Urologie

Transdermales Oxybutynin

Mehr als fünf Millionen Menschen in Deutschland leiden an Blasenschwäche oder Harninkontinenz. Betroffen sind ein Drittel der akut Pflegebedürftigen und die Hälfte der Bewohner von Pflegeheimen, aber auch viele scheinbar Gesunde. Denn viele Inkontinente tabuisieren ihr Leiden, neigen zur Isolation und sind depressiv verstimmt. Neben konservativen Maßnahmen und chirurgischen Interventionen lässt sich die Harninkontinenz medikamentös behandeln. Einer von vielen erfolgreich angewandten Arzneistoffen ist das Oxybutynin. Es steht nunmehr auch als transdermales therapeutisches System (TTS) zur Verfügung, was interessante Vorteile bietet.

 

Formen der Harninkontinenz

Beim Wasserlassen (Miktion) wird der Schließmuskel (Sphinkter) der Harnröhre relaxiert und gleichzeitig der Detrusor angespannt, sodass eine restfreie Entleerung mit kräftigem Strahl erfolgen kann. Die Harninkontinenz ("Blasenschwäche") beschreibt das Unvermögen, einen unwillkürlichen Harnabgang zu vermeiden. Erste Warnsignale für eine beginnende Blasenschwäche sind eine Pollakisurie, Polyurie, Dysurie, Nykturie und eine verzögerte Miktion.

Die Harninkontinenz wird in fünf Formen unterteilt (s. Kasten). Am häufigsten kommen die Belastungsinkontinenz und die Dranginkontinenz sowie Mischformen von beiden vor. Sie werden jeweils in drei Schweregrade unterteilt (Abb. 1). Die Belastungsinkontinenz tritt besonders häufig bei Frauen auf (Inzidenz von etwa 40 bis 60%), da sie einen größeren Beckenboden aufweisen als Männer, nicht über eine Prostata verfügen und weil bei gebärenden Frauen nicht selten Nervenfasern in diesem Bereich zerreißen. Darüber hinaus spielen hormonelle Veränderungen der Frau eine wichtige Rolle, weshalb die Blasenschwäche zu den häufigsten Problemen in und nach den Wechseljahren zählt.

Die Dranginkontinenz kommt bei Frauen mit einer Inzidenz von 10 bis 30%, bei Männern mit einer Inzidenz von 40 bis 80% vor. Üblicherweise wird bei einem Volumen von etwa 150 bis 250 ml Urin erstmals ein Gefühl der gefüllten Blase an das zentrale Nervensystem weitergeleitet. Ein Füllvolumen von etwa 350 bis 450 ml wird als Harndrang wahrgenommen, jedoch kann der Gesunde die Miktion willentlich unterdrücken.

Behandlungsoptionen

Die Behandlung der Harninkontinenz ruht auf den Säulen

  • konservative Maßnahmen (z.B. Blasentraining, Beckenbodengymnastik, Entspannungsverfahren nach Jacobson),
  • chirurgische Interventionen (z.B. Implacement-Therapie mit Zuidex®, Implantation einer künstlichen Silikonprothese) und
  • medikamentöse Therapie (s. Kasten).

Muscarinerge Anticholinergika

Da die Stimulation muscarinerger Rezeptoren – insbesondere der Subtypen M2 und M3 – von entscheidender Bedeutung für die Detrusorkontraktion ist, werden antimuscarinerg wirksame Arzneimittel, die eine Untergruppe der Anticholinergika bilden, zur Behandlung der Dranginkontinenz eingesetzt [11].

Anticholinergika auf der Basis tertiärer Amine (z.B. Atropin) können zwar gut aus dem Gastrointestinaltrakt resorbiert werden, aber in der Regel auch die Blut-Hirn-Schranke passieren, was mehr oder weniger starke ZNS-Nebenwirkungen zur Folge hat.

