Interview ABDA-IT-Chef Sören Friedrich (Teil 1)

„Apotheker sehen neue Technologien nicht so skeptisch wie Ärzte“

Berlin - 20.08.2019, 17:45 Uhr

Der IT- und Telematik-Chef der ABDA Sören Friedrich ist frohen Mutes, dass die Apotheker die Anbindung an die Telematikinfrastruktur besser bewältigen als die Ärzte. (c / Foto: ABDA)

Der IT- und Telematik-Chef der ABDA Sören Friedrich ist frohen Mutes, dass die Apotheker die Anbindung an die Telematikinfrastruktur besser bewältigen als die Ärzte. (c / Foto: ABDA)


Mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gibt es derzeit einen Minister, der die Digitalisierung extrem schnell vorantreiben will. Doch Spahn und dem Gesetzgeber stehen nur begrenzte Mittel zur Verfügung: Letztlich sind es die Leistungserbringer und Kassen, die sich in einer neuen digitalen Infrastruktur, der Telematikinfrastruktur verknüpfen müssen. Im Rahmen der DAZ.online-Themenwoche zum E-Rezept erklärt Sören Friedrich, der bei der ABDA die Themen IT und Telematik verantwortet, wie es mit der Anbindung der Apotheken an die TI bestellt ist und warum er davon überzeugt ist, dass die Apotheker sich problemloser anbinden als die Ärzte.

DAZ.online: Sehr geehrter Herr Friedrich, das BMG will den Apothekern ja eine sehr sportliche Frist setzen: Bis Ende September des kommenden Jahres sollen alle Apotheken an die Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen werden. Ist das überhaupt machbar?

Friedrich: Das hängt sehr von den Herstellern der Warenwirtschaftssysteme und der Konnektoren ab. Eigentlich hatten wir ja den 31. Dezember 2020 angepeilt. Wenn alle bei ihren Versprechungen bleiben, könnten wir den 30. September 2020 aber packen.

DAZ.online: Welche Probleme gibt es denn mit den Warenwirtschaften und den Konnektoren?

Friedrich: Einige Konnektoren für Ärzte sind schon im Markt, dies sind aber keine E-Health-Konnektoren, die laut Vereinbarung zwischen DAV und GKV-Spitzenverband für die Apotheken erstattet werden. Diese Geräte haben sehr viele Funktionen und funktionieren nach dem Zwei-Karten-Prinzip, hier müssen also der Heilberufsausweis und die Institutionenkarte anwendbar sein. Die Hersteller von Konnektoren entwickeln derzeit für die Anwendungen „elektronischer Medikationsplan“ und „Notfalldatenmanagement“ die notwendigen Fachmodule – das dauert aus meiner Sicht alles etwas lange. Ich sehe bis heute keinen Hersteller im Markt, der das vor Anfang 2020 hinbekommt.

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DAZ.online: Und bei den Herstellern der Warenwirtschaftssysteme?

Friedrich: Hier sind wir in ständigem und gutem Kontakt mit deren Verband ADAS. Das Problem ist: Erst wenn die Hardware steht und fertig programmiert ist, können die Warenwirtschaftssystemanbieter die notwendigen Rolloutmaßnahmen durchführen. Hinzu kommt, dass jeder Hersteller von Konnektoren einen achtwöchigen Feldtest durchführen muss, bevor er seine Produkte im Produktivbetrieb vertreibt.

Friedrich: Die Apotheker werden diesen Prozess nicht aufhalten

DAZ.online: Sie meinen das Projekt in Westfalen-Lippe?

Friedrich: Ja, Westfalen-Lippe ist die erste Testregion. Dort sollen 15 Apotheken und 75 Ärzte die TI anhand des elektronischen Medikationsplanes (eMP) testen. Der eMP soll von einem Arzt erzeugt werden, an den Patienten weitergeleitet werden, der den Apotheker seiner Wahl dann autorisieren kann, ihn in einer ersten Stufe der Fachanwendung von der eGK (elektronische Gesundheitskarte) des Patienten zu laden. Das Ganze muss dann natürlich auch noch evaluiert werden.

DAZ.online: Damit die Apotheker sich in der TI bewegen können, brauchen sie ja einen elektronischen Heilberufsausweis (HBA). Für die Verteilung sind die Kammern verantwortlich. Wie sieht es da aus? Gibt es Verspätungen oder läuft alles nach Plan?

