Interpharm 2024

Ernährung: „Der stärkste antiinflammatorische Effekt ist der Abbau von Übergewicht"

Mannheim - 13.04.2024, 07:00 Uhr

Martin Smollich referierte auf der Interpharm über antientzündliche Ernährung. (Foto: Schelbert)

Martin Smollich referierte auf der Interpharm über antientzündliche Ernährung. (Foto: Schelbert)


Viel Kurkuma und Ballaststoffe, dafür weniger gesättigte Fettsäuren und Junk Food: Wie ernähren wir uns antientzündlich? Allerdings wird der stärkste entzündungshemmende Effekt in Sachen Ernährung häufig vergessen, meint Professor Martin Smollich bei der Interpharm.

Geht es um antientzündliche Effekte unserer Ernährung, so möchten wir in der Regel chronische Entzündungen mit latenten Symptomen wie Müdigkeit, Erschöpfung, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und Reizmagen oder Reizdarm durch unsere Ernährung verbessern oder gar verschwinden lassen. Und wer hat nicht schon mal an diesen doch recht unspezifischen Symptomen gelitten? Entsprechend groß ist die Zielgruppe, die für antientzündliche Ernährungstipps empfänglich ist, und so auch das Sortiment an Ratgebern und Ernährungsprodukten. Die wichtigste Rolle jedoch, wenn wir Entzündungen in unserm Körper reduzieren möchten, spielen nicht einzelne Vitamine, Mineralstoffe, Wurzeln oder andere Pflanzenbestandteile – sondern das Gewicht, respektive das viszerale Fett. Das machte Professor Martin Smollich, Leiter der Arbeitsgruppe Pharmakonutrition am Institut für Ernährungsmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck, bei der Interpharm in Mannheim klar.

Was bedeutet eigentlich antientzündliche Ernährung?

Fragt man nach der konkreten Bedeutung des Begriffs „antientzündliche Ernährung“, so findet sich laut Smollich keine einheitliche Definition dafür, weswegen man sich am „Dietary Inflammatory Index“ (DII) orientiere. Dieser basiert – und das ist wichtig für die Aussagekraft des Indexwerts – auf Literaturrecherchen, bei denen Wissenschaftler 45 Nahrungsbestandteile genommen und mit sechs für eine Inflammation stehenden Biomarkern assoziiert haben. Die meisten Daten, auf denen der DII aufbaut, waren jedoch Daten aus Tier- und Zellversuchen und keine klinischen.

Glaubt man dem Dietary Inflammatory Index, tut man sich mit Kurkuma und Ballaststoffen etwas Gutes. Smollich schränkt jedoch ein, dass Kurkuma ausschließlich in vitro untersucht worden sei, was beispielsweise die schlechte Bioverfügbarkeit der Substanz beim Menschen nicht berücksichtige. Positiv antientzündlich im Sinne des Indexes sind auch Ballaststoffe, die als Präbiotika – also Futter für die Mikrobiombakterien – wirken, und sekundäre Pflanzenstoffe. Wo stecken diese drin? Natürlich in Gemüse, Obst, Beeren und Soja. Verzichten sollten wir dem DII zufolge aufgrund proinflammatorischer Effekte auf gesättigte Fettsäuren, trans-Fette und und energiedichte Lebensmittel, also einen Kalorienüberschuss, Junk Food und tierische Lebensmittel.

Abbau von Übergewicht am wichtigsten

Allerdings: „Der stärkste antiinflammatorische Effekt ist der Abbau von Übergewicht und von viszeralem Fettgewebe, egal wie“, sagt Martin Smollich. Zwar sei für eine antientzündliche Ernährung Komponenten wie Ballaststoffe in Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten oder Omega-3-Fettsäuren wie in Lein- oder Algenöl oder Seefisch und sekundäre Pflanzenstoffe (Gemüse, Obst, Tee) hilfreich. Doch sei die wichtigste Grundlage für antientzündliche physiologische Effekte ein geringer Körperfettanteil und ausreichend Schlaf von mindestens 7,5 Stunden.

Hilft Intervallfasten?

Laut Smollich ist vor allem wichtig, das viszerale Fett zu verringern, da dies ein „endokrinologisch hochaktives System“ sei und „zentraler Treiber der systematischen Inflammation“. Eignet sich Intervallfasten nach dem 16:8-Schema zur effektiven Gewichtsreduktion? Intervallfasten zeige in der Tat positive Effekte auf TNF-alpha und Leptin, beide reduzierten sich unter einer Intervalldiät. Allerdings sei die Krux: „Die Effekte sind nur geringfügig besser als durch Gewichtsverlust allein“, sagt Smollich. Der überwiegende Effekt liege damit nicht primär an der zeitlichen Orientierung, sondern vor allem am Gewichtsverlust. Erreiche man diesen Gewichtsverlust auch auf anderem Wege, so hätte man nahezu den gleichen antientzündlichen Effekt. Damit sei die ernährungsmedizinische Empfehlung, dass übergewichtige Menschen am besten auf diese Weise abnehmen sollten, wie es biorhythmisch für sie funktioniere. Problematisch sei beim Intervallfasten, bedenkt Smollich zudem, dass es in dem recht kurzen, achtstündigen „Essensslot“ des Tages schwierig sei, auf eine gesunde Menge an Protein und Ballaststoffen zu kommen.


Celine Bichay, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


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