Quartäre Ammoniumverbindungen wie Trospiumchlorid oder Emepronium zeichnen sich durch eine wesentlich schlechtere ZNS-Gängigkeit aus, werden allerdings auch nicht so gut aus dem Gastrointestinaltrakt resorbiert (Resorptionsquote ca. 5 – 10%). Sie bewirken eine Verringerung des maximalen Detrusordrucks und damit eine Zunahme der Blasenkapazität. Tolterodin ist ebenfalls ein kompetitiver und nicht selektiver Antagonist am Muscarinrezeptor, der die Miktionsfrequenz und die Inkontinenzepisoden verringert [1, 14, 18].

Oxybutynin, Propiverin und Flavoxat werden den Substanzen mit "gemischter" Wirkung zugeordnet. Neben ausgeprägten antimuscarinergen Effekten üben sie auch direkte muskulotrope Wirkungen auf die Blasenmuskulatur aus, die bisher allerdings nicht exakt definiert werden konnten. Diskutiert werden calciumantagonistische und Phosphodiesterase-hemmende Eigenschaften. Oxybutynin soll zusätzlich noch lokalanästhetisch wirken. Es ist wie Propiverin relativ gut verträglich. Von Flavoxat liegen bisher deutlich weniger Studienergebnisse vor als zu Oxybutynin oder Propiverin.

Andere Wirkstoffe wie die α-Adrenorezeptorantagonisten (z. B. Doxazosin, Phenoxybenzamin) sind bisher nur für ausgewählte Fälle vorgesehen, z. B. Patienten mit neurogenen Blasenfunktionsstörungen, benigner Prostatahyperplasie und Detrusorhyperaktivität. Der Noradrenalin-Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (NSRI) Duloxetin wird speziell bei der weiblichen Belastungsinkontinenz eingesetzt, da sein Angriffspunkt bei der Neurotransmission im Sakralmark liegt [14, 18].

Allen Anticholinergika ist zu eigen, dass sie durch die Unterdrückung des Parasympathikus zu Akkommodationsstörungen, Obstipation, Tachykardie und Mundtrockenheit führen. Da sie den Augeninnendruck erhöhen, sind sie bei Patienten mit Glaukom absolut oder relativ kontraindiziert [14, 18, 23].

Oxybutynin – Struktur und Metabolismus

Oxybutynin, das Hydrochlorid eines tertiären Amins (4-Diethylamino-2-butinyl)-2,2-phenyl-cyclohexylglykolat, Abb. 2), ist zur Behandlung der Pollakisurie und Nykturie, des imperativen Harndrangs und der Inkontinenz zugelassen, und zwar auch für Kinder über 5 Jahren [14, 22]. Es bindet selektiv an Muscarinrezeptoren der Blasenmuskulatur, wobei die Bindung an den M3-Subtyp etwa 10fach höher ist als an den M2-Subtyp [11]. Durch seine direkt antagonistischen Effekte am Rezeptor entspannt Oxybutynin den Detrusor. Handelsüblich ist Oxybutynin als Racemat, wobei dem R-Isomer die stärkere antimuscarinerge Wirkung zugesprochen wird.

Die absolute Bioverfügbarkeit von unverändertem Oxybutynin nach oraler Gabe wird mit etwa 6% angegeben, denn es unterliegt einem ausgeprägten Abbau im Darm und in der Leber (First-pass-Effekt). Bereits bei der Passage durch die Darmwand wird es durch das Cytochrom-P450-Enzym CYP3A4 ausgiebig zu Phenylcyclohexylglykolat, 4-Hydroxycyclohexylphenylglykolat und N-Des-ethyloxybutynin (N-DEO) biotransformiert, wobei Letzteres zwar ebenso anticholinerg wirksam ist wie die Muttersubstanz, wahrscheinlich aber stärker zu anticholinergen Nebeneffekten in der Mundschleimhaut führt (siehe Kasten und Abb. 2) [14, 16, 20, 22, 25].

