Gezerrt, geprellt, gerissen

Wann sind Sportverletzungen ein Fall für die Selbstmedikation?

04.08.2023, 16:45 Uhr

Fußball gehört zu den Sportarten, die besonders verletzungsträchtig sind. (Foto: Alexis Scholtz/peopleimages.com/AdobeStock)

Fußball gehört zu den Sportarten, die besonders verletzungsträchtig sind. (Foto: Alexis Scholtz/peopleimages.com/AdobeStock)


Sport ist gesund, keine Frage, aber kann auch zu Verletzungen führen. Schwerwiegendere Blessuren erfordern einen Arztbesuch, häufig ist aber eine Behandlung in der Selbstmedikation möglich. Welche Präparate helfen? Welche Erstmaßnahmen sind sinnvoll? Und welche Präventionsmaßnahmen können das Verletzungsrisiko reduzieren? 

In Deutschland treiben rund 23 Millionen Bürger regel­mäßig Sport. Jährlich verletzen sich circa 1,25 Millionen davon beim Sport so schwer, dass sie ärztlich versorgt werden müssen. Insgesamt gehen Fachleute von circa zwei Millionen Verletzten jährlich aus. Häufige Unfallsportarten sind Fußball, Basketball, Volleyball, Handball, alpiner Skilauf und Inlineskaten. Besonders häufig sind Verletzungen an Sprunggelenken, Hand und Kopf [1, 2].

Abb.: Häufigkeit der Verletzungen in Abhängigkeit von der Lokalisation (Breitensport, ohne Wettkämpfe) [2].

Verletzungen an Gelenken

Eine der häufigsten Akutverletzungen beim Sport ist die Distorsion (Umknicken, Verstauchung) des Sprunggelenks. Besonders gefährdet sind Mannschaftssportler mit ständigen Sprungbelastungen, z. B. Basketballer. Auch beim entspannten Joggen auf unebenem Untergrund ist es schnell passiert: Der Fuß knickt nach außen um. Normalerweise hemmt der Kapsel-Band-Apparat an der Außenseite des Sprunggelenks diese Bewegung. Ist die Krafteinwirkung zu hoch, kommt es zur Überdehnung oder zum Zerreißen der Bänder. Erste Maßnahme sollte in jedem Fall die Anwendung der PECH-Regel sein (s. Kasten „PECH-Regel“). Treten Schmerzen und/oder Schwellungen auf, ist anschließend unbedingt eine ärztliche Behandlung erforderlich. Bildet sich ein Bluterguss, sollte eine Röntgenuntersuchung erfolgen, um eine Verletzung des Knochens auszuschließen. Das Tragen einer geeigneten Schiene (z. B. Aircast) oder Bandagieren (Taping) können hilfreiche Maßnahmen sein, um einer Distorsion vorzubeugen [3]. 

PECH-Regel

P = Pause (sportliche Aktivität sofort beenden)

E = Eis (Kühlung, z. B. kaltes Wasser, nicht zu stark kühlen)

C = Compression (milder Druckverband)

H = Hochlagerung (Blutabfluss fördern, Blutstau vermeiden) [3]

Als Luxation (Verrenkung) bezeichnet man die Verschiebung zweier gelenkbildender Knochenenden gegeneinander. Am häufigsten sind Schlüsselbein, Schulter, Ellenbogen, Kniescheibe und Finger betroffen. Meist werden Bänder, Kapsel und Knorpel geschädigt, wobei es je nach Stärke und Richtung der einwirkenden Kräfte zu einer Dehnung, einem Teil- oder Komplettriss des Kapsel-Band-Apparats kommt. Infolge treten Schmerzen, Schwellung und Blut­erguss auf. Eine Luxation gehört unbedingt in die Hände eines qualifizierten Arztes [4, 5]. 