Friedrich: Die HBAs und SMC-Bs (Security Module Card Typ B, Institutionskarte) sind noch nicht im Feld. Was sollten die Apotheker mit ihren Ausweisen, wenn sie erst zu einem viel späteren Zeitpunkt benötigt werden? Die Kammern sind aber fertig und vorbereitet, und die Ausgabeprozesse sind definiert, das könnte also jederzeit losgehen.

DAZ.online: Bei den Ärzten haben wir ja kürzlich erlebt, wie die Anbindung an die TI scheitern kann. Etwa ein Drittel aller Praxen hat sich auch nach Ablauf der Frist nicht angebunden, jetzt drohen Bußgelder. Für Apotheken sind bislang keine Bußgelder vorgesehen. Aber warum sind sie trotzdem optimistisch, dass den Apothekern eine solche Blamage erspart bleibt?

Friedrich: Die Ärzte waren schon immer etwas skeptischer gegenüber neuen Technologien. Ich kann das sagen, weil ich jahrelang im Ärztebereich gearbeitet habe. Das sehe ich bei Apothekern nicht. Apotheker sind es bei ihren internen Abläufen schon seit Jahrzehnten gewohnt, mit digitalen Technologien zu arbeiten. Außerdem bin ich mir sicher, dass die Apotheker den Mehrwert in der TI sehen: Patienten können in Zusammenarbeit mit Ärzten und Apothekern besser beraten werden, es wird E-Medikationspläne geben – und den Apothekern bleibt durch den Wegfall einiger manueller Abläufe mehr Zeit, die sie für pharmazeutische Tätigkeiten nutzen können. Wenn dann noch eine vernünftige Vergütung hinzukommt, bin ich fest davon überzeugt, dass die Apotheker diesen Prozess nicht aufhalten werden.

Zur Person

Sören Friedrich hat an der FH Anhalt in Köthen Informatik studiert. Zwischen 2007 und 2013 arbeitete er bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg, wo er die Programm- und Projektleitung für IT-Projekte innehatte. Unter anderem baute er dort die Netzinfrastruktur der Ärzte in Brandenburg auf. Zwischen 2013 und 2015 war Friedrich dann in der Gematik tätig, bevor er 2015 zur ABDA wechselte und seitdem dort Abteilungsleiter IT/Telematik ist.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

TI sicher?

von Christoph Stackmann am 21.08.2019 um 8:29 Uhr

Guten Morgen,
was ich so über die TI lese, ist nichts Gutes (https://www.heise.de/ct/artikel/Technische-Probleme-bei-der-Einfuehrung-der-elektronischen-Patientenakte-4483720.html). Wenn ich lese, dass Arztpraxen Virenschutz und Firewalls für das Funktionieren der TI ausschalten, dann bin ich schon von daher nicht bedingungslos "offen" für dieses System.
Retaxationen aufgrund von Formfehlern mag man ja evtl, vorbeugen. Ob der Bürokratieaufwand allerdings sinkt, theoretisch, vielleicht. Ein teures System für einen geringen Nutzen, so sehe ich das.

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Weltbild ???

von Dr. Ralf Schabik am 20.08.2019 um 21:31 Uhr

Sorry, aber da muss ich protestieren:
"Außerdem bin ich mir sicher, dass die Apotheker den Mehrwert in der TI sehen: Patienten können in Zusammenarbeit mit Ärzten und Apothekern besser beraten werden, es wird E-Medikationspläne geben – und den Apothekern bleibt durch den Wegfall einiger manueller Abläufe mehr Zeit, die sie für pharmazeutische Tätigkeiten nutzen können."
Herr Friedrich - ich lade Sie gerne mal in meine Apotheke ein, damit Sie zwei elementare Dinge ERLEBEN können:
- Engagierte Beratung von Patienten geht auch ohne TI bzw. wird mit TI kein bisschen besser. Wichtiger als die Telematik sind vernünftige Datenbanken in der Apotheke.
- Die TI wird keinen einzigen von den manuellen Abläufen beseitigen, die uns das Leben BÜROkratisch zur Hölle machen. Denn die echten Probleme machen uns nicht die Verordnungen, sondern absurde Retaxationen der Krankenkassen.

Das mal nur als Einwurf vom Praktiker, der den Wahnsinn täglich erlebt und irgendwie auf die Reihe bringen muss.

Positiv finde ich den Hinweis auf die langjährige Erfahrung der Apothekerschaft mit digitalen Technologien - und ein besonderes Bonbon ist der ausdrückliche Hinweis auf eine "vernünftige Vergütung" :-)

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