Der neue Heimversorgungsvertrag

Endlich klare Kante

Remagen - 28.09.2020, 14:00 Uhr

Professort Hilko J. Meyer begrüßt die mit dem PDSG  beschlossenen Klarstellungen zum Zuweisungsverbot. (Foto: Schelbert)

Professort Hilko J. Meyer begrüßt die mit dem PDSG  beschlossenen Klarstellungen zum Zuweisungsverbot. (Foto: Schelbert)


Seit kurzem gibt es einen neuen Mustervertrag für die Heimversorgung. Er soll vor allem mehr Transparenz und klare Abgrenzungen zwischen den Verpflichtungen der Beteiligten schaffen und die Apotheken auf Augenhöhe mit den Heimen bringen. Beim ApothekenRechtTag umriss der Jurist und ausgewiesene Experte auf diesem Gebiet Hilko J. Meyer aus Frankfurt die Hauptinhalte und Intentionen des neuen Mustervertrags. 

Zusammen mit dem Bundesverband der Versorgungsapotheker (BVVA) hat der Deutsche Apotheker Verlag einen grundlegend überarbeiteten Mustervertrag zur Heimversorgung herausgegeben, der im August 2020 erschienen ist. Er soll einen fairen Interessensausgleich zwischen der Versorgungsapotheke und dem Heimträger schaffen und rechtssichere und praxisgerechte Lösungen für eine sichere Versorgung der Heimbewohner mit Arzneimitteln und Medizinprodukten aufzeigen. Der ursprünglich im Jahr 2003 konzipierte Mustervertrag hat sich mittlerweile unter vielen Aspekten überlebt und bildet die Praxis nur noch unzureichend ab. Die Heimversorgung ist heute wesentlich komplexer.

Kein „Rundum-sorglos-Paket“

Als ein wesentliches Regelungsdefizit bestehender Verträge hob Meyer hervor, dass die Heimversorgung immer mehr in Richtung eines großes „Rundum-sorglos-Paket“ gegangen sei. Dabei seien möglichst alle Aspekte der Arzneimittelversorgung auf die Apotheke „outgesourct“ worden, um die Pflegekräfte von diesen Aufgaben zu entlasten und Kosten zu sparen. Mit dem Versorgungsvertrag als „Hebel“ für kostenlose Zusatzleistungen solle nun Schluss sein. Er soll laut Meyer gewährleisten, dass nicht nur die Interessen des Heimträger, sondern auch die der Apotheke ausgewogen berücksichtigt werden.

Pflichten klar voneinander abgrenzen

Der neue Mustervertrag lässt aus seiner Sicht keinen Zweifel am zweiseitigen Charakter des Heimversorgungsvertrags. Missverständliche deklaratorische Klauseln zur Ausschließlichkeitsbindung sollten darin nicht mehr vorkommen. Außerdem müsse er die wechselseitigen Leistungs- und Mitwirkungspflichten transparent regeln und die zentralen bewohnerbezogenen Verpflichtungen der Apotheke und des Heims im Rahmen der Arzneimittelversorgung präzise voneinander abgrenzen. Dasselbe gelte für freiwilligen Zusatzleistungen der Apotheke, auf deren kostenlose Erbringung weder der Heimträger noch die Bewohner einen Rechtsanspruch besäßen.

Zuweisungsverbot auch für E-Rezepte

Ein behördlich genehmigter Heimversorgungsvertrag legalisiert nach Meyers Ausführungen die Zuführung der teilnehmenden Bewohner und die Zuweisung ihrer Verschreibungen an die heimversorgende Apotheke im Rahmen der zentralen Arzneimittelversorgung und schafft insofern eine Ausnahme vom Zuführungs- und Zuweisungsverbot des Apothekengesetzes. Mit dem Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) sei ergänzend in § 11 Abs. 1 ApoG klargestellt worden, dass das Verbot nicht für gesetzlich vorgesehene Rechtsgeschäfte und Absprachen gelte. Dazu gehörten ausweislich der Begründung auch Heimversorgungverträge, für Meyer eine „außerordentlich wichtige Klarstellung“. Er begrüßte außerdem, dass das PDSG das Zuweisungsverbot ausdrücklich auch auf elektronische Verschreibungen erstreckt und sich nicht nur Apotheken aus anderen EU-Mitgliedstaaten bezieht, sondern auch auf Dritte, womit ein Makeln mit Rezepten verhindert werden soll. Ohne die vom BVVA geforderte Ausnahmeregelung hätte das Zuweisungsverbot künftig auch unmittelbar für die Heimträger und ihre Mitarbeiter gegolten.

Cave: unrechtmäßige Absprachen

Zu beachten sei allerdings, dass die Freistellung vom Zuweisungsverbot sich auf die gesetzlichen Pflichten im Rahmen der Arzneimittelversorgung nach § 12a ApoG beschränke. Werde die Zuführung der Heimbewohner und die Zuweisung ihrer Verschreibungen durch die Einrichtung an weitere kostenlose Leistungen der Apotheke geknüpft, die nicht in diesen Rahmen fallen, so könne eine rechtswidrige Unrechtsvereinbarung vorliegen. Gesetzlich erlaubte Zusatzleistungen sollten auf jeden Fall in Zusatzvereinbarungen regelt werden, in denen Art, Umfang und Vergütung der Leistung niedergelegt werden. 

Was ist mit alten Heimversorgungsverträgen?

Meyer empfiehlt, für neu abzuschließende Heimverträge auf jeden Fall den aktualisierten Mustervertrag zugrunde zu legen. Wer alte Verträge vollständig anpassen möchte, sollte bedenken, dass sie dann erneut genehmigt werden müssten, weshalb er das nicht unbedingt für ratsam hält. Zusatzvereinbarungen zur Verblisterungen sollten sich allerdings schon auf den neuen Vertrag stützen. Ob mobile Pflegedienste ebenfalls einen Versorgungsvertrag mit einer Apotheke abschließen können, ist für Meyer regelungsbedürftig. Wenn die ambulante Pflege Arzneimittel beschaffe und für den Patienten aufbewahre, müsse die gleiche pharmazeutische Kontrolle gewährleistet werden, wie in der stationären Pflege.

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Von Hilko J. Meyer

Heimversorgung nach § 12a Apothekengesetz

Eine Arbeitshilfe mit Erläuterungen, Vertragsmustern, Zusatzvereinbarungen und Musterformularen

Schon seit 2003 verpflichtet § 12a des Apothekengesetzes öffentliche Apotheken und Träger von Alten- und Pflegeheimen bei einer Belieferung der Bewohner mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten einen schriftlichen Vertrag abzuschließen. Fortschritte in der Pflege, der Medizin und der Pharmazie sowie zahlreiche neue und erweiterte Rechtsvorschriften machen heute die Heimversorgung wesentlich komplexer. Dies macht transparente vertragliche Regelungen an den Schnittstellen der Zusammenarbeit zwischen Apothekern, Heimträgern und Pflegefachkräften, aber auch mit den im Heim behandelnden Ärzten notwendig.

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Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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