Verletzungen an Muskeln und Sehnen

Bei einer Muskelzerrung handelt es sich um eine lokalisierte Überlastung der Muskulatur. Auslöser können eine sehr heftige Kontraktion oder eine Überdehnung sein. Typischerweise treten Zerrungen auf, wenn ein Muskel ruck­artig belastet wird und zuvor nicht ausreichend aufgewärmt wurde. Der Muskel verhärtet und es setzen abrupte, stechende Schmerzen unter Belastung sowie lokale Druckschmerzen ein. Die Funktionalität ist eingeschränkt. Im Allgemeinen bilden sich die Beschwerden innerhalb weniger Tage komplett zurück, wenn der Muskel geschont und kein Sport getrieben wird. Als Erstmaßnahme erfolgt die Behandlung nach dem PECH-Schema. Nach circa 72 Stunden kann mit vorsichtigem Dehnen der betroffenen Muskulatur begonnen werden. Die abwechselnde Anwendung von Kälte und Wärme (Wärmepflaster, Wärmesalben) stimuliert die Durchblutung und beschleunigt so den Heilungsprozess. Lokal angewendete Schmerzgele mit Ibuprofen (z. B. Doc® Schmerzgel, Dolgit® Schmerzgel, Proff® Schmerzgel), Diclofenac (z. B. Arthrex® Schmerzgel, Diclox forte, Voltaren Schmerzgel) oder Salicylsäure (z. B. Mobilat® Duoaktiv Schmerzgel) verschaffen Linderung. Pflanzliche Alternativen sind Präparate mit Arnika- (z. B. Arnika Salbe Weleda) oder Beinwell-Extrakten (z. B. Kytta® Schmerzsalbe, Traumaplant® Schmerzcreme) (s. Tab.). Aus der Komplementärmedizin können beispielsweise Traumeel (Salbe oder Tabletten), sowie Arnika D12 eingesetzt werden. Tritt zusätzlich ein Hämatom auf, muss damit gerechnet werden, dass es zum Riss von Muskelfasern gekommen ist. Ein Arztbesuch ist dann unbedingt erforderlich [3 –7].

InhaltsstoffeProduktbeispieleHinweise
Zerrungen
Beinwell-Extrakt

Kytta® Schmerzsalbe,

Traumaplant® Schmerzcreme

  • zwei- bis dreimal täglich
  • ab acht Jahren, Traumaplant ab sechs Jahren
Diclofenac

Arthrex Schmerzgel

Diclox forte Schmerzgel

Voltaren Schmerzgel

Voltaren forte Schmerzgel

  • dreimal täglich; forte zweimal täglich
  • ab 14 Jahren
Ibuprofen

Doc® Schmerzgel

Dolgit® Schmerzgel

Proff® Schmerzgel

  • dreimal täglich
  • ab 14 Jahren

Pfefferminzöl,

Eucalyptusöl,

Rosmarinöl

Allgäuer Latschenkiefer Schmerzcreme

Doloplant® Schmerzcreme

Sogoon Schmerzcreme

  • drei- bis fünfmal täglich
  • ab zwölf Jahren
SalicylsäureMobilat® Duoaktiv Schmerzgel
  • zwei- bis dreimal täglich
Prellungen
Chondroitinpolysulfat

Hirudoid® Gel

Mobilat® Duoaktiv Schmerzgel

  • zwei- bis dreimal täglich
Heparin

Heparin Al Gel 50.000

Heparin Heumann Creme 30.000

  • zwei- bis dreimal täglich
Hautverletzungen
Antiseptika
ChlorhexidinBepanthen® antiseptische Wundcreme
  • zweimal täglich
OctenidinOctenisept® Lösung
  • einmal täglich
Polihexanid

Hansaplast Wundspray (MP)

Medigel® Wundreinigungsspray (MP)

  • unmittelbar nach der Verletzung aufsprühen
Povidon-IodBetaisodona® Lösung
  • ein- oder mehrmals täglich
  • Betaisodona®: erst ab einem Jahr und nicht bei Funktionsstörung der Schilddrüse anwenden
Wundheilungspräparate
DexpanthenolBepanthen® Salbe
  • ein- oder mehrmals täglich
TyrothricinTyrosur® Wundheilgel
  • zwei- bis dreimal täglich
Zink und EisenMedigel® (MP)
  • ein- oder mehrmals täglich
Blasen
Blasenschutzpflaster

Compeed® (MP)

Gehwol® (MP)

Hansaplast (MP)

  • Haut vor der Anwendung säubern und trocknen
  • Pflaster erst entfernen, wenn es sich von selbst löst

Muskelkrämpfe sind plötzlich einsetzende, heftig andauernde und schwer zu lösende Anspannungen eines Muskels. Ursachen können Flüssigkeits- und Elektrolytverluste oder Durchblutungsstörungen z. B. durch zu enge Schuhe oder einschnürende Stutzen sein. Ebenso können muskuläre Dysbalancen im Bereich der Wirbelsäule und der Gelenke der Extremitäten Muskelkrämpfe auslösen. Elektrolyt­getränke während des Sports können übermäßige Elektrolytverluste vorbeugen. Außerdem sollte auf geeignete Sportausrüstungen geachtet werden. Das Dehnen der betroffenen Muskeln ist sowohl während des akuten Krampfs als auch zur Vorbeugung weiterer Beschwerden geeignet [3, 4, 5].

