Entyvio

Vedolizumab

15.07.2014


Monoklonale Antikörper zur Behandlung von Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn
Der Integrin-Rezeptorantagonist und monoklonale Antikörper Vedolizumab (Entyvio®) kann bei Erwachsenen zur Behandlung von moderater bis schwerer Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn eingesetzt werden. Die Substanz ist indiziert, wenn eine konventionelle Therapie oder eine Behandlung mit TNF-α-Antagonisten unverträglich war, nicht angesprochen hat oder nicht mehr ausreichend wirksam war.

Vedolizumab 

ATC-Code

L: Antineoplastische und immunmodulierende Mittel


L04: Immunsuppressiva


L04A: Immunsuppressiva


L04AA: Selektive Immunsuppressiva


L04AA33: Vedolizumab


Wirkungsmechanismus

α4β7-Integrin ist ein zelluläres Adhäsionsmolekül, das in erster Linie auf der Oberfläche von im Blut zirkulierenden T-Helfer-Lymphozyten exprimiert wird. Diese infiltrieren vorzugsweise in das Darmgewebe und verursachen hier Entzündungen. Die Migration wird durch die Bindung von α4β7-Integrin an das mucosale Adressin-Zelladhäsionsmolekül-1 (MAdCAM-1) auf den Endothelzellen der Darmwand ausgelöst. Der monoklonale Antikörper Vedolizumab richtet sich hochselektiv gegen α4β7-Integrin und blockiert dessen Adhäsion an MAdCAM-1. Als Folge verhindert er, dass Abwehrzellen vermehrt an gastrointestinale Entzündungsherde gelangen. Die Immunreaktion und das Fortschreiten der Entzündung werden somit gehemmt. Vedolizumab interagiert dagegen nicht mit α4β1-Integrin, das an das vaskuläre Zelladhäsionsmolekül-1 (VCAM-1) bindet und an der Lymphozyten-vermittelten Immunantwort beteiligt ist.

Pharmakokinetik

Proteinbindung und Verteilung. Das Verteilungsvolumen von Vedolizumab liegt bei etwa fünf Litern. Die Substanz überwindet die Blut-Hirn-Schranke nicht. Eine Bindung des monoklonalen Antikörpers an Plasmaproteine wurde nicht untersucht, erscheint jedoch unwahrscheinlich.


Metabolismus. Vedolizumab weist eine Eliminationshalbwertszeit von 25 Tagen auf. Einzelheiten zur Elimination sind bislang nicht bekannt. Möglicherweise kann die Clearance der Substanz durch niedrige Albumin-Werte, höheres Körpergewicht, vorausgegangene Behandlung mit Anti-TNF-Wirkstoffen und durch das Vorliegen von Anti-Vedolizumab-Antikörpern geringfügig erhöht werden.

Dosierung, Art und Dauer der Anwendung

Für beide Krankheitsbilder, Colitis ulcerosa und Morbus Crohn, liegt die empfohlene Initialdosierung bei 300 mg Vedolizumab. Die Applikation erfolgt jeweils intravenös über einen Zeitraum von etwa 30 Minuten. Die Behandlung soll nach zwei und sechs Wochen wiederholt werden. Danach erfolgt die Anwendung alle acht Wochen. Bei schweren Krankheitsbildern oder schlechtem Ansprechen ist möglicherweise eine Verkürzung des Applikationsintervalls auf vier Wochen hilfreich. Nach Unterbrechung der Therapie kann eine erneute Behandlung in vierwöchigen Applikationsintervallen erwogen werden.


Wenn bei Colitis-Patienten nach zehn Wochen kein therapeutischer Nutzen feststellbar ist, sollte die Therapie überdacht werden. Die Induktion der Remission bei Morbus Crohn kann bis zu 14 Wochen dauern, insbesondere wenn keine gleichzeitige Therapie mit Glucocorticoiden erfolgt. Liegt jedoch auch nach dieser Zeitspanne noch immer kein Hinweis auf einen therapeutischen Nutzen vor, sollte die Vedolizumab-Behandlung nicht weitergeführt werden.

Kontraindikationen

Patienten mit Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff dürfen Vedolizumab nicht anwenden. Auch bei Vorliegen von aktiven schweren Infektionen wie Tuberkulose, Sepsis, Cytomegalie­virus-Erkrankung, Listeriose und opportunistischen Infektionen, wie z. B. progressiven multifokalen Leukenzephalopathien, besteht eine Kontraindikation.

Unerwünschte Wirkungen

In klinischen Studien traten sehr häufig Nasopharyngitis, Kopfschmerzen und Arthralgie auf. Häufig kam es zu Bronchitis, Gastroenteritis, Infektionen der oberen Atemwege, Grippe, Sinusitis, Pharyngitis, Parästhesien, Hypertonie, oropharyngealen Schmerzen, verstopfter Nase, Husten, analen Abszessen, Analfissuren, Übelkeit, Verdauungsstörungen, Verstopfung, Blähungen, Hämorrhoiden, Hautausschlag, Juckreiz, Ekzem, Erythem, Nachtschweiß, Akne, Muskelkrämpfen, Rückenschmerzen, Muskelschwäche, Müdigkeit und Fieber. Gelegentlich wurde über Vulvovaginalkandidose, Mundsoor, Follikulitis, Reizungen an der Infusionsstelle, infusionsbedingte Reaktionen, Schüttelfrost und Kältegefühl berichtet. Infusionsbedingte Reaktionen verliefen in klinischen Studien meist mild bis mittelschwer.

