Arzneimittel und Therapie

Homocystein-Spiegel mit B-Vitaminen senken

Ein Homocystein-Blutspiegel über 10 µmol/l steigert nach heutigem Erkenntnisstand das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten. Über die Hälfte der Menschen ab 50 Jahre hat einen höheren Homocystein-Blutspiegel, meist bedingt durch einen Mangel an Folsäure sowie an den Vitaminen B6 und B12 in der Ernährung. Ihnen sollten Vitaminsupplemente im nutritiven Dosierungsbereich empfohlen werden.

Homocystein ist ein Zwischenprodukt beim Abbau der Aminosäure Methionin. Große epidemiologische Studien haben gezeigt, dass bereits Homocystein-Blutspiegel über 10 µmol/l mit einem Anstieg des kardiovaskulären Risikos verknüpft sind. Mehr als die Hälfte der über 50-Jährigen weisen einen Homocystein-Blutspiegel über dem kritischen Wert auf.

Kausaler Risikofaktor oder nur Begleiterscheinung?

In den letzten Jahren wurde untersucht, ob die Hyperhomocysteinämie tatsächlich Ursache arteriosklerotischer Erkrankungen oder nur eine Begleiterscheinung ist. Für den Beweis der Kausalität einer Beziehung müssen mehrere Kriterien erfüllt sein (s. Kasten). Die Konsistenz und die Stärke der Beziehung zwischen hohem Homocystein-Spiegel und kardiovaskulärem Risiko wurden in mehreren Studien nachgewiesen.

Folgende Mechanismen machen eine Ursache-Wirkungs-Beziehung plausibel:

  • Homocystein kann LDL-Cholesterin sowohl oxidativ als auch durch Thiolacton-Bindung chemisch modifizieren.
  • Homocystein wirkt zytotoxisch. Je höher die Homocystein-Konzentration im Blut, desto höher der Anteil zirkulierender Endothelzellen.
  • Hohe Homocystein-Konzentrationen bewirken, dass vermehrt Lipoprotein(a) an Fibrin gebunden wird mit der Folge, dass die Fibrinolyse vermindert ist.

 

Geringe Dosen B-Vitamine senken Homocystein

Folsäure, Vitamin B6 und Vitamin B12 sind am Homocystein-Stoffwechsel beteiligt. Bei schlechter Vitaminversorgung steigt der Homocystein-Spiegel. Umgekehrt lassen sich erhöhte Homocystein-Spiegel durch Gabe dieser drei Vitamine im nutritiven Dosierungsbereich senken. Die Kombination der drei Vitamine erzielt dabei stärkere Effekte als die Einzelsubstanzen.

Folsäure - Zwangsanreicherung in den USA

Eine Metaanalyse aus 38 Studien ergab bereits im Jahr 1995, dass eine erhöhte Folsäure-Aufnahme durch Zwangsanreicherung der Grundnahrungsmittel in den USA pro Jahr bis zu 50.000 koronare Todesfälle verhüten kann. In den USA werden zum Gefäßschutz, aber auch zur Prävention von Neuralrohrdefekten bei Neugeborenen seit 1998 Grundnahrungsmittel (Mehl, Brot, Reis, Nudeln) mit Folsäure angereichert. Daraufhin sank der Homocystein-Blutspiegel bei Erwachsenen im Mittel um 3 µmol/l, und statt 20% hatten bald weniger als 1% der US-Amerikaner einen Folsäuremangel.

Einer im Jahr 2004 veröffentlichten Schätzung zufolge beugt die Zwangsanreicherung von Lebensmitteln mit Folsäure in den USA jährlich 31.000 Todesfällen durch Schlaganfall und 17.000 durch ischämische Herzkrankheit vor. Die Schlaganfall-assoziierte Sterblichkeit sank nach Einführung der Folsäure-Zwangsanreicherung in drei Jahren um 10 bis 15%.

