Schlafmittel und Antiemetika ab 65

Wie sollte man Ältere zu Doxylamin, Dimenhydrinat und Diphenhydramin beraten?

Stuttgart - 09.06.2021, 09:15 Uhr

Doxylamin, Dimenhydrinat und Diphenhydramin finden sich als Schlafmittel sowie zur Behandlung von Übelkeit, Erbrechen und Kinetosen in vielen OTC-Präparaten wieder. Ist die Anwendung bei älteren Menschen ein Problem? (x / Foto: shurkin_son / AdobeStock)

Doxylamin, Dimenhydrinat und Diphenhydramin finden sich als Schlafmittel sowie zur Behandlung von Übelkeit, Erbrechen und Kinetosen in vielen OTC-Präparaten wieder. Ist die Anwendung bei älteren Menschen ein Problem? (x / Foto: shurkin_son / AdobeStock)


Doxylamin, Dimenhydrinat und Diphenhydramin sind nicht verschreibungspflichtig. Allerdings ist es noch gar nicht so lange her, da sollten diese Wirkstoffe für Menschen ab einem Alter von 65 Jahren der Verschreibungspflicht unterstellt werden. Was wurde daraus? Im Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 1/2021 kann man die Diskussion zur Verkaufsabgrenzung nochmals nachvollziehen. Das BfArM meint, dass Apotheken durch Patientenaufklärung wesentlich zur Risikominimierung beitragen können.

Im Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 1/2021 heißt es, dass der Sachverständigen-Ausschuss (SVA) für Verschreibungspflicht auf seiner 81. Sitzung einen Antrag abgelehnt hat, in dem es um die pauschale Unterstellung der Antihistaminika der ersten Generation als Arzneimittelgruppe unter die Verschreibungspflicht bei Patient:innen über 65 Jahren ging. Das war am 27. Juni 2019, DAZ.online berichtete darüber.

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Gleichzeitig votierte der Ausschuss damals allerdings dafür, sich weiterhin mit dem Thema zu befassen – und zwar unter Berücksichtigung der betreffenden Einzelsubstanzen. Auf den nachfolgenden Sitzungen (82, 23. Januar 2020, und 83, 26. Januar 2021) wurden – wegen des verbreiteten Einsatzes – deshalb die Substanzen Doxylamin, Diphenhydramin und Dimenhydrinat diskutiert.

Doxylamin, Dimenhydrinat und Diphenhydramin sind ZNS-gängig und wirken dort antiemetisch sowie sedierend. Sie gehören zu den Antihistaminika der ersten Generation, als Antiallergikum spielen sie aber aufgrund ihrer sedierenden Eigenschaften in der öffentlichen Apotheke keine Rolle mehr. Als Schlafmittel sowie zur Behandlung von Menschen mit Übelkeit, Erbrechen und Kinetosen finden sie sich jedoch in vielen OTC-Präparaten wieder.

Antihistaminika der ersten Generation stehen laut dem Bulletin für Arzneimittelsicherheit auf den bekannten PIM-Listen (potenziell inadäquate Medikation) Beers, FORTA, PRISCUS. Ihre sedierenden, aber auch anticholinergen (Neben-)Wirkungen sind der Grund, warum ihr Einsatz insbesondere bei älteren Menschen kritisch diskutiert wird.

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Doxylamin ist ohne Rezept beispielsweise in „Hoggar Night“, „Schlafsterne“, „SchlafTabs-Ratiopharm“, „Valocordin-Doxylamin“ oder „Gittalun Trinktabletten“ enthalten, kommt also als Schlafmittel bei Erwachsenen zum Einsatz. „Sedaplus“ für Kinder ist verschreibungspflichtig. Kombiniert mit anderen Wirkstoffen ist Doxylamin außerdem in „Wick MediNait“ und „Cariban“ enthalten. Letzteres ist verschreibungspflichtig und indiziert bei der symptomatischen Behandlung von Übelkeit und Erbrechen während der Schwangerschaft bei Erwachsenen, die nicht auf konservatives Management reagieren.

Vorsicht Stürze – Doxylamin und Diphenhydramin besser der Verschreibungspflicht unterstellen?

(Neben-)Wirkungen von Doxylamin, die für Ältere als kritisch erachtet werden, sind 

  • Schläfrigkeit,
  • Schwindel,
  • Muskelschwäche,
  • Kopfschmerzen und
  • Sehstörungen.

Man fürchtet in diesem Zusammenhang 

  • Gleichgewichtsstörungen,
  • Gangstörung,
  • Verwirrtheitszustand,
  • Delirium und schließlich
  • Stürze.

Eine vom BfArM durchgeführte Analyse konnte jedoch keinen belastbaren Beleg für ein erhöhtes Risiko bei Älteren hinsichtlich sturzassoziierter Nebenwirkungen ableiten, heißt es. Die Mehrheit der ermittelten schwerwiegenden Nebenwirkungen bezog sich demnach auf Suizide und Suizidversuche, bei denen Doxylamin und weitere Arzneimittel in hoher Dosierung eingenommen wurden.

Doch in der „Empfehlung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung“ von der 82. Sitzung vom Januar 2020 hieß es sowohl für Doxylamin als auch Diphenhydramin

Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht empfiehlt mehrheitlich, die beiden Arzneimittel zur Behandlung von Schlafstörungen bei Erwachsenen ab dem 65. Lebensjahr der Verschreibungspflicht zu unterstellen. 

„Diese Empfehlung richtet sich an den Verordnungsgeber, das Bundesministerium für Gesundheit“, steht im Fazit des aktuellen Bulletins. Doch dort kann man ebenfalls nachlesen, dass das BfArM auch kein erhöhtes Risiko für Ältere (insbesondere was Stürze anbelangt) unter Diphenhydramin-Einnahme ableiten konnte. 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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