Begründet wird dieser Unterschied mit der höheren Affinität des N-DEO an M1-Rezeptoren, die vor allem im ZNS und im Bereich der Speicheldrüsen vorkommen [11]. N-DEO ist insofern von besonderer Bedeutung, da es nach oraler Gabe in der systemischen Zirkulation in etwa 4 – 10fach höheren Konzentrationen nachzuweisen ist als die Muttersubstanz Oxybutynin. Dabei spielt es keine Rolle, ob Oxybutynin in retardierter oder nicht-retardierter Form verabreicht wird [12].

Suche nach neuen Darreichungsformen

Um die Anwendung von Oxybutynin zu verbessern, wurde eine Arzneiform zur oralen Gabe mit verzögerter Wirkstofffreisetzung entwickelt, die auf der Basis einer patentierten osmotischen Freisetzungs-technik beruht (OROS, Kürzel von "orally taken, osmotically driven"). Mit dieser Darreichungsform lässt sich nicht nur eine wesentlich konstantere Wirkstoffkonzentration im Plasma, sondern auch eine signifikant geringere Mundtrockenheit gegenüber der unretardierten Darreichungsform erreichen. Allerdings ist die Inzidenz eines trockenen Mundes selbst unter der Anwendung des OROS-Systems noch vergleichsweise hoch.

Entsprechende Handelspräparate standen lange Zeit nur außerhalb Deutschlands zur Verfügung (z. B. Ditropan® XL) [2, 3]. Seit kurzem wurde mit dem Handelspräparat Lyrinel™ uno® auch in Deutschland ein Oxybutynin-haltiges Präparat mit OROS-Technologie in den Markt eingeführt. Durch die Verlängerung der Applikationsintervalle (einmal täglich statt dreimal täglich) und die Vermeidung von Konzentrationsspitzen soll mit dem Präparat eine größere Therapietreue bei den behandelten Patienten erreicht werden. Eine weitere Strategie zur Senkung der Nebenwirkungen besteht in der intravesikalen Applikation des Oxybutynins, jedoch ist die entsprechende Herstellung kostenintensiv und relativ aufwändig [17].

Transdermale therapeutische Systeme

In den letzten Jahren wurde die Entwicklung transdermaler therapeutischer Systeme (TTS) zur kontrollierten Wirkstofffreisetzung kontinuierlich vorangetrieben (Tab. 1). Dabei stehen drei Prinzipien im Vordergrund:

1. Durch die topische (dermale) Applikation wird der Gastrointestinaltrakt und damit auch der First-pass-Effekt umgangen, was beispielsweise bei der Applikation von Fentanyl, Buprenorphin oder Glyceroltrinitrat genutzt wird. 2. Die kontinuierliche Wirkstoffabgabe durch das TTS hilft das Auftreten von hohen oder stark schwankenden Wirkstoffkonzentrationen zu vermeiden. Somit lassen sich Nebenwirkungen reduzieren. 3. Ein TTS, das beispielsweise nur 2-mal pro Woche gewechselt werden muss, verbessert die Compliance der Patienten. Darüber hinaus kann die Inzidenz von Magen-Darm-Unverträglichkeiten geringer sein als nach oraler Gabe.

Der erste Wirkstoff, der in Verbindung mit einem TTS in die Therapie eingeführt wurde, war das Glyceroltrinitrat. Zeitlich versetzt folgten die Wirkstoffe Scopolamin und Estradiol. Beim Aufbau eines TTS lassen sich zwei verschiedene Prinzipien der kontrollierten Wirkstofffreisetzung unterscheiden (Tab. 1, Abb. 3).

