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4. BfArM-Dialogveranstaltung: Naturheilmittel in der Nachzulassung und in Europa

BONN (hb). Die besonderen Therapierichtungen standen im Mittelpunkt der vierten BfArM-Dialogveranstaltung mit Vertretern der pharmazeutischen Industrie und der Arzneimittelverbände am 10. April 2002 in Bonn. Gegenstand des Austauschs waren nicht nur der aktuelle Stand der Verfahren der Zulassung und Nachzulassung, sondern auch neuere Entwicklungen in der Europäischen Union zu pflanzlichen, homöopathischen und anthroposophischen Arzneimitteln.

Nachzulassung: Die Zahlen

Die Zahlen zum Stand der Nachzulassung und Nachregistrierung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen sind der Tabelle zu entnehmen. Die größten Fortschritte sind im Bereich der traditionell angewendeten Phytopharmaka zu verzeichnen. Auf Basis der so genannten Traditionsliste, die insgesamt 969 Stoffe und Stoffkombinationen umfasst, wurden bereits 862 Nachzulassungen erteilt. Nur noch 100 Anträge sind offen.

Nicht so gut sieht es bei den Phytopharmaka aus, für die nach den Vorgaben der 10. AMG-Novelle die sog. Ex-ante-Unterlagen eingereicht werden mussten. Hier sind noch 1493 Anträge zu bearbeiten, allerdings ist bei 88% zumindest die Vorprüfung auf Vollständigkeit der Unterlagen bzw. auf Einhaltung der formalen Voraussetzungen für die Weiterbearbeitung abgeschlossen.

Vorrangig sollen nun zunächst Arzneimittel mit potenziellen Risiken und solche mit einem hohen Marktanteil bearbeitet werden. Zur weiteren Beschleunigung sollen in Zusammenarbeit mit der Kooperation Phytopharmaka Textvorlagen zu den medizinischen Texten erstellt werden. Außerdem sollen Zulassungs- und Nachzulassungsverfahren für Arzneimittel mit demselben Wirkstoff gebündelt bearbeitet werden. In dieser Gruppe verzeichnete die Zulassungsbehörde übrigens 1261 Verzichtserklärungen (mit Abverkauf bis Ende Juni 2003) und 1289 Löschungen von Präparaten, die nicht mehr verkehrsfähig sind.

Bei den Anträgen auf Nachregistrierung ist zu bedenken, dass von den ehemals (Stand 1990) 24 000 Anträgen rund 19 000 von den Antragstellern zurückgenommen oder gelöscht wurden. Ein Teil dieser Arzneimittel ist aber weiterhin rechtmäßig in Verkehr, weil sie nur in geringem Umfang auf den Markt gebracht werden, und daher nicht der Registrierungspflicht unterliegen (sog. 1000er Regelung).

Schweim: "Zielvorgabe 2005 wird eingehalten"

Was die politische Zielvorgabe für die Beendigung der Nachzulassung anbelangt, so gaben sich die Behördenvertreter optimistisch. BfArM-Präsident Prof. Dr. Harald Schweim meint, mit den Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen werde seine Behörde wahrscheinlich sogar schon ein Jahr vorher fertig, wobei diejenigen Anträge, die sich jetzt noch im Verfahren befinden und die im wesentlichen maximal drei Wirkstoffe enthalten, die Nachzulassung nach Einschätzung des zuständigen Abteilungsleiters Dr. Konstantin Keller zum großen Teil schaffen müssten.

Sorge über die hohe Zahl von Klageverfahren

Von Seiten der Industrie wird demgegenüber darüber geklagt, dass die Fristen, die das BfArM in Anhörungsverfahren bzw. zur Beseitigung von Mängeln in den Unterlagen gewährt, zu kurz seien. Besorgnis äußerten die Vertreter der Arzneimittelverbände außerdem angesichts der großen Anzahl von Klagen gegen Nachzulassungsbescheide.

Nach Schätzungen des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) befinden sich ca. 50% aller erteilten Nachzulassungen im wesentlichen wegen mit der Nachzulassung verbundener Auflagen der Zulassungsbehörde im Klageverfahren.