Muskelkater tritt nach besonders intensiven oder ungewohnten Belastungen auf und kann auch trainierte Personen treffen, z. B. bei der Ausübung einer neuen Übung oder nach einer Sportpause. Als Ursache gelten Einrisse bei einem Teil der Muskelfasern. Durch die Risse dringt langsam Wasser ein und die Fasern schwellen an. Diese Deh­nun­gen lösen Schmerz aus und führen zu Gefäßein­engungen. Durch die verschlechterte Durchblutung steigern sich die Schmerzen bis der Höhepunkt nach meistens ein bis drei Tagen erreicht ist und sie wieder abklingen. Muskelkater hinterlässt keine bleibenden Schäden. Eine Milderung der Symptome kann durch vorsichtiges Dehnen, leichte dynamische Bewegung, sowie Wärme (z. B. Sauna oder ein warmes Bad) erreicht werden [8].

Generell sollte bei Muskelbeschwerden auf eine ausreichende Magnesiumzufuhr geachtet werden. Nüsse, Sonnenblumenkerne und Weizenkeime enthalten viel Magnesium. Außerdem kann magnesiumhaltiges Mineralwasser getrunken werden. Magnesiumpräparate können zur Deckung des benötigten Bedarfs beitragen [3, 4, 5].

Sehnen bestehen aus kollagenen und elastischen Fasern und übertragen die Kräfte der Muskulatur auf die Knochen. Gesunde Sehnen reißen nicht ohne äußere Krafteinwirkung. Sehnenrisse, z. B ein Achillessehnenriss, können jedoch durch übermäßige Belastung entstehen, etwa durch ein Foul beim Mannschaftssport oder wenn Kraftsportler ihren Muskel im Vergleich zur Sehne zu schnell aufbauen. Ein Risiko besteht vor allem, wenn bereits eine Sehnenstruktur vorgeschädigt ist. Symptome sind ein spontan auftretender Schmerz, welcher bei Dehnung zunimmt sowie ein ausgeprägtes Hämatom. Die Erstmaßnahmen bestehen auch hier in der Anwendung der PECH-Regel, dann sollte unbedingt ein Arztbesuch erfolgen [3, 4, 5].

Verletzungen an der Haut

ogen werden [4, 7].

Blasen entstehen, wenn Hautschichten auseinanderweichen und der Zwischenraum sich anschließend mit Flüssigkeit füllt. Um der Blasenbildung vorzubeugen, sollte entsprechende Kleidung/Schuhe getragen werden. Ist bereits eine Blase entstanden, kann diese mit einem Blasenpflaster (z. B. Compeed® Blasenpflaster, Gehwol® Blasenpflaster, Hansaplast Blasenpflaster) abgedeckt werden (vgl. Fischer „Autsch, meine Füße!“, DAZ 2019, Nr. 24, S. 38).

Hämatome und Prellungen

Kommt es zu einem heftigen Stoß gegen etwas Hartes, werden Gefäße unterhalb der Haut im Fett- und Binde­gewebe sowie innerhalb der Muskulatur verletzt. Die Blutung bleibt bis zum Einsetzen der Gerinnung bzw. bis zur Ausschöpfung des Volumens des Zwischenraums im Gewebe bestehen. Es entsteht ein Hämatom (Bluterguss). Auch Muskelprel­lungen, bei denen infolge stumpfer Gewalt­einwirkungen auf die Muskulatur einzelne Muskelfasern gequetscht und gedehnt werden, gehen mit Hämatomen einher (z. B. durch Sturz, Auflaufen auf ein Hindernis oder Zusammenprall mit einem anderen Sportler). Als Erstmaßnahme ist es sinnvoll, Kälte lokal anzuwenden und betroffene Körperregionen sollten hochgelagert werden. Zubereitungen mit Chondroitinpolysulfat (z. B. Hirudoid® Gel , Mobilat® Duoaktiv Schmerzgel) wirken antikoagulatorisch und fibrinolytisch und unterstützen so den Abbau von Blutgerinnseln und Blutergüssen. Ebenso können Heparin-Salben oder Gele (z. B. Heparin Al Gel 50.000, Heparin Heumann Creme 30.000) die Rück­bildung von Blutergüssen unterstützen. Fibrinolytische Enzyme (Wobenzym®, Phlog­enzym®, Bromelain-Pos®) sollen das Abklingen von Schwellungen beschleunigen [4, 5, 7].