  • Bei den Reservoir-Systemen (membrankontrollierte TTS) ist in das TTS eine Membran mit spezifischer Durchlässigkeit integriert, durch die der Wirkstoff konstant durchtreten kann. Kommt es zu einer Schädigung der Membran (z.B. durch ein Zerschneiden des TTS), kann es zu einer "Sturzentleerung", d.h. einer abrupten Freisetzung der Gesamtdosis mit den Folgen einer Überdosierung kommen.
  • Bei den matrixkontrollierten TTS liegt eine homogene Dispersion fester Wirkstoffpartikel in einer hydrophilen oder lipophilen Polymermatrix vor. In diesem Fall steuern die Hautschichten die Resorptionsgeschwindigkeit und -rate. Die Freisetzung erfolgt nicht oder nur annähernd zeitkonstant. Aufgrund des Fehlens einer Membran kann es selbst beim Zerschneiden des TTS nicht zu einer Sturzentleerung kommen. Somit gelten die matrixkontrollierten TTS allgemein als sicherer – insbesondere was den Einsatz von Arzneimitteln mit geringer therapeutischer Breite betrifft.

Der wichtigste Nachteil in Verbindung mit einem TTS ist das mögliche Auftreten von Juckreiz oder Hautrötungen an den Stellen, auf die das TTS aufgeklebt wurde, da die Haut durch die Okklusion lokal quellen kann. Um das Risiko lokaler Reaktionen zu minimieren, ist es ratsam, TTS immer nur auf trockene, gesunde und unbehaarte Haut aufzukleben und die Klebestellen zu wechseln (z.B. Bauch, Gesäß und Hüfte). Da insbesondere die matrixkontrollierten TTS nach der Anwendung noch 80 bis 90% des deklarierten Wirkstoffgehalts enthalten können, ist die Entsorgung kindersicher und umweltverträglich (d.h. nicht über die Toilette) vorzunehmen [8, 15].

Oxybutynin TTS

Die Entscheidung, den Wirkstoff Oxybutynin in Verbindung mit einem TTS anzubieten, beruhte vor allem auf dem ersten der oben genannten Vorteile eines TTS: Umgehung des Gastrointestinaltrakts und des First-pass-Effekts und damit auch Vermeidung der Entstehung von N-DEO, um die Inzidenz an anticholinergen Effekten, insbesondere die häufig auftretende Mundtrockenheit, signifikant zurückdrängen zu können. Die Markteinführung erfolgte bereits 2003 in den USA unter dem Handelsnamen Oxytrol®. In Deutschland ist das Präparat seit kurzem unter dem Namen Kentera® im Handel.

Die Wirkstofffreigabe erfolgt matrixkontrolliert (Abb. 3). Die mittlere Schicht enthält neben dem Wirkstoff Oxybutynin (Base) die Hilfsstoffe Triacetin und acrylathaltige Klebmasse. Dieses "Spezialpflaster" erlaubt eine durchschnittliche Wirkstofffreigabe von 3,9 mg pro Tag über eine Resorptionsfläche von 39 cm². Damit ließ sich in gesunden Probanden im Rahmen einer einmaligen Verabreichung eine Oxybutynin-Konzentration von 3 bis 4 ng/ml nach 24 bis 48 Stunden erreichen, die über die weiteren 48 Stunden konstant aufrechterhalten wurde. Somit empfiehlt sich eine Gabe von zwei TTS pro Woche [5, 21, 24].

Oxybutynin wird nach topischer Applikation in anderem Umfang metabolisiert als nach oraler Gabe. So liegt das Verhältnis der durchschnittlichen Plasmakonzentrationen von N-DEO und Oxybutynin nur bei 1,7:1 statt bei 10:1. Darüber hinaus ist die Schwankungsbreite der Oxybutynin-Plasmaspiegel deutlich geringer (Abb. 4) [4]. Das TTS selbst haftet auf der Haut sehr gut. Von 4746 Patienten, die mit Oxybutynin TTS im Rahmen einer klinischen Prüfung behandelt wurden, hatte sich nur bei 0,4% bzw. 0,7% das Spezialpflaster komplett bzw. teilweise abgelöst [5].

