Steigende Fallzahlen

Hepatitis in Deutschland auf dem Vormarsch

Stuttgart - 16.08.2023, 12:00 Uhr

Eine chronisch verlaufende Hepatitis B kann unbehandelt zu Leberkrebs führen. (SewcreamStudio / AdobeStock)

Eine chronisch verlaufende Hepatitis B kann unbehandelt zu Leberkrebs führen. (SewcreamStudio / AdobeStock)


In Deutschland sind im letzten Jahr die Hepatitis-B- sowie Hepatitis-C-Fallzahlen gestiegen. Sowohl im Vergleich mit dem Vorjahr als auch in Bezug auf die Zeit vor der COVID-19-Pandemie. Das Robert Koch-Institut hat im Epidemiologischen Bulletin verschiedene Faktoren als mögliche Ursachen diskutiert.

Durch Hepatitis-B-Viren (HBV) oder Hepatitis-C-Viren (HCV) ausgelöste Leberentzündungen zählen weltweit zu den häufigsten Infektionskrankheiten. In Deutschland hat das Robert Koch-Institut im Jahr 2022 einen Anstieg der meldepflichtigen Infektionserkrankungen registriert: 2022 wurden 16.144 HBV- und 7.919 HCV-Fälle gemeldet. Im Vergleich dazu waren es in den Jahren 2019 bis 2021 durchschnittlich nur 8.240 Hepatitis-B- und 5.097 Hepatitis-C-Fälle. Und auch unter Berücksichtigung, dass die Meldezahlen in den Jahren 2020 und 2021 durch die COVID-19-Pandemie besonders niedrig waren, besteht im direkten Vergleich der Jahre 2019 und 2022 eine Steigerung von 80% bei HBV und 30% bei HCV.

Kurzsteckbrief Hepatitis B

Hepatitis B wird über virushaltige Körperflüssigkeiten wie Blut, Vaginalsekret oder Sperma übertragen. Meist heilt die Infektion aus, in 2 bis 5 % der Fälle verläuft sie jedoch chronisch. Eine chronische Hepatitis ist medikamentös behandelbar, aber nicht heilbar. Seit 1995 wird die Hepatitis-B-Impfung von der STIKO (Ständige Impfkommission) für alle Säuglinge und Kleinkinder empfohlen. 

In der Akutphase auftretende Symptome können etwa Appetitlosigkeit, Gelenkschmerzen, Unwohlsein, Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen im rechten Oberbauch, Gelbsucht mit Dunkelfärbung des Urins, Juckreiz und Fieber sein.

Einige Bundesländer waren dabei stärker betroffen als andere. Die höchsten Inzidenzen hatten im Fall von HBV Bremen, Hamburg, das Saarland und Rheinland-Pfalz (> 0,5 Fälle / 100.000 Einwohner pro Woche), den stärksten Anstieg verzeichneten Hamburg und Rheinland-Pfalz. Die HCV-Inzidenz ist in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland am höchsten (> 0,4 Fälle / 100.000 Einwohner pro Woche), der stärkste Anstieg fand in Hamburg und im Saarland statt.

Auswertung nach dem Geburtsland

Insgesamt wurden mehr HBV- und HCV-Fälle bei Männern festgestellt als bei Frauen. Am höchsten ist die Inzidenz bei beiden Erkrankungen im Jahr 2022 in der Altersgruppe der 35- bis 59-Jährigen gewesen. Eine stratifizierte Auswertung nach dem Geburtsland (bzw. der Staatsangehörigkeit, falls ersteres nicht bekannt war) ergab einen deutlichen Anstieg an Hepatitis-Fällen bei in Deutschland lebenden Ukrainer:innen. Während im Zeitraum 2019 bis 2021 weniger als 20 HBV-Fälle und ≤25 HCV-Fälle bei in Deutschland lebenden Ukrainer:innen pro Jahr gemeldet wurden, waren es 2022 insgesamt 311 HBV- und 660 HCV-Fälle.

Kurzsteckbrief Hepatitis C

Eine Ansteckung mit Hepatitis C erfolgt insbesondere bei direktem Blutkontakt. Eine Chronifizierung ist hier häufig: nur in 20 % der Fälle heilt die Infektion im ersten halben Jahr aus, bei den übrigen 80 % verläuft sie chronisch. Eine Schutzimpfung steht nicht zur Verfügung. Jedoch ist diese Form der Virushepatitis medikamentös heilbar. Zum Einsatz kommen Wirkstoffkombinationen aus NS3-Proteasehemmern, NS5B-Polymerasehemmern und NS5A-Hemmern. 

Oft verläuft eine Hepatitis-C asymptomatisch. In der Akutphase können jedoch unspezifische, grippeähnliche Beschwerden auftreten.

Ein Teil des Anstieges an Hepatitis-Fallzahlen sei also auf die Fluchtmigration aus der Ukraine nach Deutschland zurückzuführen. Die Prävalenz für beide Hepatitis-Erkrankungen liegt in der Ukraine über der in Deutschland. 

Als weitere mögliche Gründe untersuchten die Autor:innen die Einführung des HBV- und HCV-Screenings zulasten der Krankenkassen für Personen ab 35 Jahren im Oktober 2021, sowie die Umstellung auf ein elektronisches Labormeldesystem, durch welche es möglicherweise zu Doppelmeldungen gekommen sein könnte. Für letztere beide Faktoren konnte jedoch kein eindeutiger Zusammenhang mit dem Fallzahlanstieg gezeigt werden. 

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Denkbar ist laut Bericht ein Einfluss der COVID-19 Pandemie: Während der Pandemie sei der Zugang zu Gesundheitsdiensten eingeschränkt gewesen, sodass während der Pandemie aufgetretene Fälle erst jetzt identifiziert würden.

Literatur

Biallas R et al. Anstieg der übermittelten Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Fälle in Deutschland im Jahr 2022. Epid Bull 2023;31:3-16. DOI 10.25646/11669

Hepatitis A-E. Informationen von welthepatitistag.info. Abgerufen am 15.08.2023. www.welthepatitistag.info/infos/hepatitis-a-e/

Kumar S. Übersicht über akute Virushepatitis. MSD Manual. Stand 2022. www.msdmanuals.com/de-de/heim/leber-und-gallenst%C3%B6rungen/hepatitis/%C3%BCbersicht-%C3%BCber-akute-virushepatitis

RKI-Ratgeber Hepatitis B und D. Robert Koch-Institut. Stand 2016. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_HepatitisB.html

RKI-Ratgeber Hepatitis C. Robert Koch-Institut. Stand 2018. www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_HepatitisC.html


Dr. Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


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