Gesundheitsreform: Union will Konsensgespräche erst im Bundestag führen

Berlin (ks) SPD und Grüne streben an, sich bis zum Sommer mit der Union über die Reform des Gesundheitswesens zu einigen. Dies wurde bei einem Treffen der Koalitionsspitzen am 12. Februar im Kanzleramt vereinbart. Allerdings müsse die Opposition dazu bereit sein, sagten SPD-Generalsekretär Olaf Scholz und Grünen-Chef Reinhard Bütikofer. Der Gesundheitsexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Horst Seehofer zeigte sich schon vorab grundsätzlich verhandlungsbereit Ų "legitimierte Gespräche ohne Gesetzentwurf" der Regierung lehnte er jedoch ab.

Den Schlüssel zur Bewältigung der finanziellen Probleme der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sieht Seehofer nach wie vor in einer anderen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Weniger Arbeitslose, mehr Wachstum – und die GKV wäre den Großteil ihrer Sorgen los. Dennoch hat die Union mittlerweile auch Ideen zur Reform der GKV präsentiert. Was der Fraktionsvorstand am 10. Februar beschlossen hatte (siehe Bericht in der DAZ Nr. 7/2003, S. 32), segnete die Fraktion am folgenden Tag ab. Seehofer präsentierte den Beschluss am 12. Februar als "festes Gesamtkonzept" der Öffentlichkeit, hinter dem sowohl die Bundestagsfraktion als auch die unionsgeführten Bundesländer geschlossen stünden. Seehofer und die gesundheitspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Andreas Storm und Annette Widmann-Mauz sehen sich gut gerüstet für Verhandlungen mit der Regierung – es fehlt nun lediglich die rot-grüne Vorleistung: der für Mai angekündigte Gesetzentwurf. Vorherige Gespräche außerhalb des ordentlichen parlamentarischen Verfahrens kommen für die drei Gesundheitspolitiker der Union derzeit nicht in Betracht. Dennoch steht das Gesprächsangebot von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt.

Ähnliche Begriffe und ihre unterschiedliche Umsetzung

Auf den ersten Blick mag die Konsenssuche gar nicht so schwer erscheinen. Viele der Forderungen aus dem Unions-Beschluss gleichen den Eckpunkten der Ministerin: etwa jene nach mehr Transparenz, mehr Wettbewerb zwischen Kassen und Leistungserbringern Bonus-Systemen und mehr Patientenrechten. Das erkennt auch Seehofer. Doch was die Umsetzung dieser Begriffe betrifft, so liegen zwischen den beiden Volksparteien "Lichtjahre", so der Ex-Gesundheitsminister.

Wie der Beitragssatz auf 13% gedrückt werden soll

Doch die Union macht auch Vorschläge, die Schmidt gar nicht in Betracht zieht. Etwa das Einfrieren des Arbeitgeberbeitrags zur GKV bei sechs bis sieben Prozent und mehr Selbstbeteiligung für die Patienten. So sollen die Lohnnebenkosten, die derzeit bei gut 42% liegen, auf 40% begrenzt werden. Ein GKV-Beitragssatz von 13% wird angestrebt. Realisiert werden soll dies durch die Herausnahme von Leistungen aus dem GKV-Katalog: So würde Storm zufolge die Ausgliederung von Zahnbehandlungen allein elf Mrd. Euro oder eine Beitragssatzsenkung um 1,1 Prozentpunkte bringen. Versicherungsfremde, vornehmlich familienpolitische Leistungen, wie das Sterbe- und das Mutterschaftsgeld oder die Kosten künstlicher Befruchtung machen laut Widmann-Mauz weitere 4,9 Mrd. Euro oder 0,47 Beitragssatzpunkte aus. Durch die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel und Zahnersatz könnten nach Berechungen der Union weitere 1,5 Mrd. Euro bzw. 0,16 Beitragssatzpunkte gespart werden. Eine Gegenfinanzierung über höhere Tabak- und Alkoholsteuer, wie es Widmann-Mauz und Storm noch eine Woche zuvor vorgeschlagen hatten, lehnte die Fraktion allerdings ab.

Keine Angst vorm Selbstbehalt?

Zudem sollen die Versicherten nach dem Willen der Union künftig für alle Gesundheitsleistungen zuzahlen. Die Höhe der gestaffelten Selbstbeteiligung soll sich nach dem Einkommen richten, wird jedoch noch nicht beziffert. In jedem Fall soll es Übergangsfristen geben – und "kleine Leute" werden "nicht unter die Räder kommen", versicherte Seehofer. Der Unions-Fraktions-Vize appellierte an die Regierung, sich der Selbstbeteiligung nicht gänzlich zu verschließen. Er verwies auf eine ähnliche Regelung bei Beamten, die der rot-rote Senat in Berlin kürzlich beschlossen hat. Weit mehr als auf das Eckpunktepapier Schmidts setzt Seehofer ohnehin auf das Kanzleramtspapier, das z.B. auch die Einführung Wahltarife mit Eigenleistungen in der GKV vorschlägt. Keinerlei "Gesprächskorridor" sieht Seehofer, wenn die Regierung an Listenmedizin und Budgetierung festhalten wolle – hier bleibe es beim Nein der Union.

Ministerin noch nicht zufrieden

Die Ministerin steht den Vorschlägen der CDU/CSU skeptisch gegenüber: "Mal wieder sollen die Versicherten und Patienten einseitig belastet werden. Da sollte die Union noch mal gründlich nachdenken" kommentierte sie den Unions-Beschluss gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Zugleich begrüßte sie aber, dass die Union eigene Ideen vorgelegt habe. Allerdings vermisse sie konkrete Aussagen auch zu Reformen der Versorgungsstrukturen.

KBV will bei Konsenssuche behilflich sein

Hinter die Finanzierungsvorschläge der Union stellte sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). "Zu 95 Prozent können wir mit dem Unions-Paket sehr gut leben", sagte KBV-Chef Manfred Richter-Reichhelm am 12. Februar in Berlin. Wohlwissend, dass Regierung und Opposition nun zueinander finden müssen, sucht die KBV nun auch wieder das Gespräch mit Schmidt. Für den 7. März ist bereits ein Termin im Ministerium anberaumt. Richter-Reichhelm will sich konstruktiv für die Ärzte einbringen – und behilflich sein, einen Konsens zwischen Union und SPD zu schaffen.

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