Klinische Studien der Phasen II und III

In einer doppelblind durchgeführten, plazebokontrollierten Studie wurden bei 249 Patienten mit Dranginkontinenz, die auf eine orale Gabe von Oxybutynin angesprochen hatten, orales Oxybutynin und Oxybutynin TTS über zwei Wochen miteinander verglichen. Der Plazebo-Arm ließ Schlüsse auf die Effektivität der beiden Darreichungsformen im Hinblick auf die Senkung von Inkontinenz-Episoden zu:

  • Mit beiden Oxybutynin-haltigen Darreichungsformen war eine signifikante Senkung der täglichen Inkontinenz-Episoden um 66% (TTS-Anwendung) bzw. 72% (orale Form) zu beobachten, was keinen signifikanten Unterschied bedeutet.
  • Unter den maximal erreichbaren Dosen war allerdings die Mundtrockenheit in Verbindung mit dem TTS signifikant geringer als bei oraler Gabe (Tab. 2) [6].

Pharmakokinetische Untersuchungen ließen den Schluss zu, dass die Plasmakonzentrationen von N-DEO bei TTS-Gabe erheblich geringer waren als bei oraler Gabe, während die Plasmakonzentrationen der Muttersubstanz in etwa vergleichbar waren [4, 13].

In einer Phase-III-Studie wurde die Wirksamkeit von Oxybutynin TTS im Vergleich zu Plazebo ein weiteres Mal bestätigt:

  • Oxybutynin TTS (Abgabe von 3,9 mg/Tag) verminderte signifikant die wöchentlichen Inkontinenz-Episoden und die Häufigkeit des täglichen Wasserlassens, erhöhte die entleerte Harnmenge (z.B. 26 ml versus 5,5 ml) und verbesserte signifikant die Lebensqualität der Patienten.
  • Während die Inzidenz für Juckreiz an der Applikationsstelle von Oxybutynin TTS gegenüber Plazebo leicht erhöht war (16,8% versus 6,1%), ergab sich in der offenen Studie kein Unterschied hinsichtlich der Mundtrockenheit zwischen Verum und Plazebo (Tab. 3) [9].

In einer weiteren Phase-III-Studie wurde geprüft, inwieweit der Einsatz von transdermalem Oxybutynin (Abgabemenge: 3,9 mg/Tag) gegenüber einer oralen Gabe von Tolterodin (4 mg/Tag in retardierter Form) in Hinblick auf Wirksamkeit und Verträglichkeit vergleichbar war. Eine dritte Gruppe wurde ausschließlich mit Plazebo behandelt. Aufgrund des Double-dummy-Designs erhielt jeder Patient über den Beobachtungszeitraum von 12 Wochen ein TTS (entweder Plazebo oder Oxybutynin) und eine orale Darreichungsform (entweder Plazebo oder Tolterodin). Endpunkte der Studie waren die relative Häufigkeit der Inkontinenz-bedingten Symptome (bezogen auf die Ausgangssituation), die unerwünschten Begleiterscheinungen der Therapien (Tab. 4) und die Lebensqualität der Patienten [10].

  • Sowohl Tolterodin als auch Oxybutynin TTS verminderten signifikant die Häufigkeit täglicher Inkontinenz-Episoden, wobei es zwischen beiden keine signifikanten Wirksamkeitsunterschiede gab.
  • Damit war eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität gegenüber Plazebo verbunden.
  • Hinsichtlich der unerwünschten Begleiterscheinungen (Tab. 4) war unter Oxybutynin TTS am häufigsten das lokale Auftreten von Juckreiz zu beobachten, während die Inzidenz für Mundtrockenheit unter Plazebo mit 1,7%, unter Oxybutynin TTS mit 4,1% und unter Tolterodin mit 7,3% angegeben wurde.