Wechselwirkungen

Wegen einer möglicherweise reduzierten Impfantwort sollten Lebendimpfstoffe, insbesondere zur peroralen Verabreichung, während einer Behandlung mit Vedolizumab nur mit Vorsicht eingesetzt werden. Daten über Sekundärübertragungen von Infektionen durch Lebendimpfstoffe liegen nicht vor. Bei gleichzeitiger Behandlung mit Glucocorticoiden, Immunmodulatoren wie Azathioprin, 6-Mercaptopurin und Methotrexat sowie mit Aminosalicylaten wurde keine klinisch relevante Wirkung auf die Pharmakokinetik von Vedolizumab festgestellt. Spezielle Interaktionsstudien wurden bislang allerdings nicht durchgeführt.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Alle Patienten müssen während und bis zu zwei Stunden nach jeder Infusion insbesondere hinsichtlich Symptomen einer anaphylaktischen Reaktion überwacht werden. Im Falle einer solchen infusionsbedingten Reaktion sollte die Applikation je nach Schweregrad verlangsamt, unterbrochen oder sofort beendet werden. Gegebenenfalls kann vor der nächsten Behandlung eine Vorbehandlung mit Antihistaminika, Hydrocortison und/oder Paracetamol erwogen werden. Wegen des möglicherweise erhöhten Risikos für opportunistische Infektionen oder Infektionen, gegen die der Darm als schützende Barriere dient, ist bei der Anwendung von Vedolizumab bei Patienten mit einer kontrollierten chronischen oder wiederkehrenden schweren Infektion erhöhte Vorsicht geboten. Unter der Therapie mit anderen Inte-grin-Antagonisten und Immunmodulatoren kam es zu einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie, einer opportunistischen Infektion des Gehirns, die oft tödlich verläuft. Ebenso können Immunmodulatoren wie Vedolizumab bei Colitis- und Crohn-Patienten das Malignitätsrisiko erhöhen. Zur Sicherheit und Wirksamkeit bei Patienten mit Leber- oder Niereninsuffizienz sowie bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren liegen (noch) keine Erfahrungen vor. Ebenso nicht für Patienten, die mit Natalizumab oder Rituximab vorbehandelt wurden.

Schwangerschaft und Stillzeit

Aufgrund fehlender Erfahrungen darf Vedolizumab während der Schwangerschaft nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung eingesetzt werden. Tierexperimentelle Studien ergaben allerdings keine Hinweise auf Reproduktionstoxizität. Zur Sicherheit sollten Frauen im gebärfähigen Alter während und mindestens über 18 Wochen nach der letzten Applikation von Vedolizumab eine sichere Verhütungsmethode anwenden. Im Tierversuch geht Vedolizumab in die Milch über. Zur Anwendung beim Menschen liegen keine Erfahrungen vor. Ebenso ist bislang nicht geklärt, ob Vedolizumab nach peroraler Gabe systemisch resorbiert wird. Zur Sicherheit sollte daher eine Entscheidung zwischen der Therapie und dem Stillen getroffen werden.

Handelspräparat Entyvio 

Hersteller

Takeda GmbH, Konstanz

Einführungsdatum

15. Juli 2014

Zusammensetzung

300 mg Vedolizumab

Sonstige Bestandteile

L-Histidin, L-Histidin-Monohydrochlorid, L-Arginin-Hydrochlorid, Saccharose, Polysorbat 80

Packungsgrößen, Preise, PZN

1 Durchstechflasche mit 300 mg zur Herstellung einer Infusionslösung, 4305,60 Euro, PZN 10272001

Indikation

Colitis ulcerosa, Morbus Crohn

Dosierung

initial sowie nach zwei und sechs Wochen jeweils 300 mg i. v., danach alle vier bis acht Wochen

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegen Vedolizumab, aktive schwere Infektionen wie Tuberkulose, Sepsis, Cytomegalievirus-Erkrankung, Listeriose und opportunistische Infektionen, wie z. B. progressive multifokale Leukenzephalopathie

Unerwünschte Wirkungen

Mit einer Häufigkeit von ≥ 5% kam es in klinischen Studien zu Übelkeit, Nasopharyngitis, Infektionen der oberen Atemwege, Arthralgie, Fieber, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Husten. Infusionsbedingte Reaktionen wurden bei 4% der Patienten, die Vedolizumab erhielten, berichtet.

Wechselwirkungen

Lebendimpfstoffe und insbesondere oral verabreichte Lebendimpfstoffe sollten während einer Behandlung mit Vedolizumab nur mit Vorsicht eingesetzt werden.

Warnhinweise, Vorsichtsmaßnahme

Die Patienten müssen nach der Infusion auf Anzeichen und Symptome einer akuten Überempfindlichkeitsreaktion überwacht werden. Unter der Anwendung von Vedolizumab besteht eine erhöhte Gefahr für opportunistische Reaktionen. Auch das Malignitätsrisiko kann erhöht sein.

Literatur

[1] Fachinformation zu Entyvio®, Stand Mai 2014


[2] Feagan BG, Rutgeerts P, Sands BE, Hanauer S et al. Vedolizumab as induction and maintenance therapy for ulcerative colitis. N Engl J Med. 2013;369(8):699-710


[3] Sandborn WJ, Feagan BG, Rutgeerts P, Hanauer S et al. Vedolizumab as induction and maintenance therapy for Crohn‘s Disease. N Engl J Med. 2013;369(8):711-721


[4] EPAR summary for the public. Entyvio® ­Vedolizumab. EMA/337860/2014; European Medicines Agency; www.ema.europe.eu

Copyright

©2014-2022 Deutscher Apotheker Verlag, Neue Arzneimittel, Beilage der Deutschen Apotheker Zeitung

Datenstand

10/2014

Apothekerin Dr. Monika Neubeck