BMWi-Papiere

Wollte Spahn die Zyto-Apotheker mit mehr Geld ruhigstellen?

Berlin - 24.08.2019, 22:43 Uhr

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) soll BMWi-Papieren zufolge ein höheres Zyto-Honorar gefordert haben, damit keine betrügerischen Aktivitäten mehr vorkommen. (Foto: imago images / Eibner)

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) soll BMWi-Papieren zufolge ein höheres Zyto-Honorar gefordert haben, damit keine betrügerischen Aktivitäten mehr vorkommen. (Foto: imago images / Eibner)


Das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) ist bislang die größte Arzneimittelreform dieser Legislaturperiode. Einige Regelungen sind während des Gesetzgebungsverfahrens allerdings auch wieder aus den Entwürfen gestrichen worden, darunter ein neues Honorar für Zyto-Apotheker und die Löschung der Importquote. Recherchen des WDR und des NDR zeigen nun, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn neue Betrugsversuche im Zyto-Markt offenbar durch mehr Geld für die Apotheker verhindern wollte. Und: Wirtschaftsminister Peter Altmaier hat mit seinem persönlichen Einsatz offenbar die Importquote gerettet.

Das Gesetzgebungsverfahren des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV), das kürzlich in Kraft getreten ist, war komplex. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) wollte mit dem Vorhaben in erster Linie auf die Arzneimittel-Skandale des vergangenen Sommers reagieren, dazu zählte auch der Betrug des Bottroper Zyto-Apothekers Peter S., der jahrelang Zytostatika unterdosierte und deswegen inzwischen verurteilt ist.

Im ersten Referentenentwurf des GSAV wollte das BMG auf diesen Skandal so reagieren: Erstens sollten die Zyto-Apotheken nicht über Preise verhandeln dürfen. Vielmehr sollten die Apotheker bei der Abrechnung mit den Kassen nur noch den tatsächlichen Einkaufspreis erhalten, anstelle des Listenpreises abzüglich Abschlag. Die Preisverhandlungen sollten ausschließlich zwischen Kassen und Herstellern stattfinden. Zweitens gibt es jetzt neue Überwachungsregeln für Zyto-Apotheken. Letztlich wollte Spahn ein neues Fixhonorar für Zyto-Apotheker einführen. Der Arbeitspreis der Apotheker sollte als Fixhonorar in einer Höhe von 110 Euro gezahlt werden, also deutlich mehr als jetzt, wo für Zytostatika 81 Euro abgerechnet werden können. Das Ministerium schätzte, dass die Kassen pro Jahr so etwa 120 Millionen Euro mehr an die Zyto-Apotheker überweisen müssten.

BMG: Gebt den Apothekern mehr Geld, dann betrügen sie weniger

Recherchen des Journalisten Markus Grill, der für den WDR und den NDR arbeitet, zeigen nun die vermeintlichen Hintergründe dieses Schachzuges aus dem BMG. Grill zitiert Unterlagen aus dem Bundeswirtschaftsministerium, das für die Arzneimittelpreisverordnung zuständig ist und dem BMG Stellungnahmen zu den Entwürfen zukommen ließ. Wie es aussieht, war das BMWi überhaupt nicht begeistert von der Honorar-Erhöhung für die Zyto-Apotheker. Spahn habe keine Daten vorgelegt, die eine Erhöhung rechtfertigen, schreibt das Ministerium von Peter Altmaier. Es sei unklar, ob die Umstellung von Preisverhandlungen auf Fixhonorar überhaupt ein geeignetes Mittel ist. Und dann heißt es wörtlich: „Argumentation des BMG: ‚Gebt den Apothekern mehr Honorar/Geld, dann betrügen sie nicht‘ ist nicht vermittelbar.“

Altmaier intervenierte persönlich bei der Importförderklausel

Aber damit noch nicht genug: Wie WDR und NDR schon selbst berichtet haben, gab es zwischen dem BMG und dem BMWi auch intensiven Kontakt wegen der Importquote. Zur Erinnerung: Während des Gesetzgebungsverfahrens zum GSAV gab es mehrere Wendungen in dieser Sache: Erst sollte die gesetzlich festgelegte Regelung, nach der zur Anrechnung auf die Quote ein Abstand von mindestens 15 Euro zwischen inländischem Original und einem von der Apotheke bevorzugt abzugebenden Import-Medikament bestehen muss, fallen. 

Dann gab es einen Zwischen-Entwurf, in dem kurzzeitig sogar die komplette Streichung der Importförderklausel vorgesehen war. Nach nur wenigen Stunden tauchte dann aber der nächste Entwurf auf, in dem die Lösung enthalten war, die jetzt in Kraft getreten ist und die sich sehr stark an den preisabhängigen Regelungen im Rahmenvertrag orientiert. Im Parlament sind dann noch ein Ausschluss von Biopharmazeutika und parenteralen Zytostatika sowei die Überprüfung der Förderklausel durch den GKV-Spitzenverband hinzugekommen.

Altmaier: Ministervorbehalt bei der Importförderklausel

Aus den BMWi-Papieren lässt sich nun ableiten, dass Peter Altmaier persönlich – der wie der Importeur Kohlpharma aus dem Saarland kommt – für den Erhalt der Förderklausel kämpfte. Aus den Papieren geht laut WDR/NDR hervor, dass das BMWi einer Einschränkung der Förderklausel ursprünglich sogar zustimmen wollte. Später sei aber ein „Leitungsvorbehalt“ eingefügt worden. Heißt konkret: Altmaier persönlich hat die Zustimmung streichen lassen. Die Dokumente zeigen, dass es danach persönliche Gespräche zwischen Altmaier und Spahn gab. Schließlich wurde vermerkt, dass das BMWi nach der inzwischen geänderten Import-Regelung zufrieden sei.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.