Die Studiengruppe kam angesichts dieser Ergebnisse zu dem Schluss, dass Tolterodin und Oxybutynin TTS hinsichtlich der Effektivität bei Patienten mit Dranginkontinenz oder Mischformen einer Inkontinenz miteinander zwar vergleichbar sind, dass die Anwendung von Oxybutynin TTS jedoch mit einer besseren Verträglichkeit im Hinblick auf anticholinerge Nebeneffekte verbunden sein könnte. Allerdings waren die Verträglichkeitsunterschiede nicht signifikant.

Nach Abschluss der Studie entschieden sich über 90% der mit Oxybutynin TTS behandelten Patienten für die Fortsetzung der Behandlung in der anschließenden offenen Behandlungsphase, was für die hohe Akzeptanz des TTS spricht [10].

 

Anschrift des Verfassers:

Dr. Hans-Peter Lipp 
Universitätsapotheke Tübingen 
Röntgenweg 9, 
72076 Tübingen

 

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Medikamentöse Therapie der

Harninkontinenz (Beispiele)

Parasympatholytika (m-Cholinorezeptor-Antagonisten, Anticholinergika) Emepronium (bis 3 x 165 mg p.o./Tag) Trospiumchlorid (bis 3 x 15 mg p.o./Tag) Tolterodin (1-mal 4 mg p.o./Tag) Substanzen mit "gemischter Wirkung" (Anticholinergika mit zusätzlichen neurotrop-muskulotropen Effekten) Oxybutynin (bis 3 x 5 mg p.o./Tag oder als TTS) Propiverin (bis 3 x 15 mg p.o./Tag) Flavoxat (bis 4 x 200 mg p.o./Tag) α-Adrenorezeptor-Antagonisten Phenoxybenzamin (bis 3 x 20 mg p.o./Tag) Doxazosin, Tamsulosin NSRI Duloxetin Phytopharmaka Kürbissamen, Brennnesselwurzel

 

Formen der Harninkontinenz 
Belastungsinkontinenz 

(Stressharninkontinenz, Sphinkterinkompetenz, Beckenbodenschwäche)

Der Blaseninnendruck (intravesikaler Druck) übersteigt den Widerstand der Blasenschließmuskulatur, z.B. aufgrund einer Beckenbodenschwäche. Körperliche Belastungen wie Treppensteigen, Heben von Lasten, Sport oder plötzliches Ansteigen des intraabdominellen Drucks beim Husten, Niesen führen zu unwillkürlichem Harnabgang.

Dranginkontinenz ("Urge"-Inkontinenz)

Die Dranginkontinenz steht mit einer überaktiven Blasenwandmuskulatur (Detrusor) in Zusammenhang. Die Patienten mit "Reizblase" klagen über häufigen und ständigen Harndrang ("Dauermüssen"). Trotz intaktem Schließmuskel kommt es so zu unwillkürlichem Urinabgang. Weil dabei nur kleine Urinmengen abgegeben werden, erfahren die Patienten dadurch aber keine Erleichterung. Bei mehr als 8 Miktionen innerhalb von 24 Stunden spricht man von Pollakisurie. Bei schweren Formen (Stadium III) wird der Harnabgang von zusätzlichen Tenesmen begleitet.

Reflexinkontinenz

Durch eine Unterbrechung der Steuerung der Blasenentleerung, wie sie durch eine Läsion des ersten motorischen Neurons verursacht werden kann, kommt es zu unkontrolliertem Harnabgang. Auslöser ist häufig eine Schädigung des Rückenmarks (z.B. Querschnittlähmung, fortgeschrittenes Stadium einer Multiplen Sklerose).

Überlaufinkontinenz

Durch Verengungen der Harnröhre oder des Blasenausgangs (z.B. durch Prostatahyperplasie, Harnsteine oder Tumoren) übersteigt der Blaseninnendruck den Druck des Schließmuskels. Nach der Miktion verbleibt ein Restharn, der aufsteigende Harnwegsinfekte und Nierenschäden begünstigt.