Weltweit finden derzeit acht große Interventionsstudien mit B-Vitaminen an über 50.000 Teilnehmern mit kardiovaskulärer Fragestellung statt. In der einzigen bislang vollständig ausgewerteten Studie – der VISP-Studie (Vitamin intervention for stroke prevention) – sank die Häufigkeit eines wiederholten Schlaganfalls durch eine erhöhte Gabe von Folsäure, Vitamin B6 und B12 nicht. Das ist nach Ansicht von Prof. Dr. Pietrzik aber auch nicht verwunderlich, weil die Studie parallel zur Folsäure-Zwangsanreicherung stattfand.

Folsäure in Deutschland Mangelware 

Deutsche Wissenschaftler fordern schon lange die gezielte Anreicherung von Grundnahrungsmitteln (z. B. Mehl, Salz) mit Folsäure, wie sie in vielen anderen Ländern (Kanada, Brasilien, Chile, Ungarn) mittlerweile praktiziert wird. Bislang ist dies jedoch nicht erfolgt. Solange diese Maßnahme in Deutschland nicht umgesetzt wird, kann dem Verbraucher Folgendes geraten werden:

  • eine gesunde Ernährung mit fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag,
  • falls eine ausreichende Versorgung mit Folsäure, Vitamin B6 und B12 nicht sichergestellt ist, eine zusätzliche Einnahme geeigneter Vitaminsupplemente.

In Deutschland kümmert sich der Arbeitskreis "Folsäure und Gesundheit" (www.ak-folsaeure.de), in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Dachliga Homocystein (www.dach-liga-homocystein.org) um das Thema Homocystein.

Es gibt erste Hinweise darauf, dass hohe Homocystein-Spiegel mit weiteren Erkrankungen assoziiert sind: einer erhöhten Alzheimerinzidenz und einem erhöhten Frakturrisiko bei Älteren. Unklar ist, ob die erhöhte Homocystein-Konzentration ursächlich an diesen Krankheiten beteiligt ist.

Susanne Wasielewski, Münster

Quelle

Prof. Dr. Klaus Pietrzik, Bonn: "Einsatz von B-Vitaminen zur Prävention Homocystein-assoziierter Erkrankungen" auf der Fortbildungsveranstaltung "Die Rolle von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen in der Primär- und Sekundärprävention chronischer Erkrankungen.", Essen, 12. März 2005.

Kausalitätskriterien

 

  • Stärke der Beziehung
  • Konsistenz
  • Biologischer Gradient (Dosis-Wirkungs-Beziehung)
  • Plausibilität
  • Zeitbedingtheit (Ursache vor Wirkung)

Empfehlung zur Folsäure-, Vitamin-B6- und -B12-Aufnahme

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt Erwachsenen eine tägliche Aufnahme von 400 µg Folsäure mit der Nahrung, Schwangeren eine Aufnahme von 600 µg. Folsäurereich sind unter anderem Spinat, Salate, Weißkohl, Tomaten, Orangen, Leber und Getreide. Die Zufuhrempfehlung der DGE für Vitamin B6 liegt bei 1,2 mg/Tag. Schwangeren und Stillenden wird die Aufnahme von 1,9 mg/Tag empfohlen. An Vitamin B12 sollten Erwachsene täglich 3 µg über die Nahrung aufnehmen.

Homocystinurie

Im Jahr 1963 wurde erstmals die Homocystinurie beschrieben, eine sehr seltene autosomal-erbliche Krankheit, bei der eine Störung der Cystathionin-Synthase vorliegt. Hierbei entsteht aus zwei Molekülen Homocystein die unphysiologische Substanz Homocystin, die im Urin ausgeschieden wird. Gleichzeitig steigt der Homocystein-Blutspiegel auf über 100 µmol/l. Homocystinurie-Patienten erleiden schon in den ersten beiden Lebensjahrzehnten schwere arteriosklerotische und thromboembolische Erkrankungen sowie Skelettveränderungen und sind geistig retardiert.

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