Sanitätshauses Blutzucker-Teststreifen vorrätig gehalten und diese an Patienten ausgegeben hatte (Urteil vom 22. November 2002 -6 U 77/02).

Köber betonte, dass das Vertrauen des Patienten in den Arzt nicht zur Verkaufsförderung bestimmter Produkte missbraucht werden dürfe, besonders dann, wenn die Produkte nicht notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie seien. Darüber hinaus stehe es dem Patienten frei, bei welchem Apotheker oder Sanitätshaus er seine Rezepte einlösen möchte. Diese Wahlfreiheit werde durch Absprachen zwischen Ärzten und Leistungserbringern erheblich beschnitten.

Unlautere Mitgliederwerbung bei den Krankenkassen

In vielen Fällen hätten sich sowohl betroffene Verbraucher als auch Mitbewerber außerdem über irreführende Werbung von Krankenkassen beklagt. Die meisten Beschwerden hätten sich auf Angaben über Beitragssätze bezogen. So habe z. B. eine Krankenkasse G. Mitglieder der Krankenkasse T. angeschrieben, die kurz vorher ihre Mitgliedsbeiträge erhöht hatte und sich bei den Versicherten der Konkurrenz als "die clevere und günstige Alternative" angepriesen, obwohl ihre eigenen aktuellen Beiträge noch höher lagen als die kürzlich erhöhten Beiträge der Krankenkasse T.

Darüber hinaus versuchten private Krankenversicherungsunternehmen in letzter Zeit offenbar vermehrt, bei der GKV freiwillig Versicherte mit zum Teil unlauteren Methoden als Mitglieder zu gewinnen.

Gut beschäftigt war die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. im vergangenen Jahr auch im Gesundheitsbereich. Wie die Wettbewerbszentrale am 27. Februar 2003 in ihrer Hauptstelle in Bad Homburg vor Journalisten bekannt gab, wurden dort auf diesem Gebiet 1600 Anfragen und Beschwerden bearbeitet. Etwa die Hälfte führte zu Beanstandungen. In der überwiegenden Zahl der Fälle kam es jedoch nicht zu Prozessen.

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