Für gut dokumentierte Präparate ist der Boden in Europa bereitet

Um adäquate Bedingungen für den Marktzugang von Naturheilmitteln in Europa zu schaffen, wurde bei der europäischen Arzneimittelagentur EMEA in London bereits Anfang 1997 eine Arbeitsgruppe "pflanzliche Arzneimittel (HMPWP) eingerichtet. Diese hat seither eine Vielzahl bestehender Leitlinien auf ihre Eignung zur Beurteilung von Phytopharmaka geprüft und an deren spezielle Erfordernisse angepasst bzw. neue Leitlinien erarbeitet.

Darüber hinaus erstellt die Arbeitsgruppe auf Basis der Monographien der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP) zu einzelnen Arzneidrogen so genannte Core-SPC's, die dann auf europäischer Ebene als Grundlage für die Zulassung entsprechender Arzneimittel mit einem "well-established use" dienen sollen.

Die europäische "Traditionals-Richtlinie"

Für traditionell angewendete Präparate, die sich zwar durch eine hohe Anwendungssicherheit auszeichnen, bei denen der Nachweis der Wirksamkeit aber überwiegend auf tradierter Erfahrung beruht, bieten die Bedingungen des "well-established use" keine Auffangposition.

Die Europäische Kommission hat daher die Notwendigkeit anerkannt, für diese Arzneimittelgruppe besondere Rahmenbedingungen für den Marktzugang zu schaffen. Im Januar wurde hierzu der Vorschlag eines speziellen Richtlinien-Entwurfes verabschiedet, der sich an das deutsche Modell der Traditionsliste anlehnt.

Die Produkte müssen eine 30-jährige Anwendung in der Europäischen Gemeinschaft, ersatzweise 15 Jahre Anwendung in der EG plus 15 Jahre in anderen Gebieten nachweisen. Die neue europäische Richtlinie zu traditionell angewendeten pflanzlichen Arzneimitteln wird von der Industrie einhellig begrüßt.

Mit einer gewissen Sorge wird es allerdings betrachtet, dass dann diejenigen Arzneimittel, die das deutsche Nachzulassungsverfahren nach § 109 a bereits erfolgreich abgeschlossen haben, erneut auf den Prüfstand der harmonisierten Regelungen gestellt werden.

Drei Kategorien von Phytos in Europa

Nach den derzeitigen Vorstellungen der Europäischen Kommission und der pharmazeutischen Industrie soll es demnach in Europa in Zukunft bezüglich des Wirksamkeitsbelegs drei Kategorien pflanzlicher Arzneimittel geben:

  • Präparate mit eigenen klinischen und präklinischen Untersuchungen,
  • Präparate mit bibliographischen Unterlagen (well-established use),
  • traditionelle Phytopharmaka.

Der BAH, dem eine große Zahl von Phytopharmaka-Unternehmen angehört, fordert eine klare Trennung vor allem zwischen den traditionellen Arzneimitteln und denjenigen, für die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit auf Basis bibliographischer Daten und Monographien dokumentiert sind, damit diese ihren hohen Indikationsanspruch nicht verlieren.

Neue Aufgaben für die Arbeitsgruppe "Herbal medicinal products"

Nach den Vorschlägen zur Revision des europäischen Zulassungssystems (Review 2001) solle die Herbal medicinal products Working party (HMPWP) in Zukunft den offiziellen Status eines Ausschusses erhalten. Hiermit wird aller Voraussicht nach eine Erweiterung ihres Aufgabenspektrums um die Verantwortlichkeit für traditionell angewendete Arzneimittel verbunden sein.

Keller, der die HMPWP leitet, zeigte sich optimistisch, dass es gelingen wird, die besonderen Therapierichtungen auch auf europäischer Ebene zu etablieren und einer möglichen Diskriminierung der Präparate wirksam entgegenzutreten.

Dass man diesbezüglich auf einem guten Weg ist, zeigt sich unter anderem daran, dass im Rahmen des europäischen Zulassungssystems bereits acht dezentrale Anerkennungsverfahren mit pflanzlichen Arzneimitteln durchgeführt wurden, wobei das BfArM das Verfahren in zwei Fällen als "Reference Member State" koordiniert hat.

Kastentext: Planung für weitere BfArM-Dialogveranstaltungen

6. Mai 2002: Satellitenveranstaltung zur Stabilitätsprüfung pflanzlicher Arzneimittel Herbst 2002: Evtl. Tag der offenen Tür in den neuen BfArM-Räumlichkeiten in Bonn Frühjahr 2003: Betäubungsmittel/Medizinprodukte Herbst 2003: Pharmakovigilanz Herbst 2003: Stand der Nachzulassung

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