Extraurethrale Inkontinenz

Im Rahmen angeborener Fehlbildungen liegen anatomische und funktionelle Besonderheiten vor, die zu einer Harninkontinenz führen.

Anticholinerge Nebeneffekte

Bei oraler Gabe von Oxybutynin-HCl (z.B. 3-mal tägl. 2,5 bis 5 mg) ist mit einer Reihe von anticholinergen Nebeneffekten zu rechnen. Dosisabhängig kommt es sehr häufig zu Mundtrockenheit, vermindertem Schwitzen mit der möglichen Folge eines Wärmestaus, zu verschwommenem Sehen (Akkommodationsstörungen), Pupillenerweiterung (Mydriasis), Abnahme des Tränenflusses, Tachykardie, gastrointestinalen Beschwerden und Schwindel. Entsprechende Gegenanzeigen (z.B. Engwinkelglaukom), Wechselwirkungen mit anderen anticholinerg wirksamen Medikamenten (z.B. Biperiden, Chinidin, Doxepin oder Atropin) sind zu berücksichtigen [22, 23].

Volkswirtschaftlicher Schaden

Schätzungen zufolge liegen in den USA die durch Harninkontinenz bei über 65-Jährigen verursachten Kosten zwischen 26 und 50 Milliarden US-$ pro Jahr. Vergleichbare Daten liegen bisher für Deutschland nicht vor, doch werden schätzungsweise etwa 3500 E pro Patient im Jahr zur Behandlung der Harninkontinenz ausgegeben [19].

Das Wichtigste in Kürze


 

  • Mit Oxybutynin TTS ist vor kurzem der erste Wirkstoff zur Behandlung der Dranginkontinenz als transdermales therapeutisches System in die Praxis eingeführt worden. Das TTS gibt konstant eine Wirkstoffmenge von 3,9 mg/d ab. Es wird 2-mal pro Woche gewechselt, wobei die ausgewählten Körperstellen abzuwechseln sind [5, 7].
  • Klinische Studien mit Oxybutynin TTS lassen den Schluss zu, dass es sich um eine wirksame und sichere Darreichungsform handelt. Mit der angegebenen Dosierung ließ sich eine signifikante Senkung der Inkontinenz-Episoden, der Häufigkeit von Harndrang und eine Steigerung der entleerten Harnmenge pro Wasserlassen erreichen.
  • Gegenüber der oralen Darreichungsform von Oxybutynin trat beim TTS signifikant weniger Mundtrockenheit auf. Diese Nebenwirkung ist im Rahmen der oralen Gabe immer wieder mit Therapieabbrüchen verbunden, während sich in den Studien mit dem TTS über 90% der behandelten Patienten für eine Weiterbehandlung mit dem TTS entschieden. Auch im Vergleich zu Tolterodin trat Mundtrockenheit seltener auf.
  • Die häufigsten unerwünschten Begleiterscheinungen von Oxybutynin TTS sind lokaler Juckreiz und lokale Hautrötungen, die jedoch im Allgemeinen mild sind und keinen Therapieabbruch nach sich ziehen [21].
  • Die bessere Verträglichkeit des Oxybutynin TTS lässt sich mit dem deutlich reduzierten First-pass-Effekt und der damit verbundenen geringeren Menge an N-Desethyloxybutynin (N-DEO) erklären, da N-DEO mit ausgeprägten anticholinergen Effekten in der Mundschleimhaut in Verbindung zu bringen ist [4, 20].
  • Kontraindiziert ist Oxybutynin TTS bei Patienten mit Engwinkelglaukom oder mit bekannten Überempfindlichkeitsreaktionen gegen Oxybutynin oder verwendeten Hilfsstoffen im (wie z.B. Polyester/Ethylenvinylacetat oder Triacetin) [21].

 

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