Gehirnerschütterung

Treten nach einem Sturz oder Zusammenprall kurzzeitiger Bewusstseinsverlust, Gedächtnisstörungen, Orientierungslosigkeit, Schwindel, Übelkeit oder Erbrechen auf, muss unbedingt an eine mögliche Gehirnerschütterung gedacht und der Notarzt benachrichtigt werden. Der Patient sollte bis zum Eintreffen des Arztes mit leicht erhöhtem Oberkörper gelagert und mit einer Decke warmgehalten werden [5].

Sport in der Sonne

Wird Sport in der Sonne oder den Bergen getrieben, sollte ein wasserfester Sonnenschutz mit hohem Lichtschutz­faktor verwendet werden. Vom Training mit freiem Oberkörper ist dringend abzuraten. Außerdem sollte auf einen ausreichenden Kopfschutz geachtet werden. Sollte es dennoch zu einem Sonnenbrand kommen, können die betroffenen Areale zunächst mit feuchten, kühlenden Tüchern abgedeckt werden. Anschließend verschaffen kühlende und beruhigende Präparate wie das Medizin­produkt Bepanthen® Schaumspray oder Aloe Vera Gele/Sprays, sowie lokal angewendete Antihistaminika (z. B. Fenistil Gel, Soventol® Gel) Linderung. Eine gut sitzende Sonnenbrille schützt vor Sonnenblindheit. Da der Körper bei intensiver Belastung über den Schweiß bis zu zwei Liter Flüssigkeit pro Stunde verlieren kann, ist auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten. Das Risiko eines Hitzeschlags besteht vor allem bei Sportlern, die bei heißem Wetter mit hoher Luftfeuchtigkeit intensiv trainieren, vor allem wenn zusätzlich Schutz­kleidung getragen wird. Um dem vorzubeugen, sollten sich Sporttreibende möglichst im Schatten aufhalten und die heiße Mittagszeit meiden sowie bei jeder Gelegenheit trinken. Zeigt ein Sportler unkoor­dinierte Bewegungen oder wirkt desorientiert, muss er umgehend in den Schatten gebracht und der Notarzt verständigt werden [4].

Prävention von Sportverletzungen

Durch gute Vorbereitung und passende Schutzausrüstung (z. B. Helm, Schienbeinschoner oder Protektoren für die Gelenke) lassen sich nicht alle, aber einige Sport­verletzungen vermeiden. Das Aufwärmen vor dem Sport führt zu einer verbesserten Durchblutung des Gewebes und verringert somit das Verletzungsrisiko. Verkürzte Muskeln mit erhöhter Spannung können zu einer reduzierten Gelenkbeweglichkeit führen und somit das Verletzungspotenzial ebenso erhöhen wie eine verminderte Beweglichkeit in Bändern, Haut oder Nerven. Deshalb sollten Dehnübungen fester Bestandteil jedes Trainingsprogramms sein. Nach einer Sportverletzung sollte dem Körper unbedingt aus­reichend Zeit zur Regeneration bis zum vollständigen Ausheilen der Verletzung gegeben werden. Die zusätzliche Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln ist für „normal“ sporttreibende Menschen nicht notwendig. Vitamine sollten dem Körper über den regelmäßigen Verzehr von frischem Obst und Gemüse zugeführt werden. Lediglich bei Mangelzuständen, Krankheiten oder längeren intensiven Belastungen sind Supplemente sinnvoll [4, 5]. |


Dr. Sabine Fischer, Apothekerin, DAZ-Autorin
redaktion@daz.online


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